Die weiblichen Seiten

Früher, zu ihren Gründerzeiten, da waren die 11Freunde ja noch richtig klasse, hört man immer wieder. Dann gingen sie den Weg vieles Irdischen und orientierten sich in höherem Maße an wirtschaftlichen Kriterien. Kommerz, Baby! Im einen oder anderen Blog findet man von Zeit zu Zeit nostalgische Erinnerungen, gepaart mit aktueller Kritik, bei Twitter erfährt man hin und wieder, wer das Heft warum nicht mehr liest. Ich lese es immer noch gerne. Möglicherweise würde ich es am Kiosk nicht immer kaufen, das Abo habe ich indes bisher nicht in Frage gestellt. Manches stört mich, einige Teile lese ich selten, andere immer.

Vielleicht sollte ich sagen, dass ich kein Leser der ersten Stunde war. Dieser hemdsärmeligen Phase, die immer wieder gerne beschworen wird, einer Zeit, als die Auflage ein ganzes Stück niedriger war als die Zahl derer, die heute von damals schwärmen, Sie wissen schon. Wie gesagt, ich war damals nicht dabei, bin erst irgendwo bei Nummer 25 oder so eingestiegen. Das Heft war schon ein wenig etabliert und doch für die meisten noch “anders” genug, die Haptik wurde erst später zum Streitpunkt, die Aktualität der Bundesliga spielte eine untergeordnete Rolle.

Heute ist manches anders, teilweise schlechter, teilweise besser. Dass ich nicht mehr jeden Artikel von Anfang bis Ende lese, manchen gar nicht, mag auf einen Qualitätsverlust, vielleicht auch einfach auf eine Akzentverschiebung hindeuten, die meinen Präferenzen nicht entgegen kommt. Es hat aber auch nicht unwesentlich mit zeitlichen Restriktionen zu tun, die einfach bindender sind als noch vor einigen Jahren und die zu konsequenteren Entscheidungen gegen einzelne Texte führen, mitunter gar gegen ganze (Sonder-)Hefte.

Was ich indes von A bis Z lese: die 11Freundinnen. Anfänglich war ich mir noch nicht so ganz sicher, was ich davon halten sollte, richtig gefangen nahm mich erst die Ausgabe mit Nadine Angerer. Das ist diese Torfrau, die mir immer so furchtbar unsympathisch war, die irgendwann die -mich zwar auch nicht zu Begeisterungsstürmen hinreißende, aber zumindest nicht so unnahbar wirkende- 2003er Heldin Silke Rottenberg aus dem Tor verdrängte und die auch nach dem WM-Shutout 2007 keinen leichten Stand bei mir hatte (ja,  Sack Reis, China, Eiche, Wildsau) – bis ich besagtes Interview las. Nicht falsch verstehen: es war nur ein ganz normales Interview, ich hatte kein Erweckungserlebnis oder Ähnliches, sondern lediglich das Gefühl, etwas über Nadine Angerer erfahren zu haben. Und freute mich auf das Interview mit Babett Peter, las jetzt mit Vergnügen, was Alexandra Popp zu sagen hatte.

Ich weiß nicht, ob die Gründerzeitgeschichten von und mit Hannelore Ratzeburg, die aus heutiger Sicht absurden Abwehrversuche des DFB, vielleicht auch die irgendwann alle schon einmal gehörten Geschichten über Fußballerinnen aus in Sachen Gleichberechtigung weniger offenen Kulturkreisen auf Dauer tragen können. Andererseits, könnte man einwenden, tragen männliche Fußballfrisuren aus den 70ern, 80ern und 90ern auch seit mindestens 10 Jahren. Vielleicht kommen neue Aspekte, vielleicht emanzipiert man sich sogar so weit vom Mutterheft, dass man alleine am Kiosk liegen oder gar ohne “Bei der Geburt getrennt” auskommen kann. Wir werden sehen.

Kurz: ich mag 11Freundinnen. Lese es gerne. Allein schon der Erscheinungsfrequenz wegen ist es angenehm weit entfernt vom Tagesgeschehen. Ich entwickle ein besseres Verständnis für Frauenfußball. Und das finde ich per se erst einmal gut. Wenn ich dafür auf ein paar Rezensionen und den einen oder anderen sonstigen Artikel im Stammheft verzichte, ist das nur zu meinem Vorteil.

Ich hab ein gutes Gefühl

Heute geht’s also wieder los. Das erste Saisonspiel im Neckarstadion, und gleich ein internationales Topspiel. Und die Feuertaufe für die Untertürkheimer Kurve, die erstmals nach dem Umbau wieder Gästefans aufnehmen darf, ehe gegen Dortmund auch die Einheimischen dorthin müssen.

Gänzlich uninformiert bin ich also nicht, trotz Elternzeit, trotz weitgehender Stille hier im Blog in den letzten Wochen.

Ein bisschen was habe ich ja doch geschrieben, zum Beispiel die Antworten für’s 11Freunde-Sonderheft, das ich jetzt nicht noch einmal explizit erwähnen würde, wenn ich nicht noch drei Exemplare unter die Leute bringen dürfte: Windhundverfahren in den Kommentaren.

Etwas weiter entfernt von der fußballerischen Tagesaktualität lag das, was ich den Urlaubern vom Textilvergehen ins Stammbuch Blog schreiben durfte. Dort ging es um Harry Valérien, Katsche Schwarzenbeck und natürlich Ove Grahn.

Das war’s dann auch mit der Selbstvermarktung. Kommen wir zurück zum tatsächlichen Geschehen. Hier in Stuttgart. So richtig viel hat sich ja nicht getan in den letzten Wochen. Also, abgesehen von Sami Khediras Abschied natürlich. Bitter für den Verein, vermutlich ein richtiger und wichtiger Schritt für ihn. Den auch der Neue nicht verhindern konnte, trotz Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann bei Karstadt oder Breuninger. Obwohl er Namensgeber und Teilhaber einer Sportsbar ist, konnte er auch Olympique Marseille noch nicht zum Verkauf von André Ayew bewegen, und auch seine Anteile an einem Sportgeschäft in Winterbach – wo er sogar jeden Mitarbeiter persönlich kenne – haben den FC Augsburg bis dato nicht dazu gebracht, Ibrahima Traoré abzugeben. Möglicherweise war es aber sein Praktikum bei der DFL, in Verbindung mit den Inhalten seines Fernstudiums im Sportmanagement, das den Liverpool FC überzeugte, Philipp Degen mehr oder weniger günstig zu verleihen.

Ok, jetzt mal im Ernst: ich hätte schon gern einen Manager gesehen, der etwas mehr Erfahrung vorzuweisen hat als die von den Stuttgarter Nachrichten so wunderbar zusammengetragenen Schlüsselqualifikationen und ein gutes Jahr als Geschäftsführer an der Schwarzmeerküste. Jan Schindelmeiser wäre der Mann meiner Wahl gewesen, wobei ich die Umstände seines Abschieds aus Hoffenheim und die in diesem Kontext genannten gesundheitlichen Gründe nicht einschätzen kann. Stattdessen betätigt sich der VfB erneut als Managerausbilder. Und doch habe ich ein gutes Gefühl. Ein Gefühl, das ich nur sehr bedingt rational erklären kann und das ganz sicher nichts mit einer kaufmännischen Ausbildung im Einzelhandel zu tun hat. Es ist eher der möglicherweise anachronistische Glaube an den Typen Bobic, an einen Mann, der in seiner aktiven Karriere ein beachtliches Durchsetzungsvermögen an den Tag gelegt hat, der Konflikten nur selten aus dem Weg ging und der in Vertragsdingen, soweit man das von außen beurteilen konnte, nicht die schlechteste Figur abgab. Es gibt den einen oder anderen früheren Weggefährten, der heute den Hut zieht, wie weit es Bobic als nicht überragend begabter Fußballer bringen konnte, durch seinen Ehrgeiz, Willen und nicht zuletzt Zielstrebigkeit. Nicht die schlechtesten Züge. Das Handwerkszeug können sie sicher nicht ersetzen, aber sie können helfen, es schneller zu erlernen und anzuwenden. Ich hab ein gutes Gefühl.

Noch nicht ganz so gut ist mein Gefühl, was den Saisonstart anbelangt. Zu unklar ist noch die Zusammensetzung der Mannschaft. Zwar bin ich überzeugt, dass auch kurzfristige Neuzugänge ihren Dienst nicht in einem so desolaten körperlichen Zustand antreten werden wie die ehemalige Zaubermaus aus Weißrussland im Vorjahr; ein wenig Eingewöhnungszeit sollte man den Neuen gleichwohl einräumen. Besonders ärgerlich ist das erneute lange Warten insbesondere deshalb, weil man Spieler für die offensiven Außenpositionen sucht – Schlüsselpositionen, deren Bedeutung für sein System Christian Gross unermüdlich betont. Eine weitere Schlüsselposition scheint er mit Philipp Degen besetzt zu haben. Wenn ich das Gemurmel in Cannstatt richtig interpretiere, trägt mancher Fan gewisse Zweifel an dessen Leistungsfähigkeit im Herzen. Zweifel, die ich einerseits teile. Andererseits bin ich froh, dass man einen weiteren Rechtsverteidiger verpflichtet. Zu wechselhaft waren die Leistungen von Stefano Celozzi, zu wichtig scheint Christian Träsch in der Zentrale zu sein. Ob Degen indes ein adäquates Pendant zu Cristian Molinaro sein kann, wie der Trainer es sich wünscht, bleibt abzuwarten. Mein Grundvertrauen in Christian Gross lässt mich zumindest darauf hoffen.

Noch größer ist die Hoffnung, dass Zdravko Kuzmanovic eine große Saison spielt. Er wird gefordert sein, Khediras Rolle als Chef auf dem Platz zu übernehmen. Träsch ist fußballerisch nicht stark genug, Gentner sehe ich nicht als “Leader”, und Funk wird wohl erst langsam in die Mannschaft hineinschnuppern können – gerne lasse ich mich gerade in seinem Fall vom Gegenteil überzeugen. Genau wie von Sven Ulreich, der mich, wie verschiedentlich angeklungen, bis dato nicht vollends überzeugen konnte. Zwar glaube ich nicht, dass Marc Ziegler das Stuttgarter Pendant zu Jörg Butt werden kann; aber es gibt ja auch noch andere Torhüter beim VfB.

In Sachen Innenverteidigung wird sicherlich vieles davon abhängen, wie Serdar Tasci die Enttäuschung der Weltmeisterschaft wegsteckt. Nachdem es aber Niedermeier nicht gelang, im ersten Pflichtspiel in Molde Souveränität auszustrahlen und vielleicht ein Ausrufezeichen zu setzen, und Boulahrouz nach den Eindrücken des Vorjahrs nicht als Liebling des Trainers gelten kann, gehe ich davon aus, dass Delpierre und Tasci wieder den Stamm bilden werden. Im Sturm ist die Situation ungleich offener. Zu Cacau, Marica und Pogrebnyak gesellt sich Martin Harnik, der gegebenenfalls auch über die Außenbahnen kommen kann, als Pendant zu dem vermutlich gesetzten Timo Gebhart – vor allem solange die Neuverpflichtungen ausbleiben und Sebastian Rudy es weiterhin an Schlagkraft mangeln lässt.

Eigentlich wollte ich hier keine Saisonvorschau schreiben, zumal das alles schon nach dem Spiel gegen Molde heute abend wieder ganz anders aussehen kann, aber man kommt halt manchmal so ins Plaudern. Kurz: meine Zuversicht für das erste Saisondrittel hält sich noch ein wenig in Grenzen, aber danach wird das schon – wenn es gelingt, auf den Außenbahnen nachzulegen. Ich hab ein gutes Gefühl.

Und falls es doch nicht klappen sollte, liegt es bestimmt daran, dass man wieder einmal versucht hat, am großen Rad zu drehen. Dabei hat Thomas Haid doch davor gewarnt. Der VfB soll sich auf seine Eigengewächse stützen. Da kann man mit Hilfe des Verweises auf Nischenmärkte dann auch mal Verpflichtungen wie den 835fachen mexikanischen Nationalspieler Pavel Pardo mit rein packen. Und locker auf die Meisterschaften der 80er und 90er zurückblicken, “mit Spielern, die vorwiegend aus dem Talentschuppen auf dem Wasen stammten oder wie Karl Allgöwer, Jürgen Klinsmann, Guido Buchwald und Walter Kelsch von den Stuttgarter Kickers ausgebildet wurden.”

Ich bin mir nicht ganz sicher, wie Asgeir Sigurvinsson und Matthias Sammer als Vertreter der Meistermannschaften 1984 und 1992, zu diesem Ansatz stehen. Und die Mitte der Neunziger, die bundesweit vermutlich nach wie vor am nachhaltigsten erinnerlichen Phase Stuttgarter Spielkunst, und mit ihr die Herren Balakov und Elber, kann man ohnehin als belanglos beiseite lassen.

Ich sollte aufhören.

Die Buchwald-Problematik

Nein, die Überschrift hat nichts mit der Entscheidung des VfB für Fredi Bobic zu tun. Und es liegt mir auch fern, Guido Buchwalds Dampfplaudereien der späten Ära Babbel nochmals Revue passieren zu lassen. Problematisch ist vielmehr meine verkürzte Antwort im Bundesliga-Sonderheft der 11Freunde:

Dein Lieblingsspieler aller Zeiten?
Guido Buchwald, […]”

In der Tat nannte ich ihn, aber weit hinter den Herren Soldo und Sigurvinsson. Ok, ich hätte mich halt an die Frage halten und nur einen nennen sollen…

Wie auch immer, hier sind meine Antworten auf alle Fragen (auch die zur Auswärts-Vorfreude) und in voller Länge:

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Deshalb wird die neue Saison unvergesslich…
Unvergesslich ist ein großes Wort. Bemerkenswert ist aber, dass die Bundesliga erstmals das Unwort des Jahres stellen dürfte: Torfabrik.

Aus der alten Saison wird in Erinnerung bleiben…
In allererster Linie das Schicksal von Robert Enke.

Wenn man sich dann doch an sportliche Themen erinnern möchte, bleiben aus Stuttgarter Sicht eine fürchterliche Vorrunde, eine unnötige Arbeitsplatzgarantie mit minimaler Halbwertszeit, grenzüberschreitende Fanproteste, eine grandiose Rückrunde und die erste Halbzeit gegen Barcelona. Und dann noch die Entwicklung von Christian Träsch.

Welche Schlagzeile würdest Du gerne in der kommenden Saison verfassen?
Interview mit Sami Khedira: „Jeder Wechsel wäre ein Rückschritt!“

Drei Wünsche frei:
Im Rahmen einer Transparenz- und Demokratieinitiative der FIFA tritt Joseph Blatter zurück.
Christian Gross ist im Dezember noch VfB-Trainer. Dezember 2013.
Ciprian Marica gewinnt den Goldenen Schuh.

Dein größter Albtraum:
Christoph Daum wird Trainer des VfB Stuttgart. Wobei selbst das noch eine positive Seite hätte: ich wäre samstags bei der Familie. Bzw. sonntags oder freitags.

Lieblingsspieler im aktuellen Team:
Die defensiven Mittelfeldspieler. Und ich hoffe weiterhin auf Sebastian Rudy.

Messer zwischen den Zähnen! Dein Lieblingsfeind:
Vom Konzept Feindschaft halte ich nicht viel, und ganz gewiss nicht beim Fußball. Dafür ist er mir zu wichtig.

Oder, um konkret zu werden: es ist mir egal, wie der KSC spielt. Es ist mir auch egal, in welcher Liga er spielt. Wenn er zufällig grade in der Bundesliga ist, sind mir die 6 Punkte für den VfB wichtig. Ansonsten habe ich weder Veranlassung noch Lust, den kleinen Nachbarn zu verunglimpfen, während der VfB gegen Dortmund, Nürnberg, Timisoara oder wen auch immer spielt.

Dein Lieblingsspieler aller Zeiten:
Zvonimir Soldo. Asgeir Sigurvinsson. Guido Buchwald, bevor er meinte, es zähle zu den Pflichten eines Ehrenspielführers, sich mit zweifelhaften Attacken gegen den Trainer als dessen Nachfolger ins Gespräch zu bringen.

Und ja, ich war immer ein großer Bewunderer von Mehmet Scholl.

Lustigster Fanchoral/Spruch der letzten Saison:
Speziell zum Saisonende war die Stimmung in der scheidenden Kurve weniger lustig als vielmehr wehmütig, manch einer sprach vom “Fado in Stuttgart”. Letztlich war “Cannstatter Kurve – wir sind die Cannstatter Kurve!” vielleicht nicht besonders originell, aber schön, und laut, und was fürs Herz.

Wo stehst oder sitzt Du im Stadion? Und warum?
Erst stehe ich mit einer Wurst beim PSV, dann in der, nun ja, Untertürkheimer Kurve. Warum? Weil die Cannstatter Kurve umgebaut wird.

Auf dieses Auswärtsspiel freust Du Dich besonders:
17. Mai 2011, Dublin, Lansdowne Road.
Der Gegner steht noch nicht fest.

Du wirst überraschend zum Doppelpass eingeladen. Deine Traumbesetzung für die anderen Sessel?
Steffen Simon, Udo Lattek, Christoph Daum, Raimund Hinko, Dr. Theo Zwanziger, Manfred Breuckmann.

Ach nee, ich hab die Frage falsch verstanden. Nochmal:
Kai Pahl, Raphael Honigstein, Trainer Baade, Christian Gross, Klaus Allofs, Christian Eichler (Eichler, nicht Eichner)

Holt der FC Bayern das Quadrupel? Oder wer wird Meister?
Quadrupel? Fuji-Cup, Hallen-Masters, T-Home-Supercup, Champions League? Einverstanden.
Um die Meisterschaft streiten dann Bremen, Leverkusen und der VfB.

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Bei meiner Wunschschlagzeile wird’s wohl eng… Kommentare, wonach dieser Satz erst nach Khediras Wechsel falle, werden gelöscht, da versteh’ ich keinen Spaß. Oder so.

Wer mir Narzissmus und Inkonsequenz unterstellt, weil bei den 11Freunden mein voller Name auftaucht, hat bestimmt recht. Zumindest in Sachen Narzissmus.

Über die Inkonsequenz kann man streiten. Wie ich schon an der einen oder anderen Stelle schrieb, lege ich einen gewissen Wert darauf, hier nicht mit meinem echten Namen ergoogelt zu werden.

Was wegen einer Print-Publikation nicht geschehen dürfte. Wer hier mitliest, kann indes gerne wissen, wie ich sonst gelegentlich heiße. Deshalb steht’s ja auch im Impressum. Im Netz bin ich Heinz Kamke. Oder heinzkamke. Oder, wie der eine oder die andere geschätzte Bloggerin gerne mal sagt, der Heini.

Drucksituationen

“Für weitere Systemanalysen verweise ich jetzt einfach mal auf heinzkamke, der sich mit Sicherheit in den nächsten Tagen detailliert zur Lage des VfB äussern wird. (Subtil den Druck erhöhen… =))”

So steht’s im Brustring, und wenn ich ehrlich bin, muss ich mir eingestehen, dass ich diesem Druck, so subtil er auch sein mag, nicht gewachsen bin. Nicht gewachsen sein kann, da ich schlichtweg nur sehr wenig vom Sieg des VfB in Berlin gesehen habe. Und es wird ja wohl niemand ernsthaft glauben, dass ich mich für die geforderte Systemanalyse auf Informationen aus dritter Hand stützen würde.

So bleibt mir nur festzustellen, dass der VfB dem Druck, im Gegensatz zu mir, stand hielt. Sowohl dem psychischen als auch dem der Hertha. Wohingegen der Schiedsrichter wohl nicht druckresistent genug war. Womit ich nicht sagen will, dass der VfB Druck auf ihn ausgeübt habe, auch wenn das Deutsche und Fußballdeutsche bekanntlich gerne mal tun. Ob der Spätzle-unterwanderte DFB Druck auf den Schiri ausgeübt hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Ausschließen kann man sowas freilich nie. Vielleicht war es auch einfach nur der ganz normale Saisonendphasendruck, der das niedersächsische Gespann Weiner/Frank zu Fehlentscheidungen verleitete. Ging Herrn Preetz ja auch nicht anders. Im Gegensatz zu Michael Kempter, der auf Druck von Doc Z den nach eigenen Angaben brutalen Druck bei seinem Comeback souverän meisterte.

Ziemlich druckerprobt zeigten sich zu meinem Bedauern – und ich gebe zu, ein wenig zu meiner Überraschung – auch die Herren aus Hamburg und Wolfsburg, während man in Frankfurt und Gelsenkirchen nur leidlich druckresistent war. Wäre Toni Kroos dem Druck des Schützen im Angesicht des Torwarts gewachsen gewesen, hätten die Bayern von ihrem Vorturner Arjen Robben wohl noch mehr Druck bekommen; so aber dürften sie weiterhin davon ausgehen, keine Vizemeistertrikots drucken lassen zu müssen dürfen.

Kräftigem Druck waren und sind die Hoffenheimer Millionäre aus allen Richtungen ausgesetzt. Was mag geschehen, wenn sie realisieren, dass sie auch noch absteigen können? Und wieso hab ich das noch nirgends gelesen? Frank Baumann könnte denen Geschichten erzählen. Vom Druck vor dem Tor, zum Beispiel.

Zurück zum Druck der Hoffenheimer Fans. Deren Millionärsschelte landauf, landab für Belustigung sorgte. Vermutlich fanden’s die Spiel gar nicht so lustig. Fans können nämlich gnadenlos sein, wie wir kürzlich unter der netten Überschrift “Deisler-Arzt Dr. Nickel über DRUCK” bei den 11Freunden erfahren konnten. Nun will ich nicht so weit gehen, die Sonntagsausgabe der Stuttgarter Zeitungen, “Sonntag aktuell”, als gnadenlos zu bezeichnen. Aber so richtig schön finde ich es auch nicht, dass man es beim Relaunch im Januar 2010 für eine gute Idee hielt, wöchentlich die Flop-Elf des Tages zu küren, nach welchen Kriterien auch immer:

Wobei ich einräume, dass “Sonntag aktuell” nur bedingt in der Lage sein dürfte, damit Druck auf die Spieler auszuüben.

Wie dem auch immer sei: der Druck wird zum Saisonende hin nur in den wenigsten Fällen nachlassen. In Mainz und Gladbach vielleicht ein wenig eher als woanders, möglicherweise auch in Frankfurt, mit etwas Glück in Köln und Hoffenheim. Aber selbst die Bremer, von denen ich bis zum Wochenende glaubte, sie könnten sich in den verbleibenden Spielen Körperteile ihrer Wahl schaukeln, dürfen nun wieder Gas geben und spekulieren. Wobei mich persönlich natürlich in besonderem Maße der Kampf um Platz 6 interessiert, den ich, wie die geneigte Leserin weiß, vor Wochen schon aufgegeben hatte. Mittlerweile bin ich sehr guter Dinge, dass der VfB den HSV noch  überholt; Wolfsburg mit seinem künftigen Weltfußballer macht mir da deutlich mehr Sorgen.

Letztlich halte ich es aber mit Christian Gross, der am Sonntag in einem souverän geführten “Intervier” mit Valeska Homburg Klartext redete:

“Wenn wir 12 holen, dann schaffen wir es”
(ca. 13:50)

Nicht ganz so deutlich äußerte er sich zur Zukunft einzelner Spieler beim VfB; es würde mich, auch auf Basis dieses Interviews, allerdings überraschen, wenn Roberto Hilbert nächste Saison noch beim VfB und Sven Ulreich dessen Stammtorwart wäre (ab ca. 6:00). Wobei ich eine solche Entscheidung in Sachen Ulreich leichter nachvollziehen könnte als bei Hilbert. Aber auch hier werde ich versuchen, mir das zu Herzen zu nehmen, was Gross einem Zuschauer mit auf den Weg gab, der wissen wollte, ob er sich wegen des nächstjährigen Kaders Sorgen machen müsse:

“Er soll sich Gedanken machen, aber ‘ne gewisse Gelassenheit ausstrahlen.” (ca. 8:20)

Früher waren alle kleiner

Die 11Freunde, die ich sehr schätze, haben in diesen Tagen einen kleinen Artikel veröffentlicht, der mitten aus dem Sommerloch stammt sich unter der Überschrift “Früher war alles kleiner” mit der Durchschnittsgröße der Bundesligatorhüter befasst und feststellt, dass die Torleute in der Saison 1970/71 “im Schnitt ganze zehn Zentimeter” kleiner gewesen seien als in der Saison 2009/10.

Ich bin mir noch nicht ganz sicher, was ich daraus schließen soll. Möglicherweise könnte man das Ergebnis so deuten, dass die Vereine bei ihrer Sichtungsarbeit (“Scouting” ist als Begriff möglicherweise nicht präzise genug) professioneller geworden sind und nur noch großen Jungs eine Chance geben.

Da diese These etwas weit gehen könnte, will ich zunächst nochmals die Fakten sichern. Der 11Freunde-Text vergleicht explizit die Daten der Torhüter jener 11 Vereine, die sowohl 1970/71 als auch 2009/10 in der Bundesliga vertreten waren bzw. sind. Rechnet man anhand der dort genannten Zahlen nach, war der durchschnittliche Bundesligatorwart vor 39 Jahren 182,9 cm groß, während er heute 190,6 cm misst. Womit der Unterschied zwar nicht die genannten 10 cm beträgt, aber immerhin 7,7 cm. Eine Studie des Professional Football Players Observatory (PFPO) kam, allerdings für die Saison 2008/09, gar nur auf 189,3 cm als Durchschnittswert aller Bundesligahüter.

Bleibt die Frage, ob möglicherweise auch der gemeine Spieler gewachsen ist. In der Saison 2008/09, so die oben genannte und jedem nach einer kostenlosen Registrierung zugängliche Studie, sei der durchschnittliche Bundesligaspieler 183,0 cm groß gewesen. Für die Saison 70/71 kann fussballdaten.de zwar keinen vollständigen Überblick liefern; insgesamt 198 Daten sollten indes ein recht verlässliches Bild liefern, dem zufolge der gemeine Bundesligaspieler damals 177,1 cm maß – fast 6 cm weniger als heute.

Wenn man also unterstellt, dass die -ohne ersichtliches Muster- bei fussballdaten.de vorhandenen Maße repräsentativ sind, dass die Zahlen im 11Freunde-Artikel korrekt recherchiert sind, ich sie ebenso fehlerfrei übernommen habe wie jene aus der hoffentlich fundierten PFPO-Studie, und dass mir weder Denk- noch Rechenfehler unterlaufen sind, wenn also die Torhüter in den letzten 39 Jahren um 6,4 bis 7,7 cm gewachsen sind und alle Spieler im Schnitt um 5,9 cm,

dann möchte ich meine These lieber nicht aufrecht erhalten.