Das Leben war schön in den frühen 90ern, irgendwo in Südfrankreich, die Liebe auch, das Wetter sowieso. Und der Fußball. Ich verbrachte viel Zeit auf provenzalischen Lavendelfeldern Ascheplätzen, gelegentlich war auch ein Kunstrasen, in seltenen Fällen echter Rasen dabei. Häufig wusste man wenige Stunden vor dem Kick noch nicht, ob der Platz tatsächlich zur Verfügung stehen würde, und selbst bei überregionalen Spielen, für die man auch mal fünf Stunden im Bus saß, war damit zu rechnen, dass vor Ort eine gewisse Wartezeit in Kauf zu nehmen sei. Was insofern nicht schlimm war, als man ohnehin immer verspätet ankam.
So auch bei einem Mannschaftsessen, in dessen Vorfeld alle aufgefordert wurden, “ausnahmsweise einmal pünktlich” zu kommen. Leider schaffte ich es aus organisatorischen Gründen nicht, kam 45 Minuten zu spät und traf auf einen Gastronomen, der mich mit einem freundlichen “So langsam wird’s Zeit, dass mal einer von Euch kommt” begrüßte. Aber das nur am Rande. Ebenfalls am Rande erwähnt seien die gelegentlichen Zusammenstöße mit der Obrigkeit, deren Schikanen, wohlwollend ausgedrückt, möglicherweise nicht ausschließlich mit dem deutschen Autokennzeichen und in der Regel englischen Mitfahrern zusammen hing.
Natürlich endete auch diese Zeit, als sie am Schönsten war, und ich trat die Rückreise nach Deutschland an. Meine 4L war bis unters Dach bepackt mit meinem Hausrat und dem einer jungen Frau, die zu beeindrucken damals mein wichtigstes Anliegen war. Der Zeitplan für den ersten Teil der Fahrt war insofern recht verbindlich, als auf halber Strecke ein Fußballturnier in der Haute-Savoie anstand, an dem mein Heimatverein aufgrund einer Städtepartnerschaft teilnahm. Also kickten wir, eher durchwachsen übrigens, und feierten ein rauschendes Fest, dessen einziger Makel im zunehmend unangenehmeren Dauerregen bestand. Die völlig durchnässten und vom Matsch mehr oder weniger schwarz eingefärbten Klamotten wurden in eine Tasche gepackt und in den Kofferraum geschmissen – spätestens in zwei Tagen würde man sie ja bei Muttern waschen können.
Auf der weiteren Fahrt stand dann noch die eine oder andere Stadtbesichtigung an (Kultur und so, Eindruck schinden…), zuletzt im unmittelbaren Grenzgebiet in Pontarlier. Der Wagen stand auf einem öffentlichen Parkplatz, und als wir dorthin zurückkehrten, widmeten sich ihm zwei Herren, die jeweils eine Uniformhose und einen Strickstoff-Pullover mit angeklettetem Namensschild trugen – die Vermutung lag nahe, dass sie für den Zoll arbeiteten. So traten sie dann auch auf und frugen nach meinem Ausweis. Meinen Erfahrungen der letzten Monate Rechnung tragend, entgegnete ich freundlich, dass ich ihn gerne vorzeigen würde, sobald sie sich selbst ausgewiesen hätten.
Der uniformierte Herr zeigte sich nicht sehr erfreut und deutete auf seinen Pullover inklusive des Namensschilds, was ich in einem Anfall von Wahnsinn mit der Bemerkung konterte, dass den Pulli ja auch seine Oma gestrickt haben könne. Was er nicht witzig fand. Meine Begleitung übrigens auch nicht – soviel zum Thema “beeindrucken”. Der Herr deutete nunmehr auf seine Dienstwaffe und wollte wissen, ob ich der Meinung sei, besagte Großmutter habe auch diese gestrickt. Ich verneinte.
Die Positionen waren also ausgetauscht und wir zeigten uns gegenseitig unsere Ausweise. Irgendwie herrschte dennoch eine etwas gereizte Stimmung, und die Herren baten mich nur so halb freundlich, den Kofferraum zu öffnen. Glücklicherweise hatte ich nichts zu verbergen und tat guten Gewissens wie mir geheißen.
Wie gesagt: zu verbergen hatte ich nichts, zu befürchten hätte ich angesichts der Vorgeschichte möglicherweise durchaus etwas gehabt. Doch das Schicksal meinte es gut mit mir: ganz zuvorderst lag die mittlerweile fast zwei Tage alte und nicht unbedingt als solche erkennbare Fußballtasche.
Sie wurde kurz geöffnet und rasch wieder geschlossen.
Eine weitere Durchsuchung fand nicht statt.