Wer mir auf Twitter folgt, hat im Lauf des vergangenen Wochenendes vielleicht mitbekommen, dass ich meine Schwester in Barcelona besucht habe. Dabei haben wir, wie das halt so ist, nicht allzuviel Produktives getan, sondern in allererster Linie die gemeinsame Zeit genossen. Gleichwohl will ich der geneigten Leserin die eine oder andere Notiz nicht vorenthalten.
Einer der wenigen Der einzige vorab geplante Programmpunkt bestand im Besuch des Fußballspiels zwischen dem FC Barcelona und Sporting Gijón (ja, natürlich dieses Gijón) im Camp Nou, den mir meine Schwester gemeinsam mit ihrem Freund schon vor einiger Zeit geschenkt hatte – allerdings versteht es sich von selbst, dass ich mir die Gelegenheit ohnehin keinesfalls hätte entgehen lassen.
Nachdem mein fortwährendes Werben um eine Stadionführung bzw. den Besuch des vereinseigenen Museums zunächst ignoriert und dann abschlägig beschieden worden war, konnte ich Schwesterherz immerhin davon überzeugen, dass es nicht diskutabel sei, später als 60 Minuten vor dem Anpfiff am Stadion anzukommen (ihre Bedenken, man stehe so früh möglicherweise noch vor verschlossenen Türen, bestätigten sich glücklicherweise nicht…).
Die Einlasskontrollen beschränkten sich erwartungsgemäß auf eine kurze visuelle Überprüfung des Tickets, während unsere Taschen nicht einmal eines Blickes gewürdigt wurden – vermutlich hoffte man darauf, dass wenigstens wir Ausländer das eine oder andere Lärm verursachende Instrument in das Stadion schmuggeln würden.
Dann der Lackmustest: die Stadionwurst. Natürlich nicht bestanden. Obwohl: so viel schlechter als die seit einiger Zeit mitunter kaum über Zimmertemperatur erhitzten Würste im Neckarstadion war der Hot Dog dann auch wieder nicht. Wenn man das Ganze also wohlwollend betrachtet, hätte es auch schlimmer kommen können (es kann ja nicht überall Merguez Frites geben): die Wurst war ok, das Brot erst recht, und die Cola perfekt.
Endlich im Innern des Stadions, war ich in der Tat beeindruckt. Natürlich ist das Camp Nou nicht zu vergleichen mit den modernen deutschen Arenen – weder bei den sanitären Anlagen (alt, aber genügend: keine Wartezeit), noch beim Getränkeerwerb (keine Bezahlkarte, nur Bargeld, keine Wartezeit), noch beim Sitzkissenverleih (äh, keine Vergleichswerte). Sitzkissenverleih? Ja, in der Tat, ich hab’s getan. Wer schon mal zur Winterzeit im Camp Nou war, mag das verstehen, denn es zieht schlicht wie Hechtsuppe.
Hatte ich nicht gesagt, ich sei beeindruckt gewesen? Ja, war ich. Ob der Steilheit und der guten Sicht. Und ob des gemeinsamen Singens der Barca-Hymne – anders als in Stuttgart, wo noch immer “VfB I steh zu Dir” vom Band läuft, während “VfB ein Leben lang” von der Roten Tor Fraktion aus politischen Gründen verbannt wurde. Ansonsten tat sich aber in puncto Support nicht allzu viel: einen Capo habe ich nicht ausmachen können, und die Gijón-Fans musste ich mir vom Nebensitzer zeigen lassen – wie konnte ich die eine 1x1m-Fahne übersehen? Während des Spiels herrschte also eher Haupttribünenstimmung, abgesehen von der Szene, als plötzlich ein mittelalter Herr 20 Reihen vor uns aufstand, sich umdrehte und eine “la Ola” einzählte, die tatsächlich zwei Runden schaffte.
Wirklich beeindruckt hat mich indes – welche Überraschung – das Spiel der Hausherren. Von der ersten Minute an übten sie eine solche Dominanz aus, dass uns auf der Tribüne nur die Hoffnung blieb, sie würden das Ergebnis in der ersten Halbzeit, die sie in der entfernten Spielfeldhälfte verbrachten, noch nicht zu hoch schrauben, um in Halbzeit zwei noch nachlegen zu können. Zwei Treffer von Eto’o fielen bis zur Pause, im zweiten Abschnitt legte Dani Alves nach, und ein Gegentreffer fiel auch noch. Das 3-1 spiegelt jedoch nicht in Ansätzen das Kräfteverhältnis wider.
Eto’o und Alves wurden dann auch in den Medien gefeiert, wobei das ganze Team einfach unglaublich kompakt ist und sich alle Geduld der Welt erlauben kann, weil man einfach weiß, dass die Tore früher oder später fallen. Für mich persönlich war es eine ganz besondere Freude, Iniesta und Messi zuzusehen. Ersterer wird im Schatten von Xavi mitunter etwas vernachlässigt; dabei gelingt es ihm wie kaum jemandem sonst, den Ball zu jedem Zeitpunkt mit einer faszinierenden Leichtigkeit zu kontrollieren – gerade in vermeintlich schwierigen Situationen ist er dann in der Lage, das Spiel seiner Mannschaft durch scheinbar unspektakuläre Bälle urplötzlich zu beschleunigen und dem Mitspieler zahlreiche Optionen zu eröffnen.
Ich schwärme. Und kann gleich weiter machen: Messi ist unvergleichlich. Der Ball ist, wie sein Nationaltrainer kürzlich sagte, ein Teil seines Körpers. Damit ist eigentlich alles gesagt. Dass ich dennoch weiter schreibe, liegt an einer Beobachtung, die ich gerne noch teilen möchte: manchmal habe ich den Eindruck, er sammelt Fouls. Er lässt sich einmal foulen, zweimal, dreimal, und bleibt ruhig. Dabei führt er eine imaginäre Strichliste, und wenn dann der Schwellenwert erreicht ist, zahlt er zurück. Mit der ersten, zweiten oder spätestens dritten formidablen Aktion bestraft er den Gegner in Form eines Tores, eines Assists oder zumindest einer gefährlichen Situation, die der Abwehr vor Augen führt, dass alles nur eine Frage der Zeit ist.
Ich übertreibe. Vielleicht.