Zufällig hatte ich bei Raphael Holzhausers Auswechslung genau hingesehen. Nein, nicht zufällig. Wenn ich ehrlich bin, sah ich im Grunde 77 Minuten lang nur Holzhauser zu. Oder sagen wir gute 100, einen Teil des Aufwärmprogramms nahm ich schließlich auch noch mit.
So hatte ich also, wie bereits gesagt, genau hingesehen und registriert, dass Holzhauser sehr rasch den Weg zur Bank antrat, als hätte er bereits gewusst, was kommen würde, als hätte er gar nicht auf das Täfelchen des vierten Offiziellen zu warten brauchen. Was Bruno Labbadias Version, sein Spielmacher (ok, das sagte er nicht) habe um die Auswechslung gebeten, aus meiner Sicht stützt.
Selbst wenn dem nicht so gewesen wäre, wenn Labbadia einfach für sich zur Überzeugung gelangt wäre, Holzhausers Auswechslung sei angezeigt, wäre das in Ordnung gewesen. Einen 19-Jährigen in seinem fünften Bundesligaspiel nach 77 Minuten vom Platz zu nehmen, ist nicht allzu ungewöhnlich. Nicht zuletzt dann, wenn ihm beim vorigen Spiel eine gute Leistung, zum Ende hin aber auch ein gewisser Abfall attestiert worden war. Sowohl von der Presse, deren aufwieglerische Agenda allerdings bekannt ist, als auch von Mitspieler Harnik, der in “Stadion aktuell” sein Lob für Holzhauser mit einem nicht allzu verklausulierten Hinweis auf ein gewisses Verbesserungspotenzial in Sachen Fitness anreicherte:
“Rapha hat in Nürnberg gute Akzente gesetzt und das in einem Spiel, in dem spielerisch nicht viel ging. Gegen Ende der Partie hat man aber auch gesehen, dass er noch Spielpraxis benötigt, wobei das normal ist bei einem Spieler, der in der Vergangenheit kaum einmal über 90 Minuten zum Einsatz kam. Insgesamt war er aber sicherlich eine positive Erscheinung des Spiels.”
Geschickter Schachzug übrigens, in einer tendenziell prekären Situation just einen der glaubwürdigsten und (wohl auch deshalb) beliebtesten Spieler ausführlich in der Stadionzeitung zu interviewen, aber das nur am Rande.
Wie gesagt, es gibt meines Erachtens sehr gut nachvollziehbare Gründe für die Auswechslung. Dumm nur, dass ein nicht gänzlich zu vernachlässigender Teil des Publikums eben jenem Raphael Holzhauser nicht nur unvernünftig hohe Erwartungen auf die Schulter packt (so wie ich), deren Erfüllung er gegen Leverkusen in bemerkenswerter Art und Weise versprach, sondern dass ein ebenso wenig außer acht zu lassender Teil der Zuschauerschaft ihn zudem als Indikator, ja als Symbolfigur für die Frage heranzieht, wie es der Trainer denn so mit der Nachwuchsförderung halte (auch hier muss ich wohl die Hand heben). Und dass ein nicht ganz geringer Teil der VfB-Anhänger zudem Zdravko Kuzmanovic als Inbegriff eines lustlosen und völlig überteurten Spielers ansieht, der lieber heute als morgen weiterziehen würde.
Da kam der Wechsel dann eher nicht so gut an – hatte ja nicht jeder die Exklusivoption “Holzhauser-Cam” aktiviert –, und an der einen oder anderen Stelle fand man nun doch seinen Rhythmus. Zwar wurde es nicht der damals vorgeschlagene; dennoch kann ich nicht leugnen, dass er auch auf mich eine gewisse Anziehungskraft ausübte und ich einen halben Takt lang mit musste.
Dass Bruno Labbadia nicht angetan war, verstand sich von selbst, dafür hätte es keiner “Wutrede” in der Pressekonferenz bedurft. Möglicherweise brauchte er sie für sein Seelenheil, weil ihm das Thema schon sehr lange auf den Nägeln brannte und nun kulminiert war, möglicherweise hatte er auch nur auf eine passende Gelegenheit gewartet, die aus seiner Sicht unfaire Behandlung anzuprangern (und en passant seine Verdienste ins rechte Licht zu rücken).
Bis dahin bin ich bei Fredi Bobic: kann er machen, wenn er es so sieht. Dass er sich dann vergaloppiert und bei einem Rundumschlag landet, dass er meint, die Trainerwechsel der letzten Jahre über einen Kamm scheren und zu seinem Argument machen zu können, empfinde ich indes als reichlich unsouverän. Und falls es kalkuliert war, als billig.
Kopfschüttelnd lässt mich schließlich seine implizite Rücktrittsdrohung zurück. Ist er tatsächlich schon so verzweifelt? Allem Anschein nach hat er doch gar keinen Grund dazu. Der Sportdirektor steht ihm zur Seite, der Präsident dem Vernehmen nach auch.
Und plötzlich weiß ich, frei nach Anna Scott,
woher ich die Situation kenne:
“I’m also just a manager, standing in front of the supporters, asking them to love him.”
Sind halt gar nicht so viele Buchhändler drunter.