Zuversicht

Woher kommt sie immer wieder, diese jeder rationalen Betrachtung zuwiderlaufende Zuversicht? Dieses unwiderstehliche Gefühl, das einen dazu bringt, mit leuchtenden Augen und voller Vorfreude ins Stadion zu eilen, unter Vernachlässigung nicht ganz unwichtiger Paralleltermine wie auch monetärer Erwägungen, die ans Prinzipielle heranreichen, ganz selbstverständlich davon ausgehend, dass der eigene Verein gegen einen Wettbewerber, der nachweislich in einer anderen Liga spielt, bestehen könne?

Wie kommt man dazu, sämtliche Vorleistungen zu ignorieren und zu glauben, die eigene Mannschaft, deren jüngster Catenaccio-Auftritt das eigene Selbstverständnis überdeutlich zur Schau stellte, zeige nun, ganz plötzlich, entgegen aller Wahrscheinlichkeit und dem Übungsleiter, ansehnlichen, gleichermaßen nach vorne gerichteten wie erfolgreichen Fußball, gegen eine Mannschaft, die mindestens zur gehobenen Mittelklasse des europäischen Vereinsfußballs zählt?

Natürlich sieht man seine Fehleinschätzung im Lauf der 90 Minuten ein, meist wesentlich früher; selbstverständlich schüttelt man danach noch stundenlang den Kopf, ist sich der Situation in vielerlei Hinsicht bewusst – und kann es doch wieder nicht begreifen, obwohl die Fakten in beispielhafter Klarheit vor einem ausgebreitet wurden. Von einem souveränen, taktisch und körperlich präsenten Gegner. Und von der eigenen Mannschaft, immer wieder. Die individuellen Fehler vor den Toren bleiben hängen; die anderen mögen weniger schwerwiegende unmittelbare Folgen nach sich ziehen, bewegen sich aber häufig auf ähnlichem Niveau.

Im vorliegenden Fall exponierten sich bei den Toren zunächst Boka und Kvist, denen Hajnal und Gentner nur wenig nachstanden, ehe ihnen Rüdiger mit seiner Türsteherattitüde (“Bis hierher und nicht weiter. Ich weiche keinen Schritt zurück; wenn Du vorbei willst, muss Du mindestens einmal mit dem Hintern wackeln.“) ein wenig den Rang ablief. Aber wie gesagt: viele andere taten es ihnen ähnlich. Lazio brauchte dem VfB die Grenzen im Grunde gar nicht aufzuzeigen, er selbst kam – so hoffe ich zumindest – nie in ihre Nähe.

Und während man so vor sich hinbrütet, irgendwie nach Lösungen suchend, die über den ohnehin als unumgänglich vorausgesetzten Trainerwechsel hinaus reichen, kommt von irgendwoher schon wieder diese irrationale Zuversicht:

“Ein Gutes hat das Ganze ja: das Thema Hajnal ist nun endgültig durch.”

Und man spürt, ja weiß, dass einen die Realität im Verbund mit Bruno Labbadia einmal mehr Lügen strafen wird.

Tags darauf sieht man sich dann tatsächlich Videos aus dem Landesmeisterpokal 1988/89 an, als die Bayern in San Siro 3:1 gewannen. Die spinnen doch, die Fußballfans.