Kein Erweckungserlebnis

Dem einen oder anderen Stuttgarter Spieler, vielleicht eher sowohl dem einen als auch allen anderen, hätte man ja am Samstag ein Erweckungserlebnis gewünscht, wie es Bastian Schweinsteiger am Mittwoch zuvor irgendwo zwischen Mittellinie und Elfmeterpunkt widerfahren sein soll. Leider trat es nicht ein, und der VfB konsequenterweise so auf, wie er es eben tut, wenn er gegen den FC Bayern antritt: mutlos.

Ist natürlich, so ehrlich muss man sein, auch kein Wunder. Schließlich ging es gegen den frischgebackenen Champions-League-Finalisten, der Bernabéu gerockt hatte, und vermutlich tauchen sie noch heute in den Alpträumen des José Mourinho auf, die Contentos, Rafinhas, Pranjics und wie sie alle heißen. Da kann einem als Gegner schon mal das Herz in die Hose rutschen. Blöd nur, dass man damit eben jenen Platz blockierte, den man für die Schweinsteiger’schen Fundstücke hätte brauchen können.

Sicher, anfänglich hatte man ein paar Chancen, gute Chancen sogar, und auch wenn Christian Gentner tendenziell kein Kopfballungeheuer mehr wird, lag eine Führung nicht im Bereich des Fantastischen. Wobei man nicht so recht gewusst hätte, wo sie hergekommen wäre, zu träge, zu wenig überzeugt wirkte das alles. Was zugegebenermaßen in ähnlicher Weise auch für mich galt, ertappte ich mich doch dabei, dem Spiel phasenweise ähnlich konzentriert zu folgen, wie die Herren mit dem Brustring spielten. War halt warm. Und was für mich als Ausrede gilt, wird ja wohl auch für die Spieler …

Bevor er zum VfB kam, war Bruno Labbadias Bilanz gegen die Bayern im Grunde gar nicht schlecht und beinhaltete nicht zuletzt ein bemerkenswertes 4:2 mit Bayer Leverkusen im Pokal-Viertelfinale 2009. Beim VfB sieht das anders aus. 35-36-12-12-02-02, um genau zu sein. Und irgendwie kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Bilanz in den Köpfen der Spiel sehr präsent war. Dass man von vornherein in der Gewissheit nach München gefahren war, dort nichts zu ernten.

Nichts war zu spüren von einer breiten Brust, die man sich mit den Ergebnissen der letzten Monate erarbeitet hatte, zum Teil auch mit der Art und Weise, wie sie zustande gekommen waren. Wenig deutete darauf hin, dass hier eine Mannschaft wild entschlossen war, Platz 5 zu sichern und sich die theoretische Chance auf Platz 4 zu erhalten, gegen einen Gegner, von dem man wusste, dass er entweder körperlich angeschlagen oder in ungewohnter Formation auflaufen würde.

Aber das war ja alles gar nicht nötig, wie die Stuttgarter Zeitung treffend anmerkt:

“Nun aber müssen die Stuttgarter schlimmstenfalls als Sechster in der letzten K.-o.-Runde vor den Gruppenspielen der Europa League, den sogenannten Play-off-Partien am 23. und 30. August, ran. „Eine geordnete Vorbereitung ist also in jedem Fall möglich, dass ist beruhigend“, sagte Labbadia […]”

Na dann.

Ach, lassen wir das. Ich hab mich halt geärgert. Maßlos. Ärgere mich noch immer. Aber vielleicht nehme ich das alles einen Tick zu persönlich. Halbherzig ist nicht so meins. Und wenn ich dann noch nebenher davon ausgehen muss, dass man sich von Timo Gebhart trennt, dass es offensichtlich nicht gelungen ist, einen Spieler mit seinen Fähigkeiten so zu fördern, dass er jetzt da stünde, wo er stehen könnte, und mit ihm der Verein, und wenn ich gleichzeitig darauf hoffen muss, dass der selbe Trainer ab der kommenden Saison den Stuttgarter Weg mit anderen, ähnlich talentierten jungen Spielern ganz anders geht, dann wird mir ein wenig bang.

Aber das hat nur am Rande mit dem Spiel in München zu tun.

Und zum Schluss muss ich doch noch kurz fragen, ob da draußen noch einige weitere irritierte Zuschauer herumschwirren, die sich hätten vorstellen können, dass Sven Ulreich vor dem 1:0 seinen Strafraum entschlossen verlassen und das Duell mit Müller in Angriff genommen hätte.

Aber auch das: ganz am Rande. Und nächste Woche freue ich mich dann auch wieder über die gelungene Wendung, die die Saison in den letzten Monaten nahm. Bestimmt.

Und fast hätte ich vergessen, ganz am Ende mit einem raffinierten Kniff noch einmal zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Zu Bastian Schweinsteiger, dessen kurzes Mitwirken am Samstag noch einmal zu einem gänzlich anderen Spiel führte. Plötzlich, so schien es mir, traten die Bayern mit jener Selbstverständlichkeit auf, die dem VfB dann endgültig vor Augen führte, dass das Spiel verloren war. Das Münchner Spiel hatte eine ganz andere Struktur, auch einen Fixpunkt, und jeder Gedanke an ein Unentschieden war mit einem Mal undenkbar.

Vielleicht übertreibe ich. Aber ich muss sagen: Schweinsteigers Präsenz auf dem Platz hat mich in ihren Bann gezogen.