Eine dichtende Sau treibt durchs Twitterdorf.

Wer kennt ihn nicht, jenen berühmten Vierzeiler von Heinz Erhardt:

„In nur vier Zeilen was zu sagen,
erscheint zwar leicht, doch es ist schwer!
Man braucht ja nur mal nachzuschlagen:
Die meisten Dichter brauchten mehr…“

Vor einem ähnlichen Dilemma steht bekanntlich der gemeine Verfasser (w/m) eines Tweets: 140 Zeichen und Schluss.

So lag es wohl nahe, die strikte Begrenzung bei Twitter mit den mitunter zwar etwas freier interpretierten, faktisch aber nicht minder relevanten lyrischen Rahmenbedingungen zu verknüpfen: Twitter-Lyrik.

Diese ist zwar nicht auf Erhardts vier Zeilen beschränkt; zumindest bei vergleichbarem Versmaß ist aber nicht mehr drin: das obige Gedicht hat 14 Zeichen zuviel.

Wie dem auch immer sei: unter twitter-lyrik.de veranstalten das Literatur-Café und BoD-Books on Demand seit ein paar Wochen einen Lyrik-Wettbewerb (Interview), bei dem nicht nur ein Sachpreis ausgelobt wurde, sondern dessen Einsendungen (Einsendeschluss: 21. März) zudem in einer Buchveröffentlichung münden sollen.
Mir gefällt’s.

Die Aktion hat erwartungsgemäß vielfältige Reaktionen erfahren, von denen ich zwar nur einen kleinen Teil erfasst haben dürfte; zumindest diesen kleinen Ausschnitt möchte ich aber kurz anreißen.

Über die bloße Ankündigung in zahlreichen Blogs hinaus fand sich beispielsweise bei mikelbower der dezente Hinweis, dass es auch schon zuvor Twitterlyrik gegeben habe (korrekt, vermutlich auch von niemandem in Abrede gestellt), sowie ein Aufruf zur Stärkung des “Twitter-Geists” durch aktive Teilnahme.

Auch bei Twitkrit hat sich Markus Trapp (Text und Blog) ein paar Gedanken gemacht. Er lobte die Idee und den Wettbewerb, hob einige zu jenem Zeitpunkt bereits eingegangene und aus seiner Sicht besondere gelungene Beiträge hervor, machte aber auch deutlich, dass die Qualität der Einreichungen nicht durchgängig hoch sei. Diese Einschätzung dürfte unstrittig sein, wurde ihm aber angesichts seiner recht deutlichen Formulierung in den Kommentaren vorgeworfen.

Oliver Gassner gelang es einmal mehr, einem Thema noch eine zusätzliche Twitterebene abzuringen, indem er seine Follower zu einer Vorauswahl per Twitter-Favoriten zwischen mehreren von ihm erstellten Beiträgen aufforderte. Meines Wissens ist diese Entscheidung noch nicht gefallen.

Auch in die klassischen Redaktionen fand der Vorgang seinen Weg. Dort wurde, wie hier bei der Berliner Zeitung, gewohnt kritisch die Relevanz von Twitter und der Sinn der Aktion in Frage gestellt. Nicht ganz zu unrecht stellt man auch fest, “wie sehr die Twitteratur dort um sich selbst kreist.”

Möglicherweise musste man auch beim Literatur-Café zwischendurch gelegentlich schlucken und sich ob der Qualität und der Themen wundern. Dieser Tweet bezieht sich zwar nicht explizit auf den Twitter-Lyrik-Wettbewerb; die dort angesprochene Thematik fand sich indes in einigen mit dem Hashtag #twly (für Twitter-Lyrik) versehenen Tweets wieder.

Eine der schönsten Ausprägungen des Lyrikbooms bei Twitter, von der ich nicht weiß, inwiefern sie durch den Wettbewerb angestoßen wurde, ist twyric.com, wo in herrlich einfacher Form aktuelle Lyriktweets gesammelt(?) und dargestellt werden.

Was ich sagen will?
Twitter-Lyrik macht Spaß, Relevanz hin, Qualität her.
Und natürlich hab ich auch teilgenommen.
Selbstreferenziell, wie es sich gehört.
Korrekter: Twitter-referenziell.