Nicht so schlecht.

“Nicht schlecht” gilt gemeinhin als das höchste Lob, das man in Schwaben zu vergeben hat. Nun will ich nicht so weit gehen, hinsichtlich des gestrigen Sieges gegen Wolfsburg gleich derart überschwänglich zu werden, aber ganz schlecht waren sie wirklich nicht.

Während sich also die VfB-Spieler von ihren Fans feiern ließen und gar zu einer Ehrenrunde aufbrachen, war der Wolfsburger Feldwebel Co-Trainer Bernd Hollerbach [Nachtrag: Irgendwo habe ich gelesen, es sei Konditionstrainer Werner Leuthard gelesen. Kann ich nicht ausschließen.], der seine Spieler zu diesem Zeitpunkt bei Gymnastikübungen im Mittelkreis instruierte, offensichtlich ganz in seinem Element. Ob diese Einheit nach dem Spiel zum Wolfsburger Standardprogramm zählt, weiß ich nicht (zu seinen Stuttgarter Zeiten praktizierte Magath sie noch nicht); sollte der Trainer jedoch das Ziel verfolgt haben, seine Spieler zu demütigen, ist ihm das vorzüglich gelungen. Die Stuttgarter Fans griffen diese Vorlage auch gerne auf und stimmten begleitend nochmals das bereits während des Spiels erprobte Eurem Trainer seid Ihr scheißegal!” an. Was ich, zugegeben, nicht so schlecht fand.

Sehr reizvoll auch der Gedanke, der gestern abend in bier- und bionadeseliger Laune noch die Runde machte: dass der Kreis sich schließen könnte. Nachdem nämlich das gestrige Minimalziel, ein für die laufende Saison ausgeglichenes Torverhältnis gegen Wolfsburg, erreicht war, erinnerte sich manch einer daran, dass nach dem 1:4 in der Hinrunde Armin Veh entlassen wurde. Vielleicht würde man in Wolfsburg ja doch noch zu dem Schluss kommen, sich drei Spieltage vor dem Saisonende von Felix “Bobo” Magath zu trennen – und von manchem Dach war ja gepfiffen worden, dass auch Veh in der Verlosung sei…

Aber eigentlich wollte ich ja ein paar Sätze zu einem begeisternden Fußballspiel schreiben, das der VfB mit 4:1 gewann. Es ehrt Mario Gomez, dass er sich bereits unmittelbar nach dem Spiel gegen die auf ihn zugeschnittenen Lobeshymnen zur Wehr zu setzen versuchte und die Leistungen seiner Mitspieler hervorhob; gleichzeitig fällt es mir schwer, dem Sportmedienblog zu widersprechen:

Der Grund, warum der VfB Stuttgart dort oben steht, ist Mario Gomez. Auch wenn er sich in den gestrigen Interviews bemühte, seine Mitspieler zu loben. Aber ein solcher Topstürmer macht den Unterschied zwischen oben mitspielen und Spitzenmannschaft.

Dennoch: der gestrige Sieg ist eben nicht nur Gomez zu verdanken, sondern überragenden Leistungen einer ganzen Reihe von Spielern. In der Spielvorschau bei bundesliga.de war ein Vergleich aller Mannschaftsteile erstellt worden[1], der bis auf die Torhüterposition klare Vorteile für die Niedersachsen ergeben hatte, die sich jedoch im gestrigen Spiel nicht so recht widergespiegelt haben.

In der Abwehr ließen Boulahrouz und Niedermeier dem gefürchteten Wolfsburger Sturmduo wenig Gelegenheit, seine Klasse auszuspielen. Der Niederländer zeigte sich 90 Minuten lang so konzentriert, wie ich ihn in seiner Stuttgarter Zeit noch gar nicht gesehen habe, und Niedermeier knüpfte ungeachtet anfänglicher Unsicherheiten und kleinerer Fouls sowie der übermotivierten Aktion gegen Riether an die Form an, die ihn vor seiner Verletzung in die Mannschaft gebracht hatte.

Im Mittelfeld war es insbesondere Thomas Hitzlsperger, der zumindest meine Erwartungen weit übertraf, der das Tempo gekonnt variierte, der in die Spitze ging, dort sogar Laufduelle suchte und gewann, und bei dem ich nicht umhin komme, ihn für einen der hier so häufig kritisierten Chips zu loben: vermutlich hätte es keine andere Möglichkeit gegeben, Cacau vor dem 2:0 derart kunstvoll und gleichzeitig effektiv in Szene zu setzen.

Überhaupt Cacau: er hat noch immer die Situationen, in denen er zu eigensinnig den Abschluss sucht, anstatt den besser postierten Mitspieler anzuspielen, wie gestern kurz vor Schluss Roberto Hilbert. Aber ich habe, gerade bei so einem Spielstand, Verständnis dafür, dass er nach einer hervorragenden Leistung, von der insbesondere Mario Gomez ganz außerordentlich profitiert, eine gewise Sehnsucht nach einem eigenen Treffer verspürt. Letztlich sind Tore seine Währung, und auch Gomez’ Hinweis im Interview interessiert den Bundestrainer die Öffentlichkeit maximal noch ein paar Tage, danach geht es um die nackten Zahlen. Die stimmen bei Gomez übrigens. Der war gestern nicht schlecht.

Was gestern noch gut nicht schlecht war:

  • Ich hab den Kollegen von der Hirngabel erstmals persönlich getroffen. Leider nur kurz.
  • Keine gelbe Karte für die einschlägig bekannten Kandidaten.
  • Jens Lehmann vertrieb die Medienmenschen, die sich nach Spielschluss zwischen Mannschaft und Fans drängen wollten, mit ein paar Spritzern aus seiner Trinkflasche.
  • Das Wetter.
  • Horst Heldt hat seinen Verbleib bekräftigt (nach meiner Interpretation).

Was schlecht war:

  • Die anderen haben auch gewonnen.
  • Markus Babbel hat die Chance verpasst, kurz vor Schluss den Torwart zu wechseln.

1.Ist es eigentlich üblich, dass dort derlei Wertungen erfolgen?