Kurzzeitig dachte ich darüber nach, den 11 Freunden einen Leserbrief zu schreiben.
Hatte ich schon einmal getan, damals, wegen Bernd Nickel. Genau, jener Bernd Nickel, Doktor Hammer, direkt verwandelte Ecken, Sie wissen schon. Irgendwann behauptete das Magazin für Fußballkultur, Nickel habe das Kunststück mit den Ecken im Frankfurter Waldstadion von allen vier Eckfahnen aus mit dem linken Außenrist vollbracht. Im Freundeskreis war ich nicht der einzige, der an dieser Darstellung zweifelte, und nach ausführlicher Diskussion war es letztlich meine Aufgabe, bei der Redaktion nachzufragen und um eine grafische Klärung der Frage zu bitten, “wie Bernd Nickel aus Rechtsaußenposition eine Ecke mit dem linken Außenrist direkt verwandelt hat.” Ich war ein wenig stolz darauf, dass ich darauf verzichtet hatte, den Leserbrief, der eigentlich eine Lesermail war, mit dem Hinweis einzuleiten, dass ich die 11 Freunde ja eigentlich ganz dufte fände (was der Wahrheit entsprochen hätte) und es ja eigentlich auch nicht meine Art sei, dass aber dieser Fehler zu offensichtlich und so weiter.
Der Chefredakteur stellte in seiner Antwort eine praktische Überprüfung im Podcast sowie gegebenenfalls Sanktionen für den Autor in Aussicht, die ich hier nicht näher beschreiben möchte. Leider war ich damals (und bin es bis heute) kein sehr aktiver Podcastkonsument und kann nicht mit Gewissheit sagen, ob es tatsächlich dazu kam; ich vermute eher nicht, was sowohl für die Klärung als auch für die Sanktionen gilt, und bin damit einverstanden.
Nun bin ich also wieder über so eine Kleinigkeit gestolpert, die mich seit der ersten partiellen Lektüre der neuen Ausgabe nicht mehr loslässt und dafür sorgt, dass es eben keine Kleinigkeit mehr ist. Für mich. Und dafür, dass ich über den, wenn ich mich nicht sehr irre, zweiten Leserbrief meines Lebens nachdachte. Letztlich entschied ich mich dagegen – vermutlich, weil man ja auch ab und zu mal was Fußballkulturelles in sein Blog schreiben sollte.
In der Rubrik “Momentaufnahme” kommt diesmal jemand zu Wort, der sich als langjähriger Gladbacher Betreuer und Physiotherapeut Charly Stock ausgibt. Er erzählt die immer wieder gern gehörte Geschichte von einer falschen Rolex, die man Wolfram Wuttke zum Abschied vom Bökelberg mit auf den Weg gegeben habe, und davon, wie er selbst, eine Lupe im Auge, die Uhr gefälscht habe. Nun will ich nicht ausschließen, dass sich ein junger Fußballspieler vom Schlage Wolfram Wuttkes in den frühen 80ern von einem in der Heimwerkstatt eingeritzten Markennamen täuschen ließ, und wer weiß, vielleicht ging es ihm ja, wie das bei Präsenten gelegentlich so ist, mehr um die Geste als um das – für ihn dem Vernehmen nach nicht ganz überraschende – Geschenk an sich.
So weit, so gut. Und doch will mir nicht in den Kopf, dass es der echte Charly Stock gewesen sein soll, der die Geschichte erzählt hat. Sicher, er war “nur” Physiotherapeut, war möglicherweise kein ausgewiesener Fußballfachmann, Wuttke war ja auch nicht allzu lange in Gladbach und es ist ein paar Tage her, aber, und damit wende ich mich explizit an alle Frühgeborenen, die Wuttkes aktive Zeit noch erlebt haben:
Ist es vorstellbar, dass jemand Wolfram Wuttke beim Fußballspielen zugesehen hat, eine Zeit lang sogar sehr regelmäßig und aus nächster Nähe zugesehen hat, und dass dieser jemand, wenn er sich zumindest ein kleines bisschen für Fußball interessiert, in der Retrospektive nicht von Wuttkes stilprägendem rechten Außenrist redet, der an guten Tagen mit jenem des Kaisers verglichen wurde, sondern von seinem
“genialen linken Fuß” ?