Ok, Jens Lehmann hat gefehlt. Das passt ins Bild, weil er sich ja sowieso erlaubt, was er will, wann er will und mit wem er will. Und es passt nicht ins Bild, weil er als ein Muster an Professionalität gilt. Er wurde vereinsintern gesperrt, weitere Sanktionen könnten folgen. Ein paar Prominente waren dabei. Er bringt Unruhe in die ohnehin verunsicherte Mannschaft. Und so weiter.
Über all das und noch viel mehr könnte man seitenlang schwadronieren. Glücklicherweise muss ich das nicht tun, denn es wurde bereits von anderen erledigt: Sun, Bild, Stuttgarter Zeitung, um nur einige der relevanten Qualitätsmedien zu nennen.
Etwas weniger intensiv hat man sich mit der sportlich vor dem heutigen Spiel in Lübeck nicht gänzlich irrelevanten Frage befasst, wer denn nun das VfB-Tor hütet. Die Kandidaten heißen Alexander Stolz und Sven Ulreich und liefern sich seit einiger Zeit ein interessantes Duell um die Pole Position für die Lehmann-Nachfolge. Ulreich hat, die Älteren werden sich erinnern, bereits vor zwei Jahren den damaligen Stammtorhüter Raphael Schäfer abgelöst und durfte 10 Spiele lang davon träumen, die neue Nummer 1 des VfB zu werden, ehe Trainer Veh ihn wieder aus der Mannschaft nahm – “verbrannt” ist eine der vorsichtigeren Formulierungen für das, was Veh damals mit Ulreich gemacht hat.
In der darauf folgenden Saison wurde Ulreich dann augenscheinlich zur Nummer Drei zurückgestuft, auch wenn seitens des Vereins immer wieder betont wurde, dass er genau wie Stolz das Zeug hätte, “mittelfristig die Nummer Eins zu sein.” Ulreich spielte dennoch ausschließlich für die Reserve, während Alexander Stolz in der Bundesliga auf der Bank saß und vor Lehmanns Vertragsverlängerung allenthalben als Kronprinz galt. Er hätte sich wohl auch schon für die laufende Saison bereit gefühlt und wurde dahingehend zitiert, dass er sich ein weiteres Jahr hinter Lehmann vorstellen könne, “aber nicht mehr“.
Mittlerweile scheinen die Gewichte jedoch wieder etwas gleichmäßiger verteilt zu sein, was auch an Stolz’ Rückenverletzung liegen mag, die ihn zu Saisonbeginn außer Gefecht setzte. Seit wenigen Wochen ist er wieder für den VfB II im Einsatz und soll sich dort (sowie als Bundesliga-Ersatztorwart) im vierwöchigen Rhythmus mit Sven Ulreich abwechseln. Wenn nun heute davon ausgegangen wird, dass Ulreich spielt, könnte das daran liegen, dass Stolz noch nicht genügend Spielpraxis gesammelt hat. Vielleicht hat es auch rein sportliche Gründe. Und noch ist nicht auszuschließen, dass Markus Babbel doch Alexander Stolz spielen lässt, nachdem er gestern davon sprach, dass die Chancen “fifty-fifty” stünden.
All das muss man nicht sonderlich spannend finden, wenn man nicht gerade dem VfB nahe steht (und selbst dann kann man es als wenig relevant erachten). Aber es hätte mir gefallen, wenn sich die Diskussion – beispielsweie in der Stuttgarter Zeitung, wo der Frage nach dem heutigen Torwart gestern und heute je ein knapper Satz gewidmet wurde – ein wenig mehr mit Sven Ulreich und Alexander Stolz befasst hätte und etwas weniger mit Lehmanns früheren Verfehlungen sowie insbesondere mit Stars und Sternchen.
Aber vielleicht war das ja auch alles ein großartiger Schachzug von Heldt, Babbel und Lehmann, die unser aller Aufmerksamkeit der sportlichen Krise entzogen haben und statt dessen einen (ohnehin bereist leicht angezählten) alten Fahrensmann ins Kreuzfeuer stellen, der das aushalten kann.