Fußball schauen? Ja – Nein – Vielleicht.

Ich weiß nicht, ob ich mir das Spiel am Samstag ansehen werde. Was schon mal deutlich anders klingt als zu Wochenbeginn. Da hatte ich mit der Saison komplett abgeschlossen. Abstieg. Ohne “Mund abputzen!”, ohne “Weitermachen!” Einfach einen Haken dran, wer interessiert sich schon für Perspektiven? Den Blick nach vorn könnt Ihr behalten. (Gebt uns ruhig die Schuld!) Quasi ein Hinnehmen der Realität bei gleichzeitiger völliger Verweigerung derselben. Sich voll inwendiger Inbrunst von der ersten Liga verabschieden, aber dem Gedanken, dass der Verein gegen den FC künftig nicht mehr in Augsburg, Köln, Ingolstadt oder München spielt, sondern in Aue, Heidenheim, Berlin und Kaiserslautern, keine Chance geben, sich zu entfalten. Das menschliche Gehirn.

Und dann dieser schleichende Prozess der Wiederannäherung an die Hoffnung. Wie schon in der Vorwoche. Da war ja auch schon alles verloren. Nach Bremen, Sie erinnern sich, die Hilflosigkeit, die Sprachlosigkeit. Die Ratlosigkeit. Das Momentum. Wir würden alle sterben! Und dann, zwei Tage später, diese Überraschung beim Blick auf die Tabelle: Äh, das sieht ja gar nicht so schlecht aus, wie ich es mir in meinem Fatalismus ausgemalt habe. Nur Mainz schlagen, dann wird das schon. Mainz, ich bitte Sie! Klar, die wollen in Europa möglichst hoch einsteigen, aber im Grunde sind sie doch längst zufrieden, und die Stuttgarter haben nun wahrlich was gutzumachen, und das werden sie auch, et hätt noch immer joot jejange.

Weil das dann auch so prima geklappt hat, haben wir diesen Ablauf in der Folgewoche einfach noch einmal durchgespielt. Erst jede Hoffnung fahren lassen, dann zynisch werden, dem Fußball abschwören, dem Leben am besten gleich mit, dem Verein sowieso, dann die ersten Menschen hören, die Zuversicht verbreiten, sich mit der Tabelle befassen. Äh, das sieht ja gar nicht so schlecht aus, wie ich es mir in meinem Fatalismus ausgemalt habe. Nur Wolfsburg schlagen, dann wird das schon, ich bitte Sie! Die können ja noch nicht mal mehr in Europa einsteigen, Ach so, ja, und die Eintracht sollte dann auch noch gewinnen, nun gut. Aber das ist ja auch nicht so abwegig.

Redet man sich ein. Und sobald man dann wieder rational an die Sache herangeht, und hier wird der Unterschied zur Vorwoche dann deutlich, gesteht man sich ein, wie unwahrscheinlich es doch ist, dass allein der VfB seinen Teil dazu beiträgt, an den Relegationsspielen teilnehmen zu dürfen.

Neulich hat mich jemand gefragt, wie sehr mich ein Abstieg schmerzen würde, auf einer Skala von 1 bis 10. Ich wusste keine Antwort. Es übersteigt noch immer, trotz jahrelanger Vorbereitung, meine Vorstellungskraft. Den Gedanken, dass der VfB aller Voraussicht nach mindestens ein Jahr lang nicht mehr bei den Großen mitspielen darf, habe ich noch nicht durchdrungen. Das wird kommen, wenn die Saisonvorbereitung (Manchester City oder anderes Fallobst, kennt man ja) ein paar Wochen früher beginnt, wenn die ersten Spiele anstehen, wenn die Dauerkarte unverhofft nur noch halb so teuer ist, ähem, wenn man sich bei Twitter mit ganz anderen Leuten als je zuvor über die noch immer nicht terminierten Spieltage echauffiert. So glaube ich zumindest. Aber wer weiß, vielleicht verweigert man die Einsicht ja auch komplett?

Nehmen wir die CDU. Die hat ihren Abstieg gedanklich noch immer nicht durchdrungen. Sieht sich heute, fünf Jahre nach dem Erdbeben von 2011, noch immer als qua Weltordnung stärkste Partei im Land. Hat jahrelang von Erneuerung geredet und darüber die Erneuerung vergessen. Hat der Regierung ins Stammbuch geschrieben, sie müsse endlich das Regieren lernen, ohne selbst in ihre Oppositionsrolle hineinzufinden. Klar, wieso sollte man auch, war ja klar, dass man sich das nur für eine Periode lang würde antun müssen. Und was soll ich sagen? So ist es gekommen. Also so ungefähr.

Aber ich schweife ab. Könnte jetzt von der Erneuerung des VfB reden. Aber lassen wir das. Heute nicht. Oder über all das, was ich im letzten halben Jahr so schreiben wollte und nicht schrieb. Sie müssen jetzt stark sein: der Kelch ging nicht vorüber, ein Teil davon kommt noch. Irgendwann. Ach so, aber ein Satz doch noch zur Erneuerung, vielleicht auch zwei oder zehn: Neu beim VfB ist zumindest, das er sich auf Blogs einlässt. Sie wissen schon, diese Internettagebücher, in denen Menschen gelegentlich Dinge angedacht haben und meinen, sie mit der Welt teilen zu müssen. Eines dieser Tagebücher fanden die beim VfB kürzlich mal nicht so toll, es liegt by the way in diesem Netz gleich nebenan.

Ich kann nachvollziehen, dass der Verein das Blog nicht so mag. Da steckt dann halt doch ne Menge Kritik drin. Kritik, deren Berechtigung ich in vielen Fällen weder veri- noch falsifizieren kann, in einer sehr selbstbewussten, stilistisch bemerkenswerten Art und Weise vorgetragen. Kann man als Leserin mögen, kann man auch nicht mögen, keine Frage. Mir persönlich gefällt der Stil sehr gut, gefällt der Tonfall nicht immer, gibt der Inhalt häufig zu denken, ist die Mission mitunter arg präsent, aber: Geschmackssache.

Vermutlich ist es auch Geschmackssache, ob sich der Verein derlei Kritik bieten lassen soll oder nicht, und vor allem: wie er gegebenenfalls darauf reagiert. Meinem persönlichen Geschmack entsprechen kostenbewehrte Abmahnungen zu Lasten von Bloggern und Fans nur sehr bedingt, oder, in einer in diesem Internet etwas verbreiteteren Darstellungsform (Sie kennen das, gerade bei Twitter, “und jetzt weiß ich auch nicht” oder andere sprachliche Manierismen), was ich also sagen will: Natürlich kannst Du als größeres Unternehmen einen unliebsamen Blogger zur Kasse bitten, aber dann bist Du halt scheiße.

Und nein, ich weiß nicht im Detail, welche Art der Kommunikation zwischen den Streitparteien abgelaufen ist, und ja, ich kann mir gut vorstellen, dass der Beklagte (nicht im juristischen Sinne, da kenne ich mich nicht aus) wenig Anstalten machte, beim ersten leichten Gegenwind zu Kreuze zu kriechen oder mit weit ausgebreiteten Armen auf den Kläger zuzugehen. Jenen Kläger, der, von all jenen zahlreichen Vorwürfen, die der Beklagte im Lauf der letzten Monate vorbrachte, einen eher so mittelspektakulären zum Anlass für eine Abmahnung nimmt. Honi soit qui mal y pense.

Ach, genug. Am Samstag spielt der VfB. Ich sollte mich so langsam mal vorbereiten. Für den Fall, dass ich es sehen möchte.