Standardfloskeln

Endlich habe ich wieder einmal ein VfB-Spiel anschauen können, nachdem ich von den Partien in Chemnitz und gegen St. Pauli so gut wie nichts gesehen hatte. Soviel zum Positiven.

Ok, war vielleicht auch nicht anders zu erwarten. Schließlich hatte die Stuttgarter Zeitung schon morgens über die aktuellen Problemfelder der Mannschaft informiert.

Über Zdravko Kuzmanovics “Gehabe” bei Freistößen, beispielsweise, und darüber, dass “die Qualität seiner Freistöße mit der Show davor nur selten mithalten” könne. Interessante Sichtweise, wenn man sich mit einem Verein beschäftigt, der in Sachen Freistöße noch immer dem frühen Balakov nachtrauert, bei dem der letzte vor Kuzmanovic direkt verwandelte Freistoß vermutlich der von Toni da Silva im DFB-Pokal-Halbfinale 2007 war [Korrektur: Hitzlsperger traf zuletzt im Mai 2009, zudem gab es noch mindestens drei weitere] und wo Kuzmanovic nach nicht einmal einem Drittel der laufenden Saison drei direkte Freistoßtore in Pflichtspielen zu verbuchen hat. Da ist es mir – das mag an meiner Oberflächlichkeit liegen – eigentlich ziemlich egal, was er vor dem Schuss tut. Und wie er hinterher jubelt. Aber meine Psychologiekenntnisse sind bestenfalls rudimentär. Vielleicht spaltet ein gemeinsamer, noch dazu eingeübter Torjubel zweier Spieler ja tatsächlich die Gruppe und verstärkt die Isolation von Ersatzkapitän Cacau. Vermutlich haben die Experten recht. Das Spiel in Wolfsburg hat sie zumindest nicht widerlegt.

Auf die schlechte Kommunikation und das nicht funktionierende Team wurden wir ebenfalls hingewiesen. Es mag durchaus sein, dass die Mannschaft interne Reibereien hat, auch Martin Harnik hat sich gestern bei Sport im Dritten nicht gegen die Andeutung gewehrt. Das jedoch daran festzumachen, dass in Chemnitz Ciprian Marica zum Elfmeter antrat, “obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits ziemlich klar war, dass er an diesem Tag kein Glück haben würde” und dass es “in einem funktionierenden Team […] Spieler gegeben [hätte], die Marica zumindest auf die Gefahren bei diesem Strafstoß hingewiesen hätten”, finde ich, nun ja, ungewöhnlich.

“Elfmeter? Ich mach ihn rein!”
“Bist Du sicher, Cipi?
“Klar bin ich sicher. Ich bin Stürmer!”
“Dann lass mich Dich wenigstens kurz auf die Gefahren hinweisen. Bist Du Dir darüber im Klaren, dass Du auch scheitern könntest, gerade heute, wo Du ohnehin keinen Ball triffst? Dann scheiden wir möglicherweise aus, der Trainer muss gehen und Du sitzt am Wochenende nur auf der Bank.”

Entschuldigung, da ging wohl was mit mir durch.

Zurück zum Wolfsburg-Spiel. Mit einer gewissen Berechtigung wies der Sky-Reporter verschiedentlich darauf hin, dass der VfB von Verletzungen geplagt sei, dass 8-10 Spieler fehlten. Ich nickte wissend, um mich dann zu fragen, wie vielen der 10 ich zutrauen würde, der Mannschaft zu einem Leistungssprung zu verhelfen. Dem gesperrten Delpierre. Und, äh, keinem. Ok, anders gefragt: wie viele von den 10 ich bei völliger Fitness in der Startelf hätte sehen wollen. Didavi. Und, hm, Audel. Ach nee, gleiche Position.

Tja. Wie bereits verschiedentlich gesagt: der VfB hat einen soliden Bundesligakader mit braven Bundesligaspielern. Spieler von internationalem Format, wie man sie im Vorjahr mit Khedira, Lehmann (ja, ja) und gelegentlich Hleb hatte, sind gegenwärtig eher spärlich gesät. Extrem spärlich.

Wenn also die Individualisten fehlen, trifft es sich ja ganz gut, dass der Trainer in verschiedenen Medien dahingehend zitiert wird, dass man für taktische Einheiten gegenwärtig “keine Zeit” habe. Ist ja auch nicht nötig, schließlich sei man gegen Wolfsburg, so Trainer Keller, gut gestanden und habe nur wenig zugelassen. Nur die Standards, an denen müsse man wohl noch arbeiten. Ganz ehrlich: ich habe diese Trennung noch nie verstanden. Wenn ich im “normalen” Spiel ganz gut verteidige, bei jedem einzelnen Eckball und jeder Freistoßflanke jedoch ein Gegentor in der Luft liegt, dann habe ich einfach nicht gut verteidigt. Standardsitauationen sind Teil des Spiels. Integraler Bestandteil. Für viele Mannschaften eines der wichtigsten taktischen Mittel. Zum Beispiel für Mannschaften, die einen Spieler wie Diego in ihren Reihen haben, der mit ruhenden Bällen durchaus etwas anzufangen weiß. Da könnte man sich vielleicht drauf vorbereiten. Und bitte nicht hinterher sagen, dass man doch bis auf die Standards ganz gut ausgesehen habe.

Ach, egal. Ich bin sauer. Schon wieder. Und unstrukturiert. Und kann gar nicht all die Dinge aufzählen, über die ich mich ärgere. Egal, ob es Celozzis unsinnige Halbfeldflanken sind, Molinaros(!) unsinnige Halbfeldflanken, Gentners Alibispielweise, Cacaus Aufstellung als Stoßstürmer, Boulahrouz’ Kerze, Kuzmanovics Handlungsgeschwindigkeit, Harniks überhasteter Abschluss, Ulreichs… Halt, Schweigegelübde! Undsoweiter undsoweiter.

Aber natürlich wendet sich alles zum Guten – vielleicht noch nicht gegen Getafe, aber am Sonntag gegen Werder.