Team Wahler

“Nun, ich fühlte mich, wie soll ich sagen, gelöst. Ja, gelöst trifft es wohl am besten. Natürlich ist das Problem mit dem Kopf und dem Gestank noch nicht gelöst, und zweifellos ist Herrn Professor Hundt zuzutrauen, den VfB in der Präsidentenfrage von der Traufe in die Traufe zu führen; meine Stimmung hat sich im Lauf der Vorwoche gleichwohl extrem verbessert, möglicherweise könnte man von einer Art Aufbruchstimmung sprechen, …”

So klang das hier im Blog vor einigen Wochen, Anfang April, nachdem der damalige Präsident gerade seinen Rücktritt angekündigt hatte. In der Zwischenzeit hat sich einiges getan. Die Frage, ob der besagte Herr Professor Hundt den VfB in der Präsidentenfrage noch einmal irgendwohin führen kann, ist zu meiner Zufriedenheit geklärt, und allem Anschein nach herrscht bei der Bewertung dieses Sachverhalts rund um den VfB ein gewisser Konsens.

Ob es angezeigt war, so weit zu gehen, ihm die Entlastung zu verwehren, ist wohl diskutabel; emotional nachvollziehbar ist es allemal. Womit ich nicht sagen will, dass sich nicht auch rationale Gründe anführen lassen. Vor allem jenen, dass er verantwortlich ist für die Auswahl des völlig ungeeigneten ehemaligen Präsidenten, zu deren Beweggründen es kaum mehr als eine Meinung gibt.

Mittlerweile bin ich noch wesentlich gelöster als damals. Es scheint mir etwas früh, die Vergangenheit als bewältigt zu betrachten; die Weichen scheinen indes gestellt, und im Grunde mangelt es mir komplett an der Bereitschaft, mich künftig mit den Herren Mäuser oder Hundt zu befassen. (Wenn ich mich selbst diesbezüglich in den nächsten Tagen und Wochen dennoch Lügen strafe, so liegt das an den trägen Veröffentlichungszyklen dieses Blogs oder anderer Medien.)

Bernd Wahler, da scheint man sich einig zu sein, ist a priori eine sehr gute Wahl. Er selbst hat die Latte mit seinem bisherigen Auftreten bereits recht hoch gelegt, der neue Aufsichtsratsvorsitzende, der am Sonntag bei Sport im Dritten wie ein Wahlkämpfer in eigener Sache auftrat und nicht müde wurde, seine eigene Vergangenheit als Spieler und VfB-Fan (da hoffentlich auch die Gegenwart) hervorzuheben, trug seinerseits ebenfalls dazu bei.

Wahler sei übrigens ein Teamplayer, hört man. Ständig. Überall. Overkill. Und plötzlich denke ich, ohne es zu wollen, und auch ohne es zu meinen, an jenen Freund, der allenthalben betonte, was für ein überzeugter Single er doch sei. Irgendwann glaubte er es möglicherweise sogar selbst.

Es liegt mir fern, und ich bin gewiss auch inhaltlich nicht in der Lage, hier und heute auf die mehr oder weniger drängenden Einzelthemen einzugehen, auf den viel zitierten “Rekordverlust”, zum Beispiel. Ein Schelm übrigens, der auf den Gedanken kommen könnte, dass das Timing für einen Rekordverlust gar nicht einmal so schlecht sei.

Weitere Diskussionsansätze böten gewiss der Vertrag mit Viagogo oder die öffentliche Wahrnehmung des VfB, auch die Frage, wie sehr man künftig “ins Risiko gehen” will, und nicht zuletzt Überlegungen zur künftigen Struktur und Rechtsform des VfB. Wir werden all das früh genug bewerten können, und wenn ich “früh genug” schreibe, dann meine ich in diesem Fall auch tatsächlich “früh genug”.

Denn ich nehme dem Verein, nehme Bernd Wahler ab, dass man künftig anders kommunizieren, auch anders arbeiten will, ich gehe fest von mehr Transparenz aus, vielleicht sogar von dem, was man in diesem unserem Landstrich gerne mal eine “Politik des Gehörtwerdens” nennt – bei den Dingen, die uns alle unmittelbar angehen, wohlgemerkt, uns Fans, uns Mitglieder. Alles andere sollen kompetente Mitarbeiter entscheiden. Herr Wahler, Herr Bobic, der oder die Ticketingverantwortliche, die Marketingleitung, die Zeugwartin, der Physiotherapeut, wer auch immer. Irgendwann gilt das auch wieder für die unmittelbaren sportlichen Entscheidungen.

Ob die Wappenfrage in der Satzung verankert werden sollte, weiß ich nicht. Ich neige grundsätzlich zum Nein, weil ich glaube, dass es gute Gründe gibt, Wappen im Zeitablauf zu modifizieren, und weil ich glaube, dass diese Gründe keinen satzungsändernden Charakter zu haben brauchen.

Gleichzeitig bin ich mir der hohen emotionalen Bedeutung nicht nur des Wappens an sich, sondern der symbolträchtigen Rückkehr zum alten Wappen und, noch etwas höher einzuschätzen, der Art und Weise, wie diese Rückkehr zustande kam, sehr bewusst, und teile die Begeisterung darüber, wie der Verein – in einem Anflug von Pathos neige ich dazu, “mein” Verein zu sagen – mit dieser Thematik umgegangen ist. Die Aufnahme in die Satzung war in diesem Kontext wohl irgendwo zwischen folgerichtig und unumgänglich anzusiedeln.

Man mag anmerken, dass die Offenheit gegenüber dem erklärten Wunsch vieler, zum Teil sehr aktiver, Fans, vor deren Engagement der letzten Jahre ich meinen Hut gar nicht tief genug ziehen kann, strategischen Überlegungen zunächst der alten Vereinsführung geschuldet war, die darin eine letzte Chance gesehen haben mag, sich doch noch im Amt an der Macht zu halten, und dann auch ihrer Nachfolger, die sich die Chance zu einem Einstieg mit Pauken und Trompeten nicht entgehen lassen konnten. (Denn nach Pauken und Trompeten sah der Jubel aus, den ich selbst entgegen der seit vielen Wochen feststehenden Terminblockierung nicht vor Ort miterleben konnte.)

Na und? Was spricht dagegen, eine Chance beim Schopf zu packen? Ihr eigener Umgang mit der Wappenfrage ist die Benchmark, an der sich die Vereinsführung fürderhin messen lassen muss. Ich glaube, sie ist klug genug, die Entwicklung der letzten Jahre zu analysieren, um zu wissen, dass die VfB-Fans in der Lage sind, ihre Interessen zu artikulieren.

Artikulieren, sagte ich übrigens, nicht durchsetzen. Weil ich es nicht für wünschenswert halte, dass die Fans all ihre Interessen durchsetzen. Weil ich, wie oben gesagt, froh bin, dass vernünftig bezahlte Leute den Verein nach bestem Wissen und Gewissen führen und sich dabei auch nicht vor jeden Karren spannen lassen.

Was ich indes nicht nur für wünschenswert halte, sondern für zwingend erforderlich: dass sich die vernünftig bezahlten Leute die einzelnen Karren genau ansehen. Dass sie den Dialog suchen und führen, dass sie gute Ideen aufgreifen und in die Beschlussgremien einspeisen, dass sie ihre Mitglieder, ihre Fans, ihr Umfeld ernst nehmen. Manches deutet darauf hin, dass sie das vorhaben. Ich bleibe gelöst.