Samstag früh geht die Familie in die Stadt. Die beiden Fixpunkte sind Spielwaren Kurtz und der Wochenmarkt. Während der Aufenthalt “beim Kurtz” zwar recht lange dauert, der Sohnemann aber keinerlei Kaufwünsche äußert, wird auf dem Markt kräftig eingekauft. Man ist ja schließlich ein ökologisch geprägter, ernährungsbewusster Mitteleuropäer.
So stellt man sich mit all den anderen ökologisch geprägten, ernährungsbewussten Mitteleuropäern an seinem Lieblingsstand an, der längst kein Geheimtipp mehr ist. Wie gesagt: es ist Samstag, d.h. all die anderen jungen Eltern, aus dem Bett gefallenen Twens und gutsituierten Schwaben an der Schwelle zum Rentenalter haben noch viel vor und demzufolge ein großes Interesse an kurzen Wartezeiten. Insbesondere die älteren Mitbürger. Ich bin dann in der Regel recht großzügig. Die Leute haben es sich sicherlich über Jahrzehnte hinweg erarbeitet, Regeln und insbesondere Warteschlangen ignorieren zu dürfen. Außerdem ist ja Wochenende, da muss ich keinen Streit haben. In der Regel.
Kürzlich stand ich wieder einmal an. Äpfel wollte ich, und ein paar Birnen, vielleicht noch etwas Rosenkohl. Vor mir waren noch zwei Leute, hinter mir etwa fünf. Wobei “hinter” insofern nicht stimmt, als man im Normalfall keine gerade Schlange bildet, sondern die Breite des Marktstands ausnutzt, sodass die Durchgänge passierbar blieben.
Eine gut gekleidete Dame gesellte sich zu den Wartenden, und es war offensichtlich, dass sie nicht gedachte, sich an Position 9 einzureihen. Nummer 1 ließ sie noch gewähren, bei Nummer 2 machte sie bereits erste Anstalten, sich zu Wort zu melden. Nummer 3 war ich, trotz ihres etwas ernsthafteren Versuches, mich zu verdrängen. Die weitere Entwicklung interessierte mich, und ich blieb noch ein wenig stehen. Als die Marktfrau die Nummer 4 bedienen wollte, meldet sich tatsächlich die besagte Dame mit einem entschlossenen “Jetzt bin aber ich dran!” zu Wort.
Worauf die Marktfrau, eine zierliche Person mit breitem schwäbischem Einschlag, ihr sehr sachlich entgegnete:
“Nein, sie haben sich vorgedrängelt.
Solche Leute mag ich nicht.”
Wild schimpfend verließ die Dame den Stand, während ich lächelnd über den Markt schlenderte, um Frau und Kind beim Kurtz abzuholen.