…könnte man das gestrige Spiel des VfB gegen den FC Sevilla rasch zu den Akten legen. Man würde sich darüber ärgern, dass eine couragierte Leistung gegen eine europäische Spitzenmannschaft nicht ausgereicht hat, dass man vorne die Chancen nicht verwertet und hinten vor allem bei Standards geschlafen hat. Angesichts der verdienten Siege aus den Spielen gegen die Rangers und in Bukarest, wo man jeweils früh in Führung ging und dann glücklicherweise nicht auf die dumme Idee gekommen wäre, mit dem Fußballspielen aufzuhören, hätte man nach wie vor eine hervorragende Ausgangslage, um die Gruppenphase zu überstehen und würde die gute Leistung als Ansporn für das bevorstehende Spiel in Hannover nehmen. Man sähe über Boulahrouz’ und Lehmanns Patzer hinweg, würde sich verwundert die Augen reiben ob Träschs starker Leistung, die viel mehr an einen modernen defensiven Mittelfeldspieler erinnerte als noch am Samstag, zollte Osorio, Boka, Cacau, Kuzmanovic und nicht zuletzt Elson das verdiente Sonderlob, ohne zu vergessen, ob der gleichwohl augenfälligen Defizite insbesondere vor dem Tor zu mahnen, und das wär’s dann auch.
Tatsächlich stellt sich die Situation aber etwas anders dar: “Es läuft einfach nicht in Stuttgart.” In der Bundesliga steckt man im Abstiegskampf, in der Champions League scheinen die Chancen auf ein Weiterkommen eher theoretischer Natur (wenngleich sie dank des bisherigen Verlaufs tatsächlich noch gegeben sind), die Mängel sowohl vor dem eigenen als auch vor dem gegnerischen Tor zählen zu den wenigen Konstanten der bisherigen Saison. Dementsprechend steht der Trainer zur Debatte – durchaus legitim, wobei man sich an der einen oder anderen Stelle schon fragen darf, welche Fehlleistungen herausgekramt werden. In der Stuttgarter Zeitung befasst man sich intensiv mit seiner Aktivität an der Seitenlinie, die derzeit genauso wenig vorhanden ist wie in der Vorsaison. Nur handelt es sich jetzt eben um Resignation. Wenn ich mich recht entsinne, resignierte Walerij Lobanowskyj Zeit seines Trainerlebens recht erfogreich. Andernorts wird Babbel die Tatsache, dass er Thomas Hitzlsperger zuletzt nicht immer spielen ließ, als “beispiellose Degradierung seines Kapitäns” ausgelegt – würde man ihm vorwerfen, dass er gestern den seit Wochen ganz offensichtlich indisponierten Hitzlsperger statt Rudy oder meinetwegen auch Simak brachte, könnte ich das wenigstens inhaltlich nachvollziehen.
Dabei ist unstrittig, dass Babbel seit Saisonbeginn bei weitem nicht alles richtig gemacht hat. Die frühe Rotation hat die Mannschaft überfordert, die Struktur der Mannschaft scheint nicht gefestigt, seine Auswechslungen sind nicht nur des öfteren etwas unglücklich, sondern kommen vor allem häufig zu spät (hängt da etwa noch das erste Saisonspiel in Wolfsburg nach, als er bei Träschs verletzungsbedingtem Ausscheiden bereits dreimal gewechselt hatte?), und auch über die Systemfrage lässt sich diskutieren. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass ein Trainerwechsel helfen würde. Ich kann mir übrigens auch vorstellen, dass es dadurch keinen Deut besser würde.
Wichtiger ist an dieser Stelle sicherlich, wie Horst Heldt darüber denkt. Aber das weiß man halt nicht so genau. Nach dem gestrigen Spiel wurde er so zitiert, dass Markus Babbel “der Richtige” sei: “Er liefert gute Arbeit ab, lässt sich nicht hängen, versucht sich gegen Niederlage [sic!] zu stemmen, marschiert voran, erreicht die Mannschaft und bereitet sich und die Mannschaft gut vor.” Nun mag es sein, dass dies nur die offizielle Version ist, dass hinter den Kulissen längst die Entlassung vorbereitet wird und dass die Gespräche mit möglichen Nachfolgern laufen. Falls dem nicht so ist, stellt sich die Frage nach Heldts Motivation. Ist er wirklich überzeugt von Babbels Fähigkeiten und insbesondere davon, dass es gelingt, die Kurve nach oben zu bekommen? Oder fürchtet er, dass eine weitere Trainerentlassung nunmehr in deutlich höherem Maße auf ihn zurück fällt als noch bei Trapattoni und Veh? Dass seine Einkaufspolitik stärker in den Mittelpunkt rückt? Schließlich scheint er, wenn der oben verlinkte Stern-Artikel recht hat, dort mittlerweile selbst Defizite ausgemacht zu haben: “Vielleicht fehlt es einfach an Qualität.”
Meine Prognose? Babbel bleibt bis zur Winterpause. Und dann vermutlich auch darüber hinaus. Oder Heldt geht mit ihm.
[Hier lasse ich gleich noch ein wenig Platz für den Fall, dass ich erklären muss, weshalb ich mich getäuscht habe.]