Ich hasse es, wenn ich jemanden anrufe und nach kurzem Klingeln eine Antwort in der Art von „Hi, kann ich Dich nachher zurückrufen?“ erhalte. Das hat nichts damit zu tun, dass ich mir dann die paar Cent für den Anruf hätte sparen können, oder dass ich selbst hätte entscheiden wollen, ob ich eine Nachricht auf der Mailbox hinterlasse oder nicht. Ich mag’s einfach nicht. Ich fühle mich abgekanzelt, unwichtig. Obwohl ich natürlich weiß, dass der oder die Angerufene in den allermeisten Fällen vollkommen plausible Gründe dafür hatte, nicht mir mir zu sprechen: vielleicht war sie in einer geschäftlichen Besprechung, vielleicht musste er grad nach dem schreienden Kind schauen, vielleicht hatte sie grade einfach keine Lust auf das Telefon oder auf ein Gespräch mit mir. Ja, auch letzteres ist für mich ein völlig akzeptabler Grund. Sofern es nicht ständig vorkommt.
Nur: wieso gehen sie dann überhaupt ran? Sollen sie doch das Telefon klingeln lassen oder, wenn es in der Besprechung einfach stört, mich wegdrücken. Das ist für mich völlig ok und bedeutend angenehmer als die Situation, wenn der Angerufene kurz vor Anspringen der Mailbox doch noch rangeht, um mir ein gehetztes „Sorry, jetzt nicht.“ entgegen zu schleudern.
Vor einigen Wochen habe ich mich erstmals dazu durchgerungen, diese Präferenz meinem, neben meiner Frau, häufigsten Telefonpartner darzulegen: „Hey, Du hast mich in den letzten zwei Wochen mehrfach abgewürgt und einen späteren Rückruf angekündigt. Das will ich nicht. Es ist völlig ok, wenn Du keine Zeit hast, aber dann drück mich bitte weg. Ich brauche auch keinen Rückruf, weil ich meistens nichts Wichtiges zu besprechen habe, sondern mich einfach nur kurz melden wollte. Und wenn doch, dann kann ich ja immer noch auf die Mailbox sprechen – eine Möglichkeit, die ich nicht habe, wenn Du mich abkanzelst. Oder soll ich etwa ein zweites Mal mitten in Deiner Besprechung anrufen in der Hoffnung, dass Du mich dann in die Mailbox fallen lässt?“
So weit, so gut. Der Freund war erst kurz irritiert, um sogleich Abhilfe zu geloben. Die neue Vorgehensweise hat sich dann auch recht rasch eingespielt und wir waren beide zufrieden. Und dann das…
Vor wenigen Tagen hat mich eine schlimme Nachricht erreicht. Naturgemäß hatte ich relativ rasch das Bedürfnis, mit meinem besten Freund darüber zu reden. Zwar war mir bewusst, dass er bei der Arbeit war und möglicherweise nicht viel Zeit hatte, aber mein Anliegen war wichtig genug, um auch aktuelle berufliche Verpflichtungen hintenan zu stellen. Tja, die interessierte Leserin wird es nicht überraschen: ich kam nicht zu dem Punkt, wo ich hätte sagen können: „Halt, Stop! Ich weiß, dass Du arbeitest und womöglich in einer Besprechung oder in anderer Form eingespannt bist, aber meins ist wichtiger!“ Statt dessen drückte mich der Freund absprachegemäß weg.
Ja, ich weiß, ich hätte ihm auf die Mailbox sprechen können. Oder eine SMS schicken. Aber das geht halt nicht immer. Es gibt Dinge, die ich weder einem Computer erzählen noch im Telegrammstil schreiben will.
Und nun? Tja, das weiß ich auch nicht. Mit meinem Freund habe ich noch keine neue Strategie verabredet. Ich denke, ich werde bei meiner grundsätzlichen Position bleiben: wegdrücken, bitte“. In der Hoffnung und Annahme, dass die Situationen, in denen ich dringende sofortige Seelsorge benötige, sich künftig nicht häufen. Und wenn doch, werde ich Mittel und Wege finden.