12 mag ich gewesen sein, vielleicht 13. Samstagabend, ich war allein zuhause, sah fern und stolperte über nostalgisches Zeug. Zu sagen, dass ich eine Schwäche für sowas hatte, wäre wohl ein wenig übertrieben, aber ich konnte durchaus Gefallen daran finden. An Robert Kreis, der dort auftrat, vielleicht auch nur eingespielt wurde, so genau erinnere ich es nicht, an seinem Schnurrbart, seiner Pomadefrisur, seiner 20er-Jahre-Hommage. Und direkt im Anschluss, die namentliche Ähnlichkeit blieb nicht unkommentiert, folgte Georg Kreisler. Wenn ich ehrlich bin, rede ich mir seit vielen Jahren ein, sie seien damals sogar zusammen aufgetreten, aber ich zögere, meiner Erinnerung zu vertrauen.
Wie dem auch sei: Kreis und Kreisler wurden zwei meiner Helden, was durchaus mit einem gewissen Willen zur Distinktion zu tun gehabt haben mag, ich kaufte mir ihre Platten, nahm Kassetten auf, schwelgte in Kreis’ alten Zeiten und Kreislers Texten, die ich nur zu einem übersichtlichen Teil durchschaute, was auch heute noch zutreffen mag. Kreis sah ich in der Folge mehrmals auf kleineren oder größeren Bühnen, was anfangs großartig, irgendwann dann aber doch nurmehr nett war. Kreisler sah ich nur ein einziges Mal live, in den frühen 90ern, und wenn ich ehrlich bin, hatte ich mir bis dahin kaum Gedanken gemacht, ob der alte Mann, dessen Lieder ich einige Jahre zuvor sehr intensiv gehört hatte und noch immer regelmäßig auflegte, überhaupt noch lebte. Ich hörte halt alte Sachen von ihm, und die Fotos, die ich kannte, waren meist in einem Stil gehalten, der der Huldigung altehrwürdiger und nicht selten bereits verstorbener Künstler gut zu Gesicht stand.
Besagtes Konzert fand in einem ambitionierten Kulturzentrum irgendwo auf dem Land statt und hinterließ keinen wirklich bleibenden Eindruck. Er spielte und sang die bekannten Lieder, ich hörte angetan zu, murmelte die Texte mit, auch die eine oder andere Überleitung, die ich ebenfalls von den Platten kannte, erklärte meinem völligen unbeleckten Begleiter ein paar Hintergründe, verließ das Konzert hochzufrieden und kam doch zu dem Schluss, mich künftig wieder mit Tonträgern zu begnügen.
Was ich tat. Und tue, mit großem Vergnügen. Ich lausche nichtarischen Arien, schmiege mich an die Tango tanzenden Beine der alten Tanten, höre Bidla Buh und die unvermeidlichen Tauben, denke bei manchem Fußballspiel an ein urgemütliches Grubengasparadies, dreh regelmäßig das Fernsehn ab, frage mich, wie Politiker ticken und wofür ich einen Hund brauchen könnte, bin regelmäßig entsetzt ob der Aktualität von “Schützen wir die Polizei” und freue mich, einen guaten alten Franz an meiner Seite zu wissen. Genug.
Als vor einigen Monaten Loriot starb, beeindruckte mich zum einen die einhellige Verehrung, die ich in diesem Maß zuvor nicht erlebt hatte. Zum anderen beobachtete ich fasziniert, wie man auf allen Kanälen Zitat um Zitat zu lesen oder hören bekam. Ein Teil meiner Faszination rührte sicherlich daher, dass ich zwar Loriots Humor sehr schätzte, dass ich aber nie ein “Fan” wurde, seine Filme höchstens einmal gesehen hatte und von den Sketchen nur in wenigen Fällen mehr als zwei oder drei Sätze hätte rezitieren können. Bei vielen Leuten aus meinem realen oder virtuellen Bekanntenkreis war das anders, und wenn man als diesbezüglich nicht sonderlich textfester Mensch in seine Twitter-Timeline blickte, stieß man immer wieder auf vermeintlich willkürlich getweetete Sätze oder auch nur Fragmente, die nach anfänglicher Verwirrung darauf schließen ließen, dass erneut ein(e) Eingeweihte(r) eine kurze Hommage veröffentlicht hatte.
Es liegt mir fern, den gestern verstorbenen Georg Kreisler mit Loriot vergleichen zu wollen. Erst recht nicht in der Frage, wie die Öffentlichkeit auf den Tod der beiden Künstler reagiert hat. Aber ich gestehe, dass ich mir wünschen würde, heute in meiner Timeline den einen oder anderen kryptischen Tweet zu finden.
Vielleicht “Man sagt: Sie wird es schwer haben, weil – sie kennt zu viele Leut.” Oder “Die Menschen kreischten lauter als die Affen. Vierzehn Tiger rannten in die Stadt.” Sehr gerne auch ein Zitat zu den gesamten Werken Glucks, oder eben: “Lobesodol”.