Zeugnis geben.

Vor einigen Wochen berichtete ich von einem unschönen Zwischenfall bei einem Freizeit-Fußballturnier, in dessen Rahmen aggressive junge Männer gegen betrunkene nicht mehr ganz so junge Männer spielten und sich schwer taten, deren Überlegenheit sportlich zu nehmen. Das damalige Interesse der Polizei an der Angelegenheit und ganz konkret an meiner Zeugenaussage hatte Bestand (was wohl auch daran liegt, dass außerhalb meines Sichtfelds noch etwas mehr vorgefallen sei), sodass ich meine Sicht der Dinge einige Wochen später in einem nicht mehr ganz taufrischen Polizeigebäude nochmals formal zu Protokoll geben durfte. Mittlerweile ist die nächste Stufe erreicht: ich soll vor Gericht aussagen.

Meine Frau macht sich Sorgen. Sie fürchtet, und wer will es ihr verdenken, dass die der Körperverletzung beschuldigten jungen Männer Gefallen an diesem Vergehen gefunden haben könnten und irgendwann diejenigen attackieren, die gegen sie ausgesagt haben. Ich selbst glaube zwar nicht daran und ließ mir auch von einem befreundeten Anwalt versichern, dass Vergeltungsaktionen gegen Zeugen äußerst selten vorkämen, zumal bei vergleichsweise “harmlosen” Vergehen (wie dem vorliegenden); eine gewisse Unruhe kann ich gleichwohl nicht leugnen, die vermutlich in den Wochen bis zur Verhandlung nicht unbedingt abnehmen wird.

Natürlich ist Kneifen keine Lösung (ungeachtet der Frage, ob das überhaupt möglich wäre), natürlich finde ich es wichtig, dass die Sache verfolgt und sanktioniert wird, natürlich werde ich nach bestem Wissen aussagen. Dass es mir dennoch sympathischer wäre, im Verborgenen zu bleiben, mich den Angeklagten nicht zu präsentieren und jedes noch so kleine damit verbundene Risiko auszuschließen, gebe ich unumwunden zu. Mein Respekt vor Menschen, die bei ungleich schwereren Vergehen als Zeugen auftreten, hat schon jetzt noch einmal deutlich zugenommen.

Sommerliche Substitutionsstrategien.

Man kann sicherlich geteilter Meinung darüber sein, ob die fußballerische Sommerpause mit dem Trainingsauftakt der meisten Bundesligisten bereits ihr Ende gefunden hat, oder ob die ganzen fürchterlichen Vorbereitungsspiele aus Belek, Abu Dhabi oder sonstwo nicht erst die eigentliche saure-Gurken-Zeit darstellen. Man kann sogar auf dem Standpunkt stehen, die Sommerpause sei ein Hirngespinst und sie zum Unwort erklären.

Dass die bundesligafreie Zeit für alle Junkies etwas gewöhnungsbedürftig ist, dürfte indes außer Frage stehen, und mitunter macht sich dann doch ein wenig Verzweiflung breit. Da fängt man dann schon mal an, im Maschinenraum [frei nach dogfood] herum zu werkeln, behilft sich nostalgisch mit den guten alten Zeiten, philosophiert über Rückennummern, befasst sich mit dem Leben nach dem Fußball (oder dem abseits des rein Sportlichen), vielleicht auch mit Fankultur oder Fankultur.

Wenn es sich gar nicht vermeiden lässt, äußerst man sich zu den wildesten Gerüchten vom Transfermarkt oder geht in einem ultimativen Schritt sogar so weit, selbst Sport zu treiben – so wie ich am -bezeichnenderweise- Samstag:

Gemeinsam mit ein paar Freunden nahm ich an einem Freiteitturnier teil, wie es sie derzeit an jedem Wochenende zuhauf gibt. Sowohl die Gesamtschau der Turniere als auch jedes Turnier für sich sind durch ihre Heterogenität gekennzeichnet: Durchschnittsalter der Mannschaften, Spielstärke der und innerhalb der Teams, Spielfeldgröße, Untergrund,… – alles findet sich in allen Variationen.

Zu den Gemeinsamkeiten dürfte indes die Gewissheit zählen, dass es irgendwann im Lauf eines solchen Turniers in irgendeiner Form knallt. Gelegentlich spielt dabei Alkohol eine Rolle. Am Samstag durfte ich wieder einmal als stiller Beobachter dabei sein. Ok, nicht ganz als stiller Beobachter – meine Zeugenaussage hat die Polizei durchaus interessiert.

Es war eines dieser Spiele, bei denen eine junge, fußballerisch limitierte, aber hochgradig (über-)motivierte Mannschaft (die “Aggressiven”) auf einen erfahrenen, weit überlegenen Gegner trifft, dessen Fokus nicht nur auf dem sportlichen Erfolg liegt (die “Betrunkenen”). Die Aggressiven schlugen von Beginn an in punkto Einsatz über die Stränge, weit über die Stränge, und wurden auch rasch mit einer selbstverständlich völlig unberechtigten Zeitstrafe belegt, was sie nur noch wilder machte, angetrieben von einem fanatischen weiblichen Anhang. Die Betrunkenen ließen Ball und Gegner laufen und gingen den Zweikämpfen möglichst aus dem Weg, waren dafür aber insgesamt nicht mehr behände genug, so dass einer der ihren einer Roy-Keane-Gedächtnisgrätsche (wer sie sich ansieht: bitte auch “more Info” zum Clip lesen) nicht mehr ausweichen konnte.

Nun wurden auch die Betrunkenen etwas unwirsch und stellten den Täter, der sich aber zu wehren wusste. Die Veranstalter stürmten auf den Platz, um der Rudelbildung Herr zu werden, was insofern nicht ganz gelang, als einer von ihnen im entstehenden Knäuel die unterste Position einnahm. Diese Situation nutzte einer der Aggressiven aus, der sich bis dahin im Hintergrund gehalten hatte: er eilte aus dem Hintergrund heran und führte ohne Ball drei Spannstöße aus, die allesamt diesen unten liegenden Hausherrn trafen.

Irgendwie war die Übermacht der Vernünftigen dann doch so groß, dass die Aggressiven sich zurückzogen. Leider wurden erst nach und nach die Informationen zusammen getragen, sodass sich der besagte Treter wohlweislich bereits aus dem Staub gemacht hatte, als die mit etwas Verspätung herbei gerufene Polizei eintraf und einige seiner Mitspieler gerade noch befragen konnte. Selbstverständlich kannte keiner von ihnen den Täter, geschweige denn seinen Namen, und überhaupt seien ja sie die Opfer gewesen.

Erfreulicherweise trug der -unter anderem- so malträtierte Veranstalter keine nennenswerten Verletzungen davon (die Schwellung unter dem Auge dürfte auch bald verschwunden sein). Der wirklich übel gefoulte Spieler stand irgendwann zumindest wieder auf eigenen Beinen, wird aber die ärztliche Diagnose abwarten müssen.

Fußball.

Mit dieser Aktion haben die Aggressiven übrigens einige Fans des VfB Stuttgart in den Schatten gestellt, die sich am Samstag ebenfalls sehr geistreich mit Fußballthemen befasst hatten.