Das Schiedsen und kein goldener Boden

Markus Merk ist Zahnarzt, bzw. er war es, weil er als Redner besser verdient. Franz-Xaver Wack ist bei den gleichen Leisten geblieben, Jochen Drees ist Allgemeinmediziner, Helmut Fleischer praktiziert bei der Bundeswehr. So weit weiß man vielleicht aus dem Kopf Bescheid, der eine oder andere auch noch darüber hinaus. Wenn man sich dann ein wenig in der Wikipedia vergnügt, erfährt man, dass Felix Brych zur gemeindlichen Förderung des Berufssports promoviert hat und Wolf-Rüdiger Umbach seit 15 Jahren Präsident der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften Braunschweig/Wolfenbüttel ist.

Herbert Fandels flinke Finger sind weithin bekannt, Bernd Heynemann hatte ein Leben vor der Politik, und zwar als Betriebswirt, Hellmut Krug war Gymnasialllehrer, Walter Eschweiler Diplomat im Auswärtigen Amt. Ingenieur Alfons Berg doziert an der FH Trier, Lutz Michael Fröhlich ist diplomierter Kommunikationswirt, Siegfried Kirschen Psychologe. Wolfgang Riedel war Jurist an der Humboldt-Universität, Klaus Scheurell ist Gärungstechnologe, falls man das so sagen kann, und Peter Sippel Betriebswirt.

Wolf-Dieter Ahlenfelder ist, genau wie Dieter Pauly, Industriekaufmann, Gerd Hennig Speditions-, Günter Perl Groß- und Außenhandelskaufmann. Wolfgang Stark, Marco Fritz und Babak Rafati sind Bankkaufleute.

Aber wo sind die Handwerker, die Mechaniker, die Leute, die mit ihren Händen arbeiten? Man wird ja wohl keine akademische Ausbildung brauchen, um das Spiel pfeifen zu können, das wegen seiner einfachen Regeln so beliebt ist? Wer weiß, ob wir ohne Schneidermeister Rudolf Kreitlein überhaupt gelbe und rote Karten hätten? Günther Habermann ist Elektromechaniker, Werner Burgers Schriftsetzer, Manfred Bahrs war Galvaniseurmeister und Albert Dusch Maschinenmeister bei einer Nähmaschinenfirma, Karl-Heinz Gläser lernte Schweißer und Lutz Wagner Maschinenbauer. Man muss ziemlich tief wühlen.

Unter den aktuellen Erst- und Zweitligaschiedsrichtern gibt es mit Robert Kempter einen Werkzeugmechaniker und mit Christian Bandurski einen Chemielaboranten. Ferner pfeifen ein paar Kaufleute und “Angestellte” sowie 5 Polizist(inn)en, während gut die Hälfte der 40 Auswerwählten einen akademischen Abschluss hat oder anstrebt.

Eine gewisse Ungenauigkeit ergibt sich aus den jeweiligen Berufsangaben, die nicht in jedem Fall ganz eindeutig sind. So im Fall von Thomas Metzen, dessen Berufsbezeichnung als Vorstandsassistent eher im Vagen bleibt, oder bei Deniz Aytekin, weil ich nicht so recht weiß, ob ein VWA-Betriebswirt als Akademiker gilt oder nicht. Unstrittig scheint jedoch, dass er Geschäftsführer eines seriösen Beratungsunternehmens ist.

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Ach, und falls sich jemand dafür interessieren sollte, wie ich das Spiel des VfB in Freiburg gesehen habe: gar nicht, bis auf die drei Tore.

Also schweige ich.

Ich hab noch nie gegen den Trainer gespielt.

Nach knapp 20 Minuten musste ich unweigerlich an Günter Perl denken. Und fragte mich, wieso sich Herr Wieland Perl wünscht, wenn er doch Brych haben kann. Schiedsrichter Dr. Felix Brych hatte bis dahin drei durch die VfB-Brille klare gelbe Karten an die Herren Höwedes, Kuranyi und Bordon nicht gegeben (Rafinha will ich, gegen meine innere Überzeugung, beim frühen Zusammenprall mit dem konternden Cacau nichts Böses unterstellen). Dass sich Dr. Brych Minuten später seiner Karten erinnerte und deren zwei an Magnin und Khedira verteilte, verbesserte sein Ansehen in der Cannstatter Kurve nicht.

Aber das nur am Rande – am Schiedsrichter lag es nicht, dass der VfB wieder einmal am mittlerweile bekannten Mix aus zu einfachen Gegentoren und mangelnder Durchschlagskraft vor dem gegnerischen Tor scheiterte. Immerhin: einige klare Torchancen waren diesmal zumindest vorhanden, und wenn der insgesamt vielversprechend auftretende Zdravko Kuzmanovic ein Torjäger wäre, hätte das Spiel früher eine Wende nehmen können. Insgesamt trat der VfB deutlich stärker und leistungsbereiter auf als in den letzten Spielen; eine auch spielerisch inspirierte Vorstellung konnte man wohl nicht erwarten.

So zog man denn auch bei der Presse die Schlussfolgerung, dass die Mannschaft zumindest nicht gegen den Trainer gespielt habe – in meiner Naivität glaube ich ja ohnehin noch immer, dass Fußballspieler eher selten bewusst verlieren wollen, um dem Trainer zu schaden. Ich selbst hab’s zumindest noch nie getan, dabei wäre mein Verlust an Punktprämien *sehr überschaubar* gewesen. Wie gesagt: im vorliegenden Fall haben sich die VfB-Spieler nicht verdächtig gemacht. Ob Markus Babbel die richtigen Maßnahmen ergriffen hat, bleibt indes zu diskutieren:

Aufstellung:
Die Umstellung auf eine Mittelfeldraute war ebenso erwartet worden wie die daraus resultierenden kritischen Punkte. Mit Kuzmanovic und Khedira hatte man auf den Außen- (bzw. Halb-) Positionen im Mittelfeld spielstarke, ballsichere Leute, die allerdings beide gerne und viel nach innen drängen und nicht zu Protagonisten schnellen Flügelspiels taugen; die Außenverteidiger Magnin und Celozzi, die diese Aufgabe übernehmen könnten (besser: sollten), konzentrierten sich auf ihre Defensivarbeit, was angesichts der letzten Spiele nachvollziehbar ist, den eigenen Stürmern aber auch keine Freude bereitet haben dürfte. Christian Träsch spielte im defensiven Mittelfeld das, was man früher einen “Ausputzer” nannte. Kann man machen, nimmt dann aber bewusst in Kauf, dass der Spielaufbau im Mittelfeld über die beiden Halbspieler erfolgen muss. Aliaksandr Hleb konnte nicht verhindern, dass die Diskussionen aus der Saison 2003/04 (dem “Jahr 1 nach Balakov”) wieder aufgegriffen wurden, die in aller Regel zu dem Schluss kamen, dass er keine “10” ist. Wenn die Raute wirklich das System der Wahl sein sollte und man einen klassischen Spielmacher einsetzen will, wird man nicht umhin kommen, auf Elson oder Bastürk zurückzugreifen.

Auswechslungen:
Nach 30 Minuten habe ich mich gefragt, wieso Celozzi immer noch auf dem Feld ist. Nach 66 Minuten war ich ganz sicher nicht der einzige, der sich gefragt hat, wieso Babbel Celozzi vom Feld nimmt, nachdem dieser sich nicht nur defensiv gefangen hatte, sondern nach der Pause derjenige war, der endlich für etwas Belebung auf der Außenbahn sorgte, während dem an der Außenlinie bereit stehenden Hilbert genau dies zuletzt eher selten gelungen war. Julian Schieber hat sich einmal mehr bewährt. Natürlich kann man diskutieren, ob man ihn als dritten Stürmer hätte bringen sollen; andererseits wäre wohl alles richtig gewesen, wenn man nach dem von ihm initiiterten Ausgleich die Schalker nicht zur erneuten Führung eingeladen hätte. Eine gute Viertelstunde wäre geblieben, man war am Drücker, hatte die Defensive nicht aufgelöst, kurz: man hatte die besseren Karten. Elson kam hingegen zu spät. Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich ihn nicht für den Spieler halte, der das Offensivspiel des VfB auf Dauer bestimmen kann; Impulse als Einwechselspieler kann er gleichwohl setzen. 12 Minuten erscheinen mir dafür jedoch etwas kurz, gerade wenn man sich etwas mehr Inspiration erhofft und vor allem keinen anderen Spieler auf dem Feld hat, der in der Lage ist, einen Eckball oder Freistoß auch nur annähernd gefährlich vor das Tor zu bringen.

Letztlich bleibt eine bittere Niederlage, die man eigenen Nachlässigkeiten sowie natürlich einem gut organisierten und effektiven Gegner zuzuschreiben hat. Und die Frage, ob Günter Perl den Treffer von Kuzmanovic wenige Minuten vor Schluss auch abgepfiffen hätte.