Wie jetzt, das war’s? Dafür machen die so einen Aufstand? Twittern wochenlang geheimnisumwoben, tun so, als wollten sie das Rad neu erfinden, oder erwecken zumindest den Eindruck, als hätten sie irgendwas Bahnbrechendes entwickelt, gerne was mit Social Media. Und dann lüften sie den Schleier, nicht ohne in den Tagen zuvor nochmal so richtig penetrant die Werbetrommel gerührt zu haben, und heraus kommt – was? Ein Statement gegen Homophobie im Fußball? Eine Selbstverständlichkeit also, in der fünfzigsten Auflage? Mannmannmann, die müssen Zeit haben! Ist das wirklich alles? Dafür der ganze Aufwand?
Ja, genau dafür. Weil es uns, weil es mir wichtig ist, Farbe zu bekennen. Immer wieder. Möglichst häufig, meist leise, im Kleinen. Und manchmal eben auch laut, gemeinsam mit anderen, inklusive theatralischem Auftritt und Öffentlichkeit. Es ist wichtig, Homophobie auf die Agenda zu setzen. Nicht nur, wenn gerade mal wieder ein Spielerberater Amok läuft, eine Spielerfrau als Kronzeugin auftritt oder ein Spieler die Wunder von Google entdeckt hat. Nicht nur, wenn sich die Welt über lesbenfeindliche Kommentare einer Trainerin erregt, oder gar über einen Trainer, der es für eine ausnehmend gute Idee hält, Homosexualität und Pädophilie in einen Topf zu schmeißen.
Nein, einfach so. Ich brauche keinen medienträchtigen Anlass, um mich über Homophobie im Fußball aufzuregen. Mir reicht es, wenn ich in meine Google Referrer schaue und ständig mit Suchanfragen nach dem Muster “[Spielername] schwul” konfrontiert werde. Was hinter “[Spielername] Freundin” steckt, sei einmal dahingestellt. Es kotzt mich an, wenn irgendwo im Block der Schiri zur Schwuchtel und der gegnerische Stürmer zur schwulen Sau gemacht wird. Von den, hihi, wissenden Hinweisen auf Frisuren, Kleidung und wasweißdennich gar nicht zu reden.
Ich brauche übrigens auch kein anonymes Interview mit einem schwulen oder auch, dann eher nicht anonym, nicht schwulen Fußballspieler, der die möglichen Folgen eines Outings skizziert, um zu wissen, dass da noch verdammt viel im Argen liegt, und ich bin ehrlich gesagt ein bisschen froh, dass niemand, mit dem ich im Rahmen der Aktion Libero zu tun hatte, auf eine medienwirksame Story mit einem schwulen Fußballspieler aus war. Auch wenn das gewiss ein Mehr an Publizität brächte.
Homophobie im Fußball, Schwulen- wie Lesbenfeindlichkeit, im Stadion wie auf den Rängen, ist ein Thema, mit dem wir uns befassen müssen. Bei dem wir nicht nur zustimmend nicken, sondern uns aktiv äußern sollten. Manchmal gibt es dafür konkrete Anlässe, zu selten, möchte man einerseits sagen, um der Sache willen, zu häufig, andererseits, weil die Anlässe in der Regel keine positiven sind. In aller Regel gibt es diese Anlässe nicht. Also müssen wir uns äußern, ohne Anlass, oder, gelegentlich, so wie an diesem 16. November, schaffen wir uns eben den Anlass selbst.