Ehre, wem Ehre gebührt

Am Wochenende war ich unterwegs. Irgendwo in Bayern, wo die Wahrscheinlichkeit, eine Premiere-Kneipe (ich weiß, dass das mittlerweile anders heißt) zu finden, die das Spiel des VfB beim FC Schalke 04 übertragen würde, eher überschaubar war. So begnügte ich mich mit 90elf und gelegentlichen gestreamten Standbildern und bin zu keiner seriösen Bewertung des Spiels imstande. Zumal sich der Webradioreporter ob der hohen Qualität beider Mannschaften mitunter überschlug, was nicht der Wahrnehmung aller am späten Sonntag nachgelesenen Quellen entsprach.

Immmerhin weiß ich, dass dem VfB erneut ein reguläres Tor aberkannt wurde und dass der Schalker Ausgleich nach einer nicht geahndeten Abseitsstellung entstand. Letztere war, nach den Bildern, die ich dann doch noch gesehen habe, meines Erachtens zu knapp, um dem Schiedsrichtergespann einen Vorwurf zu machen. Schließlich sind wir sonst auch immer die ersten, die die Unparteiischen an die Vorgabe “im Zweifel für den Angreifer” erinnern. Der Linienrichter hat sich um Sekundenbruchteile und Zentimeter vertan, Tasci indes sekundenlang geschlafen.

Den nicht gegebenen Treffer zum 0:2 muss man Florian Meyer und seinem Team natürlich ankreiden. Dies gilt umso mehr, wenn es selbst im diesbezüglich sonst eher zurückhaltenden Brusting Schirischelte gibt – nicht zuletzt und auch nicht ganz überraschend unter Verweis auf die zeitliche Nähe zu den Magathschen Verschwörungstheorien der Vorwoche.

Ansonsten weiß ich, dass der VfB entweder im 4-4-1-1 mit Cacau als Spielmacher (Stuttgarter Nachrichten) oder doch im 4-4-2 (Ballverliebt, Taktikguru) mit hängender Spitze agierte, dass Träsch defensiv wie offensiv Akzente setzte, dass die erste Halbzeit stark, die zweite durchwachsen war, habe natürlich gehört, dass ein Ruck durch die Mannschaft gegangen sei, ferner, dass der neue Trainer der richtige Mann sei, der alte aber vielleicht auch der richtige gewesen wäre.

Bei Sport im Dritten habe ich dann endlich auch die Bilder zu Jens Kellers Abgrenzungsversuchen gegenüber Christian Gross sowie Armin Vehs Reaktion im Sportstudio gesehen und zunächst einmal festgestellt, dass Kellers Outfit Erinnerungen an Stielikes Sakko weckt. Abgesehen davon empfand ich seine Aussagen als unangemessen, unangemessener noch als Vehs Reaktion. Auch wenn ich bei beiden davon ausgehe, bzw. in Vehs Fall der Überzeugung bin, dass sie zumindest teilweise Recht haben. Fredi Bobic hat Jens Keller verteidigt (ab ca. 7:00). Das ist seine Pflicht, und der ist er nachgekommen.

Überhaupt kann ich die teilweise scharfe Kritik, die in meiner Timeline (das ist ein Twitter-Fachbegriff für die Menschen, deren Tweets ich lese) an Bobics Interview im SWR laut wurde, nur bedingt, besser: nur abschnittsweise teilen. Meines Erachtens ist Bobic insofern ganz passabel in das Gespräch eingestiegen, als er zunächst einen Teil seiner Hausaufgaben abgearbeitet hat. Er hob nicht nur die sportliche Verantwortung des neuen Trainers hervor, sondern schaffte es insbesondere, bereits nach 45 Sekunden erstmals den Begriff “Cheftrainer” einzubringen, von dem ich ehrlich gesagt bis vor kurzem gar nicht wusste, dass er in der Bundesliga gebräuchlich ist, der aber ganz offensichtlich das peinliche Herumgeeiere von Präsident Erwin Staudt in der Pressekonferenz nochmals kontern sollte.

Auch die Nachfrage von Moderator Johannes Seemüller nach den Protagonisten der Entlassung (Wer ist “wir”?) beantwortete er mit einem geschichtsbewussten konsequenten “Wir sind der CKlub”. Nun könnte man natürlich kritisieren, dass “der CKlub” vor allem “die Mitglieder” sind, doch in Verbindung mit seiner nachgeschobenen Erläuterung “die sportliche Führung mit dem Vorstand, alle komplett” und der in den Mund gelegten Ergänzung um den Aufsichtsratsvorsitzenden, ist seine Aussage ok, hielt er sich an den im Sprechzettel vorgesehenen Fraktionszwang. Alles andere wäre in der aktuellen Situation auch reichlich töricht.

Später verteidigte er dann, wie bereits angesprochen und in der Sache unumgänglich, Jens Keller gegen Armin Veh, der schließlich Trainer des HSV sei und sich nicht um Stuttgarter Belange kümmern möge, und wies bezüglich Sebastian Rudy in durchaus angebrachter Deutlichkeit (und das sage ich als großer Rudy-Fan) darauf hin, dass diesem von drei Trainern, besser: Cheftrainern, bescheinigt worden sei, er werde sich in Stuttgart nicht durchsetzen. Sehe ich, mit großem Bedauern, ähnlich.

Sagte ich vorhin, alles andere als eine “Wir sitzen alle im selben Boot”-Einstellung wäre töricht gewesen? Nun denn, einen kleinen Ansatz, sich entweder zu vergaloppieren oder aber Profil zu zeigen, hatte er sich dann doch gestattet: der angesprochenen Erläuterung, wer denn dieses “wir” sei, das die sportlichen Entscheidungen treffe, ließ er einen kurzen Hinweis in eigener Sache folgen (ab ca. 2:25):

“…aber glauben Sie mir eins, die sportliche Führung gibt, und das sind Jochen Schneider und ich, geben die Vorgaben…[sic!]”

Herr Hundt, Herr Staudt, Herr Ruf, ziehen Sie sich warm an!

Ach, vielleicht ist das doch nicht nötig, wenn man die letzten gut vier Minuten des Interviews noch einmal Revue passieren lässt, die bei “Zimmer frei” vermutlich problemlos als “ultimative Lobhudelei” durchgehen würden: das Wiederkäuen der Hundtschen Aussagen zum Stuttgarter Personalbudget, das unter den Top 6 der Liga rangiere, die Rüge für den Ex-Trainer, der sich unbotmäßig zu Vereinsbelangen geäußert habe, die außerhalb seines Kompetenzbereichs lagen, die demütige Feststellung, dass sich “Professor Hundt” keineswegs (zu) häufig öffentlich äußere, und natürlich die Erkenntnis, dass besagter Professor aus Uhingen, “wenn mal die ganze Emotionalität raus lässt, […] richtig gehandelt” habe.

Natürlich. Wäre ja noch schöner.
Bis zum nächsten Mal lernt Herr Bobic auch noch den Rest:

Senator E.h. Professor h.c. Dr. sc. techn. Dieter Hundt
(ohne Gewähr)