Die wenigen Gelegenheiten, bei denen ich Jörg Tauss persönlich erlebt habe, haben mir das Bild eines geerdeten, ehrlichen und engagierten Politikers vermittelt. Eines Politikers, der keine Verlegenheits- oder Proporzlösung als medienpolitischer Specher seiner Fraktion war, sondern der diese Funktion auf der Grundlage von Interesse und Kompetenz wahrnahm.
Seine Position in der Auseinandersetzung mit Familienministerin Ursula von der Leyen bezüglich der Verpflichtung der Internetzugangsanbieter zur Sperrung von kinderpornographischen Inhalten habe ich für unaufgeregt, realitätsnah und wegweisend erachtet (ein Aspekt, der bei Oliver Fink etwas ausführlicher zur Sprache kommt). Tauss kennt sich offensichtlich aus – und muss auch gewusst haben, dass sein Tun nachvollziehbare Spuren hinterlässt.
Gleichwohl hat er diese Spuren in Kauf genommen. Kann er wirklich geglaubt haben, die Gesetzgebung zur Kinderpornographie, eines der öffentlich wahrscheinlich (und zurecht) mit am schärfsten verurteilten Vergehen, könne große Schlupflöcher für Abgeordnete lassen, wenn sie nur hehre Beweggründe geltend machen können? Kann er weiter geglaubt haben, eben diese hehren Beweggründe trotz des Fehlens irgendwelcher Mitwisser belegen zu können? Kann er ernsthaft geglaubt haben, er allein könne als Hobbydetektiv einen vermutlich hochlukrativen, auf Verschwiegenheit angewiesenen Verbrechenszweig unterwandern und zentrale Akteure auffliegen lassen?
Drei Fragen, die ich nur schwer mit einem “Ja” beantworten kann. Ähnliches gilt für die Frage, ob die Bürger von ihren Abgeordneten erwarten, dass sie sich als Freizeitermittler betätigen – eigentlich sind die Aufgaben zwischen Legislative und Exekutive anders verteilt. Letzteres ist für die Glaubwürdigkeit von Herrn Tauss nicht unmittelbar relevant, die zuvor genannten Punkte schon. Wenn er die drei oben genannten Fragen nicht glaubhaft mit “Ja” beantworten kann, kann ich ihm seine Geschichte nicht mehr glauben.
Dass ich noch immer geneigt bin, Jörg Tauss Glauben zu schenken, hängt wohl zum einen mit dem persönlichen Eindruck zusammen, den ich von ihm gewonnen habe, zugegebenermaßen keinem besonders rationalen Argument. Zum anderen halte ich die Unschuldsvermutung für ein sehr hohes Gut.
Zwar irritiert mich auch das, soweit ich es beurteilen kann, zumindest diskutable Vorgehen der Staatsanwaltschaft; es würde aber zu weit gehen, dies zu Herrn Tauss’ Entlastung vorzubringen: letztlich wären wir dann im Bereich von Verschwörungstheorien, an die ich nur ganz selten glaube, und die erfreulicherweise auch Jörg Tauss rasch beiseite gewischt hat.
Abschließend betone ich gerne, dass ich mich freuen würde, wenn herauskäme, dass Jörg Tauss die Wahrheit gesagt hat, wobei er vermutlich auch dann, und keineswegs grundlos, strafrechtlich verfolgt würde. Sollte allerdings das Gegenteil der Fall sein, und er hat sich auch nur von einem Fünkchen sexuellen Interesses leiten lassen, sollte er hart bestraft werden.
Update [22. Juni 2009 – drei Monate, einen Parteiaustritt und den Sündenfall der Bundesregierung später]:
Frank Helmschrott zitiert einige Aspekte zur “Causa Jörg Tauss“, die nicht nur für die Verschwörungstheoretiker unter uns interessant sind.