Nun ist dieses Jahr also auch schon wieder zwei Wochen alt, und im Blog ist immer noch Heiligabend. In meinem Kopf übrigens noch nicht mal das, fußballseitig, da ist eher 0:0 gegen Paderborn. Dass der VfB einen neuen Sportdirektor bekommen hat, war nicht zu überlesen; ansonsten war meine Weihnachtszeit angenehm fußballfrei, gedanklich, und ja, natürlich handelte es sich um Selbstschutz. Wer war nochmal dieser VfB?
Ganz allmählich stieg ich dann im neuen Jahr wieder ein und gebe auch gerne zu, den vielgeschmähten DFB-FIFA-Film gesehen zu haben, glücklicherweise weitgehend twitterfrei, und ja, er hat mir ein bisschen Freude bereitet. Erinnerungen getriggert, Sie wissen schon.
Erinnerungen rief bei manchen BeobachterInnen auch der bestürzende Tod von Junior Malanda hervor, des jungen Mannes also, “der das leere Tor nicht getroffen hat”, wie ich bei einem beruflichen Termin aufschnappte. Ich verstehe so etwas nicht, wirklich so gar nicht, aber ich habe zugegebenermaßen auch keine Lust, den Leuten dann einfach in die Fresse zu hauen. Doch, Lust schon, aber zum einen könnte ich es eh nicht, zum anderen wäre es wahrlich kein angemessenes Verhalten im Angesicht eines ums Leben gekommenen jungen Mannes, der die Welt erst noch erobern wollte.
Ich weiß nicht, wie ich nun wieder zum Fußball zurückkehren soll, ohne mir schäbig vorzukommen. Ok, mein Problem. Einige längere Autofahrten, die zu Jahresbeginn als Nebeneffekt unschöner Krankenbesuche nötig waren, gaben mir die Gelegenheit, mich fußballmäßig wieder ein bisschen einzuhören, in den Fußball aus England und Spanien, wo nicht nur geredet, sondern auch gespielt wurde, aber auch, meiner frühen Weihnachtsruhe geschuldet, noch einmal in den letzten Hinrundenspieltag.
Der Rasenfunk hatte sich bereits in die Winterpause verabschiedet, aber die Erben ließen sich nicht keine verfrühte Urlaubsstimmung nachsagen. Der hier außerordentlich geschätzte Schiiiedsrichterpodcast blickte kurz vor Weihnachten noch einmal auf die jüngsten Entscheidungen, auf die Lex Feuerherdt, auf Zicke Neuendorf und manches mehr. Darunter auch einige Äußerungen von Markus Gisdol im Rahmen einer Pressekonferenz, in der er, dem Zusammenschnitt zufolge, die Schiedsrichter und explizit deren Assistenten zunächst über den grünen Klee lobte, ehe er im weiteren Verlauf ähnlich deutliche kritische Worte für das Gebaren mancher vierter Offizieller fand, was in einem lauten Kopfschütteln ob der Aufforderung gipfelte, er möge die Hände unten lassen.
Die Erben begrüßten, nicht ganz überraschend, Gisdols Lob für die Zunft uneingeschränkt, und, ebenfalls nicht ganz überraschend, die Kritik nur so halb. Sie sprachen über Kommunikationsdefizite zwischen Trainern und Schiedsrichtern, die hier bitte als partes pro toto für die vier Teammitglieder verstanden werden mögen, vielleicht auch zwischen Schiedsrichtern und Trainern. Sie griffen auch Gisdols Verzicht auf eine Pauschalkritik der vierten Offiziellen auf und wollten die Aussage zum Handhebeverbot so nicht stehen lassen, sondern auf aufwieglerische Handgesten beschränkt wissen.
Und hier komme ich ins Spiel. Ich habe mich nämlich auch schon aufwieglerischer Hand- und Armgesten schuldig gemacht, weiß also, worum es geht. Ist ein paar Tage her, aber aufwiegeln konnte ich auch schon in jungen Jahren. Mitte der Neunziger, um etwas genauer zu sein, als Twen, wie man damals vielleicht noch sagte.
Als Twen fuhr ich in einem Renault 5 nach Irland. Ich mag schon einmal davon geschrieben haben, dass mein Auto zuvor irgendeinem Drogenbaron gehört haben musste, so oft wie ich auf dieser Fahrt angehalten und kontrolliert wurde. Von besagtem Irlandaufenthalt habe ich auf jeden Fall schon geschrieben – und mag die Geschichte von Tom Hanks, der Schwester und mir heute noch, aber das nur am Rande.
Der Weg dorthin führte mich durch Frankreich, in Le Havre sollte es auf die Fähre gehen, und wie das in Frankreich eben so ist, wurde die Fahrt gelegentlich durch erzwungene Pausen an den Mautstationen unterbrochen. Die Pausen waren in der Regel kurz, es war nicht allzu viel los, mein Zeitbudget bis zum Fährhafen reichlich bemessen. Rückblickend kann ich sagen, dass ich die damaligen Münzfangnetze – vermutlich gibt es sie auch heute noch, für all die Sonderlinge, die nicht zu Maut-Kartenzahlern geworden sind – eigentlich recht gern mochte. Sie erinnerten mich immer an den Weltspartag. Aber sie funktionierten nicht immer.
Und so ergab es sich auch auf jener Fahrt, dass der eine oder andere Péage-Aufenthalt einen Moment länger dauerte. So auch noch einmal kurz vor dem Ziel: das Gerät zickte ein wenig, die Schranke öffnete sich zunächst nicht, auch etwas länger nicht. Mein Zeitbudget war nach wie vor reichlich, meine Nervosität gering. Ich war guter Dinge, auch ohne die Hilfe jenes offiziell aussehenden Herrn, der sich von der Seite näherte, über kurz oder lang weiterfahren zu können – und in der Tat, just als er das Auto erreichte, öffnete sich die Schranke. Ich dankte ihm freundlich, aber es habe sich ja nun erledigt.
Er sah das anders. Ich solle doch bitte gleich rechts ranfahren – was ich zunächst nicht recht verstand, und was vor allem gar nicht so einfach ist, wenn man sich ziemlich weit links eingeordnet hat und senkrecht zur Fahrtrichtung etwa zehn Fahrspuren auf einmal wechseln soll, während hinter jeder Schranke aufbruchwillige Autobahnnutzer mit dem Gaspedal spielen. Ok, erwischt, ich übertreibe. Das mit dem Gaspedal stimmt nicht. Und vielleicht querte ich auch nicht ganz orthogonal.
Doch zurück zur eigentlichen, bisher noch gar nicht formulierten Frage: Polizei- oder meinetwegen auch Zoll- oder sonstige Kontrollen an der Mautstation? Einfach so? Hatte ich noch nie gesehen, geschweige denn selbst erlebt. Ob es doch am Drogenauto lag? Ich weiß es nicht, und werde es auch nicht mehr erfahren.
Was ich aber weiß: plötzlich stand ein halbes Dutzend uniformierter Männer um mein Auto herum. Aussteigen solle ich, und meine Papiere zeigen. Den Kofferraum öffnen. Und mich durchsuchen lassen. Mein Gewissen war rein, und so ließ ich es zwar zähneknirschend, aber doch noch relativ gelassen– zumal es bekanntlich nicht die erste Kontrolle auf dieser Fahrt war, meine Unbescholtenheit also hinreichend gesichert schien – über mich ergehen.
Ich war bestrebt, das Procedere möglichst rasch hinter mich zu bringen, und so erleichterte ich den Beamten ihre Arbeit, so gut es eben ging. Sie durchsuchten mich gründlich, und um ihnen den Zugang zu den Taschen meiner Jeans zu vereinfachen, hob ich meine Arme in die Höhe – was zwar nicht in aufwieglerischer Absicht geschah, wohl aber das Missfallen meiner Freunde und Helfer hervorrief. Ich solle doch bitte meine Hände wieder herunternehmen und kein Aufsehen erregen.
Sechs Beamte stehen also unmittelbar hinter einer mindestens zehnspurigen Mautstation am Fahrbahnrand um ein ausländisches Auto bzw. dessen Fahrer herum und durchsuchen beides, um dann besagten Fahrer dazu anzuhalten, doch bitte kein Aufsehen zu erregen. Das Leben ist immer wieder für eine Überraschung gut.
Vermutlich war es rückblickend eine recht kluge Entscheidung, meine eben ausgeführte Bewertung der Situation in etwas diplomatischeren Worten zum Ausdruck zu bringen.
Die Herren fanden nichts, ich durfte weiterfahren, kam rechtzeitig zum Hafen, wurde in der Fährschlange als einziger Reisender weit und breit erneut intensiv kontrolliert, inklusive Kofferraum und so weiter, ehe man mich Stunden später bei der Ankunft in Rosslare erneut herauszog. Tja. Ich konnte glaubhaft versichern, dass von mir keine Gefahr ausgehe, wie zahlreiche vorhergehende Kontrollen ergeben hätten, und durfte weiterfahren.
Mit Markus Gisdol hat das vermutlich nichts zu tun.