Lieber Kevin Großkreutz,

es ist mir ein bisschen unangenehm, ein gleichsam franzjosefwagnereskes Format zu wählen, gerade angesichts des Umstands, dass sein Organ der Niedertracht auch in Ihrem Fall seinem Ruf gerecht zu werden scheint. Und es ist mir ein ganz kleines bisschen unangenehm, dass ich Ihrem Wunsch, in Ruhe gelassen zu werden, je nach Lesart möglicherweise nicht nachkomme. Da es sich jedoch um einen dieser albernen offenen Briefe handelt, die der vorgebliche Adressat ohnehin nie zu lesen bekommen wird, kann ich mit Letzterem umgehen. Und Ersteres, nun ja – wo kämen wir denn hin, wenn wir denen ein ganzes Format überließen? Also, von vorn:

Lieber Kevin Großkreutz,

ich will der Wahrheit die Ehre geben und festhalten, dass ich Ihnen gegenüber nicht objektiv bin. Es ist bald sechs Jahre her, dass ich mich an dieser Stelle zum “Kevinismus” bekannt habe – nicht zu jenem Kevinismus, wohlgemerkt, der es für lustig hält, junge Leute ob ihres Vornamens schenkelklopfend zu kategorisieren und zu stigmatisieren, sondern zu einem positiven Kevinismus, einer Begeisterung sowohl für Ihre Art, Fußball zu spielen, als auch für die Überzeugung, mit der sie ihren Verein und mit der sie Fanperspektiven vertraten – und dieser Kevinismus steckt noch immer in mir.

Mir ist bewusst, dass in diesen sechs Jahren bei Ihnen eine Menge passiert ist, sportlich wie auch abseits des Spielfeldes, und nicht alles hat mir Freude bereitet. Sportlich verloren sie einerseits beim BVB zusehends an Boden und Status, trafen zudem eine Wechselentscheidung, die sich als unglücklich erwies; andererseits wurden Sie Weltmeister, und lassen Sie sich bloß nicht einreden, Sie seien ein Weltmeister zweiter Klasse! Neben dem Platz lief immer mal wieder etwas schief, nicht zuletzt im unmittelbaren zeitlichen Umfeld der Weltmeisterschaft, und obschon ich stets dafür plädierte, nicht alles auf die Goldwaage zu legen, junge Männer auch mal übers Ziel hinausschießen zu lassen, frug ich mich auch als Kevinist das eine oder andere Mal, ob sie nicht einen Moment länger hätten nachdenken und zu einem anderen Schluss kommen können.

Vor einem guten Jahr kamen Sie dann zum VfB, von vielen Unkenrufen und ebenso viel Vorfreude begleitet, und Sie können sich vorstellen, welches Gefühl bei mir nicht nur überwog, sondern die alleinige Stimmungslage darstellte.

In mancherlei Hinsicht erfüllten Sie meine hohen Erwartungen. Sie gingen voran, zeigten sich mutig, suchten die Nähe zu den Fans, waren gerade in einer Phase, die für den gesamten Verein eine Zerreißprobe darstellte, die im Übrigen noch lange nicht überwunden ist, ein immens wichtiges Bindeglied zwischen Mannschaft und Fans – wenn schon das Tischtuch zwischen Fans und Vereinsführung fast komplett zerschnitten schien.

Ihr rasches und deutliches Bekenntnis, mit dem VfB in die zweite Liga zu gehen, war beispielhaft, wenn auch leider nicht im erhofften Ausmaß Beispiel gebend, und hat Ihnen – genau wie Ihre Entscheidung, zu früh und noch zu verletzt auf den Platz zurückzukehren, um den Klassenerhalt zu sichern – viel Anerkennung eingebracht. Eine Anerkennung, von der ich glaube, dass Sie Ihnen wichtig ist, wichtiger als vielen anderen Fußballspielern, und wenn ich ehrlich bin, halte ich Anerkennung für einen zu schwachen Begriff. Es geht vielmehr darum, und mehr Pathos habe ich heute nicht zu bieten, in den Herzen der Fans zu sein.

Gewiss, Sie haben auch in der zweiten Liga eine Menge Geld verdient, und es wäre naiv zu glauben, dass der VfB so besonders wäre, dass Sie andernorts, wo auch immer ihr Weg Sie sonst hingeführt hätte, nicht auch eine ähnliche Bindung zu den jeweiligen Fans aufgebaut hätten. Sie interagieren mit den Fans, häufig bekommen Sie viel zurück. Manchmal kann man den Eindruck gewinnen, dass die Anerkennung, um zu diesem neutralen Begriff zurückzukehren, von Seiten der Fans in Ihrer Prioritätenliste möglicherweise einen Tick zu hoch angesiedelt ist. Das macht sie sympathisch, mir zumindest, aber ich zweifle, ob es Ihrem fußballerischen Fortkommen immer zugutekam.

Ich sagte zuvor, Sie hätten meine hohen Erwartungen in mancherlei Hinsicht erfüllt. In sportlicher Hinsicht war dem leider nur bedingt so. Ich sah sie ohnehin ungern als Rechtsverteidiger, einfach weil ich Sie noch aus Ihrer ersten Meistersaison vor Augen hatte, speziell damals, in Leverkusen, Sie wissen schon. Doch leider waren Sie nicht mehr auf diesem Niveau, und, nicht zu vergessen, Ihre Mitspieler auch nicht. Ich erinnere mich an eines Ihrer ersten Spiele im VfB-Trikot, als Sie von einem Ihrer Mitspieler in eine ganz akzeptable Schussposition gebracht wurden, dann aber nicht abschlossen, sondern noch einmal Ihren Mitspieler einzusetzen versuchten, und vor meinem geistigen Auge spritzte Lukasz Piszczek in diesen Ball, den er dann von der Grundlinie nach innen spielen würde, fein vollendet von Shinji Kagawa. Ihr Stuttgarter Mitspieler war indes stehen geblieben. Tja.

Gerne hätte ich Sie weiter vorne gesehen. Mit der nötigen Spritzigkeit, mit Tempo und Dynamik, mit der Torgefahr, die sie einst ausstrahlten und in Stuttgart nur selten zeigten. Ihr Körper schien mir nicht in dem Zustand, dessen es dafür bedurft hätte, und wie groß Ihr Anteil an dieser Situation war, vermag ich nicht zu beurteilen.

Es wäre mir eine Freude gewesen, Sie noch einmal in bestechender Form für den VfB spielen zu sehen, zunächst in der zweiten und bald auch wieder in der ersten Bundesliga, dazwischen als Feierbiest, doch es wird weder mir noch vor allem Ihnen vergönnt sein, dieses Szenario zu erleben.

Und ja, ich bin enttäuscht, dass Sie es anscheinend, Verzeihung, verkackt haben. Ich bin sauer, weil Sie eine Dummheit begangen haben, die das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen brachte, anstatt einen Moment länger darüber nachzudenken. Vielfach habe ich gehört und gelesen, der VfB Stuttgart habe keine andere Wahl gehabt, als sich von Ihnen zu trennen. Vielleicht ist das so. Ich weiß nicht, was Sie genau getan haben, habe nicht die Informationen, die diesen Leuten vermutlich vorliegen, doch offenbar gibt es mindestens einen Aspekt an der Geschichte, der die Vereinsführung bewog, den Stab über Sie zu brechen. Ich hatte mir das nicht vorstellen können und hoffe nur (für sie) bzw. befürchte (für Sie), dass es dafür valide Gründe gibt.

So sehr ich mir übrigens von meinem Verein Transparenz wünsche, so dankbar bin ich ihm aktuell, dass er uns an dieser Stelle mit Allgemeinplätzen abspeist und Sie zu schützen sucht.

Lieber Kevin Großkreutz, ich war tief beeindruckt von Ihrer Entscheidung, sich vor der versammelten Presse zu der Trennung zu äußern und nicht durch die Hintertür zu gehen. Wegducken ist Ihre Sache nicht, dafür zolle ich Ihnen hohen Respekt. Aber mein Respekt ist ebenso irrelevant wie mein Mitgefühl, wie die Tränen, die ich, wie so viele andere, bei Ihrem Abschied nicht zurückhalten konnte.

Vielmehr wünsche ich Ihnen, dass Sie bei denjenigen, die Sie um Entschuldigung gebeten haben, bei denjenigen, die auch lange nach dem VfB und lange nach dem Fußball noch um Sie herum sein sollen, Gehör finden und gemeinsam wieder in eine bessere Spur finden. Alles Gute dafür!

Betrübt,
Ihr

@heinzkamke

WM-Trends 2014: Der Libero

Ja, der Libero hat einen Trend gesetzt. So einen kleinen zumindest. Mit seinem Blogstöckchen do Brasil. Und weil er mich so nett gefragt hat, mache ich auch gerne mit.

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Mein erstes bewusstes WM-Erlebnis war?

Deutschland-Tunesien am 10. Juni 1978. Und den Termin musste ich nicht einmal nachschlagen. Meine Eltern heirateten. Ja, offensichtlich hatten sie in Sünde gelebt. Muss ich mir auch immer wieder vor Augen führen.

Im Nebenzimmer lief das besagte Spiel, ein Grottenkick, der in einem angemessenen 0:0 endete, ich sprang immer wieder hin und her. Rummenigge schoss relativ knapp (aber ungefährlich) daneben, mir entfuhr ein kurzer Ausruf, den ich nicht mehr genauer bezeichnen kann, und die Umsitzenden ließen den kleinen Steppke wissen, dass der Rummenigge mit seinen roten Bäckchen doch gar nichts könne, oder, ganz konkret: “Ach, Bub, der Rummenigge ist doch ein Blindgänger.” Da hat er, sportlich betrachtet, auch nicht so ganz recht behalten.

78 verfolgte ich gleichwohl noch eher kursorisch, verstand weder vom Modus noch vom Spiel selbst besonders viel. 1982 war das dann etwas besser, und noch heute kann man mich nachts um vier wecken, um mich einen Elfmeter schießen Ole España singen zu lassen.

 

Mit welcher WM-Legende würde ich gern einmal Doppelpass spielen?

Puh, Legenden. Mit einem von denen, die ich selbst nicht mehr in ihrer Blütezeit spielen sah, weil ich genau das dann könnte: ihnen zusehen. Oder sieht der Deal gar keine Zeitreise vor? Falls doch: Beckenbauer vor allem, und Cruijff. Auch Eusébio. Pelé a priori nicht einmal so sehr, vermutlich würde er mich aber vom Gegenteil überzeugen. Zidane sowieso, aber klar: beim Doppelpass läuft es immer wieder auf Beckenbauer hinaus. Kleines dickes Kamke.

Oder sprechen wir vom verbalen Doppelpass abseits des Platzes? Dann nehme ich, Sprachbarrieren in pfingstlicher Stimmung ignorierend, zeitreisend, nicht zwingend bis in seine sportliche Blütezeit, Sócrates, eine faszinierende Gestalt. Oder, dann vermutlich etwas kürzer, Ronaldo, um ihn zu fragen, was da wirklich los war anno 1998.

 

Welchem TV-Kommentator werde ich bei der WM gerne zuhören?

Gerd Gottlob und Oliver Schmidt fallen mir als erste ein. Weil sie als Kommentatoren das verkörpern, was man sich, klassisch, von Schiedsrichtern verspricht: sie fallen nicht auf. Und das ist doch viel mehr als das, was von den meisten anderen zu erwarten sein wird. Das andere Ende der Skala braucht an dieser Stelle nicht weiter thematisiert zu werden.

Nachtrag: Mir war nicht bewusst gewesen, vielleicht hatte ich es vergessen oder er seine Herangehensweise verändert, dass sich Gerd Gottlob nicht entblödet, als Kommentator eines Spiels der deutschen Mannschaft regelmäßig in der Wir-Form zu sprechen, im Sinne von (fiktiv): “Da haben wir aber dem Gegner zu viel Raum gelassen.” Vor diesem Hintergrund ziehe ich meine Aussage zurück. Nein, ich höre ihm nicht gerne zu.

 

Die Iren haben sich für die WM am Zuckerhut leider nicht qualifiziert. Welchem weiteren Land drücke ich neben Jogis Jungs als »Zweitteam« die Daumen?

In der Gruppenphase gibt’s einige Zweit-, Dritt- oder auch Viertteams, einfach weil ich zum Beispiel lieber Chile als die Niederlande, lieber Südkorea als Russland oder auch lieber Klinsmanns USA als Portugal oder Ghana im Achtelfinale sähe.

Genereller betrachtet, hat mein Faible für die Franzosen chronische Züge, auch wenn es zwischenzeitlich auf harte Proben gestellt wurde und phasenweise zur Hassliebe mutierte, und dann natürlich Belgien, ewige Lieblinge seit Pfaff, Ceulemans (nicht Raymond) , Vanderelsteyckenbergh, van Moer, später Scifo. Und ja, irgendwie scho au die bereits genannten Südkoreaner. Können die eigentlich auf Italien treffen?

 

Zu Jogis Jungs: Meine beiden Lieblingskicker aus dem deutschen Kader sind?

Großkreutz. Seine, ja, Hingabe beeindruckt mich. Hatte ich hier auch schon das eine oder andere Mal thematisiert, dass ich ihn schätze und ihm manches (vermutlich mehr als anderen) verzeihe, auch (gerade?) abseits des Platzes. Rein sportlich gibt’s natürlich ne Menge Kandidaten. Müller und Özil in sehr hohem Maße, Khedira nicht nur aus lokalpatriotischem Antrieb.

Wenn ich mich aber entscheiden müsste, sagen wir für zwei Spieler, ihrer sportlichen Fähigkeiten wegen, dann für Lahm, der so unsagbar gut ist,

und für Götze, der so unsagbar gut ist, es aber noch nicht so oft zeigt, wie er könnte.

 

Wie weit kommen Jogis Jungs?

Ganz nach oben.

Klar ist da der Wunsch Vater des Gedanken. Der unmittelbare, klar, aber auch jener mittelbare, dass Herr Löw am 13. Juli eine ganz große Runde “in your face” ausgeben können möge. Was er so vermutlich nicht täte.

 

(Wenn nicht Jogis Jungs:) Wer wird am 13.07.2014 im Maracanã Weltmeister?

Ich kann mir gar nicht recht erklären, wieso ich bei dieser Frage nie an Argentinien denke, obwohl ich doch zu glauben weiß, wie stark sie sind. Und doch lande ich immer bei Brasilien, halbherzig, und vor allem bei Italien, auf die ich mich, müsste ich mich entscheiden, wohl festlegen würde, noch vor Spanien. Ach, und Belgien. Einen aus dem offen geheimsten Favoritenkreis Belgien, Chile, Kolumbien muss man wohl nennen.

Wobei so ein geschlechterübergreifendes japanisches Double schon was hätte.

Nichts hat sich geändert hier!

Als Kind des Bodensees hat man, speziell dann, wenn immobiliäre Eigentumsverhältnisse der Vereinfachung halber außen vor bleiben, per definitionem nah am Wasser gebaut. Ich bin da keine Ausnahme. Gleichzeitig vermute ich, dass die Wassernähe am Samstag im Hamburger Volkspark gar nicht sonderlich groß sein musste, um bei der Verlesung der HSV-Aufstellung (“Mit der [egal welche Nummer]: Hermann …” – “RIEGER!”)  ihrer metaphorischen Bedeutung gerecht zu werden.

Kurz: es war bewegend, und es war tränenreich, auch für einen Nicht-HSV-Fan, dessen Bezug zu Rieger sich darauf beschränkte, dass er, Rieger, ihn, den Nicht-HSVer, also mich, spätestens seit den frühen 80ern irgendwie begleitete, seitdem irgendwann mal irgendwo eine Notiz über den beliebten Bayern in Hamburg zu lesen gewesen war.

Im Lauf der Jahre schien seine Bedeutung, auch aus der Ferne betrachtet, immer weiter zu wachsen, wurde er gar mit dem zweifelhaften Attribut “Kult-” versehen, und erst vor ein paar Wochen frug ich mich, zufallsgetrieben, welche Mitglieder des medizinischen oder auch des sonstigen Betreuungsteams eines Bundesligisten bundesweit derart große Bekanntheit, weithin auch Beliebtheit, erlangt hätten. Abgesehen vom Münchner Arzt, der Rieger in Sachen Bekanntheit überragt, der aber auch außerhalb seines Vereins für den DFB tätig war und ist, fiel mir keiner ein. Na ja, egal.

Die Stimmung war bemerkenswert. Andächtig und sichtlich betroffen legten Hamburger Fans vor dem Spiel Blumen vor Uwes Fuß ab (bestimmt auch andernorts; ich nahm es eben dort wahr), sie zündeten Kerzen an, drapierten Trikots und Fahnen, um Riegers zu gedenken, und nicht wenige Dortmunder gesellten sich zu ihnen, wie auch schon während der Woche immer wieder Fußballfans verschiedenster Couleur per Twitter und sonst wo ihre Anteilnahme und ihre Wertschätzung zum Ausdruck gebracht hatten. Auch das hat mich ein bisschen angefasst, und das Bild, der Begriff von der Fußballfamilie, der so gerne mal in unsäglichen Kontexten bemüht wird, ging mir mehr als einmal durch den Kopf.

Hut ab, Ihr HSV-Fans, das habt Ihr gut gemacht! Ich weiß es zu schätzen, dass ich dabei sein und auch was hochhalten durfte.

Dass ich dabei war, hat zunächst einmal private Gründe, die mich am Wochenende nach Hamburg verschlugen, und ist dann natürlich der lieben Frau @astiae zu verdanken, die mich bedenkenlos neben Herrn @maik216 stehen ließ, einem sehr angenehmen Nebensteher, übrigens, den ich gerne weiterempfehle, und ehrlich gesagt bin ich ganz guter Dinge, das Vertrauen gerechtfertigt zu haben:

Ich stand, wenn auch aus egoistischen, fußballinteressierten Gründen, verlässlich mit auf, wenn die HSV-Fans dazu aufgefordert wurden, setzte mich dann, wider meine Natur, wieder hin, um niemandem die Sicht zu nehmen, und klatschte, wenn ein Tor fiel. Dass dies nur zugunsten des HSV geschah, war meiner sportlichen Zufriedenheit ab-, meinem sonstigen Wohlbefinden möglicherweise zuträglich.

Und so kann sich die Bilanz des HSV in meinem Beisein in dieser Saison leider wahrlich sehen lassen: zwei Spiele, sechs Punkte. 7:0 Tore. Und zwei Freistoßtore von Çalhanoğlu. Und schon vom ersten hatte ich so sehr geschwärmt.

Dabei hatte es am Samstag anfangs gar nicht mal schlecht ausgesehen:

“NICHTS hat sich geändert hier!”

So zumindest  lautete die deutliche Ansage eines Herrn schräg vor mir, die Stimme erregt, das Idiom norddeutsch – hanseatisch, wage ich zu sagen –, als ein Hamburger Spieler einem anderen Hamburger Spieler nicht die notwendige Hilfe zukommen ließ, der Ball den Besitzer wechselte und bereits nahezu zwanzich Minuten gespielt waren. Da war er also schon verpufft, der Neue-Besen-Effekt, und dieser Slomka ist ja auch nur ein Fink mit weniger eng sitzenden Hosen, ein van Marwijk mit Pulli statt Schal, ein Cardoso mit Vertrach, Sie wissen schon.

All das sagte er natürlich nicht, also all das letzte. Das erste schon, und die Ungeduld, die in seiner Stimme lag, die ich, wenn schon nicht als Verzweiflung, so doch als Ausdruck großer Sorge interpretiert hätte, oder vielleicht auch nur als Lust am Nörgeln, wer weiß das schon, sie schien nicht einmal völlig unbegründet: der HSV hatte den Gästen aus Dortmund zunächst das Spiel überlassen, was diese gern annahmen. Ohne allerdings so recht zu wissen, was sie damit anfangen sollten. Offensichtlich hatten sie die rechte Hamburger Abwehrseite als Schwachstelle ausgemacht – ob das dem ursprünglich aufgestellten Dennis Diekmeier oder dem nachgerückten Heiko Westermann geschuldet war, sei dahingestellt –, hatten aber mit Großkreutz und Schmelzer keine linke Seite, die ernsthaft in der Lage gewesen wäre, Taten folgen zu lassen.

Überhaupt, Großkreutz: der soll gefälligst rechts hinten spielen, da brauchen “wir” ihn bei der WM schließlich auch. Denken Sie mal an die Nationalelf, Herr Klopp, Mann!

Ob Aubameyang rechts vorne in der Lage gewesen wäre, Jansen in Verlegenheit zu bringen, wollte der BVB gar nicht erst herausfinden, was, um der Wahrheit die Ehre zu geben, zumindest zum Teil auch am HSV-Mittelfeld gelegen haben mag, das die Antwort lieber auch nicht in Erfahrung bringen wollte und entsprechend beherzt zu Werke ging. Dass Nuri Sahin damit so gar nicht zurechtkam, hätte ich nicht erwartet. Kein Zufall, dass er das entscheidende 2:0 begünstigte, als er im Zweikampf den Kürzeren zog.

Vom titelgebenden Vordermann hörte man dann doch nicht mehr so viel. Hatte sich ja auch einiges geändert. Ob das nun doch noch der besagte Neue-Besen-Effekt war, wird sich zeigen; ich persönlich fühle mich indes leider bestätigt, dass die Entscheidung des HSV für Mirko Slomka (oder war’s andersrum?) dem VfB sehr weh tun könnte. Und damit meine ich nicht, dass Slomka vom Markt ist, auch wenn ich mich mit ihm schon verschiedentlich hätte anfreunden können, sondern vielmehr, dass er einen unmittelbaren Konkurrenten, so meine Überzeugung, aus der Abstiegszone führen wird.

Ob indes der Trainermarkt für den VfB von Belang ist, werden vermutlich die nächsten Tage zeigen. Die Spekulationen schießen schon einmal ins Kraut, neben den perspektivischen Lösungen Rangnick und Tuchel, die gedanklich etwa so fern liegen wie dereinst Daum in Köln, wurde auch schon Holger Stanislawski ins Spiel gebracht, der bei mir seit einigen Jahren unten durch ist, aber das will ja keiner wissen.

Ich selbst bin keineswegs so weit, mir die Ablösung von Thomas Schneider zu wünschen, was jedoch nicht nur mangels Einfluss nichts zu sagen hat, sondern auch, weil ich nur äußerst selten die Ablösung eines Trainers für die beste Lösung halte oder gar, meiner Hybris gehorchend, fordere. Wenn man von den letzten beiden hiesigen Übungsleitern und dem sich daraus ergebenden Trendverdacht absieht. Vom jüngsten Spiel habe ich zudem so gut wie nichts gesehen, genau genommen also von den jüngsten beiden, und so kann ich aus recht widersprüchlichen schriftlichen Medienberichten zum Auftreten der Mannschaft gegen die Hertha nicht ableiten, ob denn nun alles gut wird oder doch eher den Bach hinab geht.

Nun denn, ich lasse es auf mich zukommen. Ein bisschen Sorge bereitet mir allerdings jenes Bild im Kopf, das ich nicht mehr recht loswerde und das Fredi Bobic in gemütlicher Runde mit ein paar Kumpels um einen Kneipentisch herum sitzen sieht, ungefähr so, wie ich mit meinen Fußballfreunden mittwochs um einen Kneipentisch herum sitze, und in dem besagter Bobic mit besagten Kumpels, just wie besagter Kamke mit besagten Fußballfreunden, willkürlich ein paar Trainernamen in die Runde wirft. Irgendwann zieht dann ein besonders gut vorbereiteter Mitstreiter ein Mobiltelefon mit Transfermarkt-App aus der Tasche, um dem Ganzen das nötige Maß an Seriosität zu verleihen. Bis letztlich Erich Ribbeck aus dem Sack gezogen wird. Oder, was weiß ich, Trond Sollied, der hier schließlich mal ein ganz heißes Eisen war.

Team Schneider.

Ach, auf eines möchte ich doch noch hinweisen: wann immer ich den HSV in dieser Saison live sah, siegte die Heimmannschaft überzeugend. Am 22. März ist es wieder so weit.
Im Neckarstadion.

Überraschung auf der Mittagsspitze

(Damüls, 25.12. 2013.) Am ersten Weihnachtsfeiertag wartete Bundestrainer Kamke mit einer Überraschung auf, die das Attribut “faustdick” wahrlich verdiente. Im Rahmen einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz stellte er auf der Damülser Mittagsspitze, deren symbolische Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, ohne dass Kamke näher darauf eingegangen wäre, ungewöhnlich früh seinen Kader für die Weltmeisterschaft in Brasilien vor.

“Der mediale Druck, der mit zunehmender Nähe zum FIFA-Benennungstermin aufgebaut wird, ist schwer zu ertragen und letztlich unmenschlich. Deshalb kam ich gemeinsam mit meinem Kompetenzteam zu dem Schluss, ein selbstbewusstes Zeichen zu setzen und den Kader bereits heute zu nominieren,” erläuterte Kamke, der mit diesem bemerkenswerten Vorgehen seinerseits einen gewissen Druck auf die anderen 31* Nationaltrainer ausübt, gleichzeitig aber betonte, dass man im Verletzungsfall “natürlich noch was machen” könne.

Der Bundestrainer informierte zudem über sein innovatives Auswahlsystem, das auf dem gleichermaßen intensiven wie formal strikten Austausch mit etwa 25 Ratgebern beruht, denen Kamke sein vollstes Vertrauen aussprach. Im Ergebnis änderte sich trotz des neuartigen Ausleseprozesses zumindest insofern nichts, als auch für 2014 das eine oder andere Aha-Erlebnis bei der Kaderzusammensetzung herauskam, sowohl bei den Mitfahrern als auch bei den Daheimbleibenden.

Der aus Sicht der Redaktion sehr ausgewogene Kader setzt einige deutliche Fragezeichen. Insbesondere auf der Torhüterposition betreibt man ein gefährliches Spiel, nachdem zunächst Manuel Neuer (wie übrigens weiter vorne auch Mario Gomez) lediglich en passant und keineswegs explizit genannt wurde, ehe Marc-André ter Stegen, der vermeintlich dritte, dann unter Umständen sogar zweite Mann, in letzter Sekunde Zeile herausgestrichen wurde. Hier dürfte Kamke noch nachbessern (müssen), will er sich nicht allein auf den unerfahrenen Weidenfeller verlassen.

Auch in der Abwehr fehlen einige Namen, fehlt insbesondere ein linker Verteidiger. Kamke ließ sich diesbezüglich zu keinen konkretisierenden Äußerungen bewegen, sodass unter Experten drei Theorien kursieren: entweder wolle der Bundestrainer die in Dortmund bereits erfolgreich praktizierte Dreierkette einführen und sich keinen vierten Mann schnitzen, oder er verlasse sich schlichtweg auf den Umstand, dass in einem Kader mit den Herren Lahm und Großkreutz jede Position von vornherein doppelt besetzt sei. Theorie Nummer drei klingt eher abwegig und lässt sich auch nur schwer in Worte fassen, ließe sich aber möglicherweise mit “Westermann” umschreiben.

Im Mittelfeld tauchen nicht nur die Langzeitverletzten Sami Khedira und Ilkay Gündogan nicht auf, sondern unter anderem auch Draxler und die Benders sowie, für den einen oder die andere vielleicht ein bisschen überraschend, Kroos und Özil. Kamkes Beratungsgremium hatte ihn von einer etwas anderen Schwerpunktsetzung und insbesondere Altersstruktur überzeugt, die gerade bei einer Weltmeisterschaft den Unterschied ausmachen kann. Anstelle der jungen Leute, die die Fußballwelt verzaubern, aber immer noch nichts gewonnen haben, entschied sich der Bundestrainer neben einem kleinen Bayern-Block (nur eben ohne den als Turniernörgler verschrieenen Kroos) für die alten Fahrensmänner Fabian Boll, Torsten Mattuschka und Mehmet Scholl.

Ganz vorne setzt Kamke ein Zeichen. Entgegen dem Trend, die Spitze auszudünnen, nominierte er erstmals sieben Angreifer – ein Wert, den selbst Erich Ribbeck nicht erreichte. Naturgemäß fehlt angesichts dieser Zahl keiner der üblichen Verdächtigen. Klose ist auf der Liste, Gomez (mit Fragezeichen, vgl. Neuer), auch Kruse und natürlich Kießling, der sich aus Sicht des Beratungsgremiums allerdings etwas verkriechen werde. Eher überraschend sind indes die Nominierungen der Nachwuchsstürmer Volland und Werner, denen nicht nur Kamke selbst eine bemerkenswerte Rolle zutraut, während die Entscheidung für Jürgen Klinsmann unter den urbanen Mythos die Rubrik “Schwächung des Gegners” fallen dürfte.

Der ungewöhnlichste Aspekt, neben dem frühen Zeitpunkt, war sicherlich die Entscheidung, nicht nur den Spielerkader zu benennen, sondern darüber hinaus auch gleich zwei Schiedsrichter an die FIFA zu melden – auch dies ein möglicherweise beispielloses Vorgehen, das “nicht mit dem fußballkulturellen Code in Einklang zu bringen” sei, so Kamke, der diesen Begriff wohl irgendwo aufgeschnappt, ihn aber außerhalb des passenden Kontextes verwendet haben dürfte. Er meinte wohl eher das FIFA-Regelwerk, und in der Tat bleibt abzuwarten, ob tatsächlich die Herren Dr. Brych und Stark an den Zuckerhut reisen werden.

Abschließend dankte der Bundestrainer seinem Kompetenzeam für die kreativ-disziplinierte Mitwirkung, “die mit dem Begriff ‘Zuarbeit’ gewiss nicht angemessen gewürdigt wäre. Vielmehr ist durch die Vielfalt der Beiträge ein Gesamtbild entstanden, das meine kühnsten Erwartungen übertroffen hat und das einzig und allein dem Fachwissen und der Originalität meiner Ratgeberinnen und Ratgeber zu verdanken ist. Ich bin ein bisschen gerührt.

Der Kader im Überblick:

Tor:
Weidenfeller, (Neuer),  ter Stegen

Abwehr:
Boateng, Großkreutz, Hummels, Lahm, Mertesacker, Westermann,

Mittelfeld:
Boll, Götze, Mattuschka, Müller, Reus, Scholl, Schweinsteiger,

Sturm:
Kießling, Klinsmann, Klose, Kruse, Volland, Werner, (Gomez)

Schiedsrichter:
Dr. Brych, Stark

* Wir bitten angesichts der sprichwörtlichen heißen Nadel, mit der der obige Text gestrickt wurde, um Nachsicht für den Fehler, der sich eingeschlichen hat, den wir aber der Authentizität halber unverändert belassen wollen. Tatsächlich handelt es sich nicht um 31 andere Bundestrainer, sondern um 31 Millionen.

Stets pünktlich und bemüht

“Wenn ich sehe, dass jemand sehr akribisch arbeitet, sich aufopfert im Job und ambitioniert ist, dann decke ich ihm mit Überzeugung den Rücken.”

Das sagte Fredi Bobic vor dem letzten Bundesligaspieltag der Schwäbischen Zeitung, und er meinte Bruno Labbadia. Er sagte auch noch einiges mehr, zum Beispiel, dass Labbadia oftmals jungen Spielern “anhand von TV-Analysen zeigt, was sie besser machen können … das sind Dinge, die nicht mal der ein oder andere sogenannte Konzepttrainer macht.”

Nun weiß ich nicht genau, wen Bobic mit den sogenannten Konzepttrainern meint, und weiß demzufolge erst recht nicht, was diese in ihrer täglichen Arbeit so tun. Im Grunde würde es mich überraschen, wenn sie ihren Nachwuchsspielern nicht in Form von Videoanalysen den Spiegel vorhielten, aber Bobic wird schon wissen, was er sagt. Den obligatorischen Hinweis, dass ich noch immer hoffe, auch Bruno Labbadia orientiere sich an einem Konzept, erwähne ich nur der Vollständigkeit halber.

Ein bisschen erinnert mich das Interview an einen Arbeitgeber, der einem scheidenden Mitarbeiter ein gutes Zeugnis mit auf den Weg geben möchte, sich dabei aber ein wenig verheddert. Bobics Wertschätzung für den Trainer klingt durch, er geht auf die Rahmenbedingungen und Labbadias unbestrittene Verdienste ein, und doch: akribische Arbeit? Opfert sich im Job auf? Ist ambitioniert? War er vielleicht sogar pünktlich? Stets bemüht?

Sicher, ich übertreibe. Gewiss, ich habe selektiv zitiert. Aber so’n bisschen mehr über relevante Qualitäten des Trainers hätte er schon sagen können, so er sie denn sieht. Verzeihung, relevant ist Akribie schon. Auch Pünktlichkeit ist relevant. Notwendig, sogar. Nur nicht hinreichend. Die Weiterentwicklung junger Spieler und eine eigene Handschrift (wenn es denn eine geeignete wäre) könnten indes hinreichend sein. Leider liefert jedoch das Interview keine hinreichende Erklärung der Handschrift. Dabei wäre sie notwendig. Im Gegensatz zu diesem verqueren Absatz.

Vermutlich würde auch Bruno Labbadia unterschreiben, dass er mit der Handschrift, die man am Samstag möglicherweise hätte erahnen können, nicht in Verbindung gebracht werden möchte. Bei Thomas Tuchel, dessen Mannschaft einen Fußball spielte, der auf mich wesentlich strukturierter, vielleicht auch intelligenter, was immer das heißen mag, wirkte, könnte das anders sein. Er dürfte sich die durch das Mainzer Tun insbesondere zu Spielbeginn offenbarte Handschrift gerne – und zurecht – zuschreiben lassen. Dass den Mainzern die Stuttgarter Trägheit dabei wunderbar in die Karten spielte, ist unstrittig. Und dass Trägheit nicht unbedingt zu den Eigenheiten von Labbadias Handschrift zählt, will ich ihm hier gerne zugestehen. Die Mannschaft war einfach im Kopf nicht ganz da, und ich kann es ihr nicht einmal verdenken.

Dann bekommt man halt ein Tor, nachdem ein eigener Innenverteidiger zunächst noch an der Mittellinie protestierte, anstatt gegen den Ball zu spielen, ein Tor, bei dem 4 oder 5 Weiße den im Grund schon nicht mehr gefährlichen Angriff zu leichtfertig laufen lassen und zwei Blauen beim Torschießen zusehen. Dann bekommt man eben ein zweites Gegentor, bei dem einige keine gute und der Torwart eine, nun ja, lustige Figur abgeben. Jener Torwart, der zuvor schon Glück hatte, nicht vom Platz gestellt zu werden, als er einen Ball völlig falsch eingeschätzt und außerhalb des Strafraums mit der Hand gespielt hatte, und der sich kurz darauf einen hohen Ball selbst ins Netz statt über die Latte gelöffelt hätte, wäre ihm nicht ein Verteidiger zur Seite gesprungen. Wird bestimmt alles besser in Berlin.

Immerhin: man wehrte sich, spielte zwar noch immer verdammt viele Fehlpässe oder schaffte es, wie Gotoku Sakai, drei oder vier Bälle völlig unbedrängt bei der Annahme ins Aus springen zu lassen, zeigte aber auch, dass man das Spiel gelegentlich schnell machen und dann auch konsequent abschließen kann (Boka!). Faszinierend die zweite Hälfte, als man sich wünschte, dass wenigstens eine der beiden Mannschaften in der Lage wäre, mal einen schnellen Angriff – Räume waren im Überfluss vorhanden – konsequent zu Ende zu spielen. Kurz: ein typisches letztes Saisonspiel bei nahezu entsprechenden Temperaturen.

Typisch für einen letzten Spieltag war auch das Geschehen auf den anderen Plätzen. Tore im Minutentakt, speziell in der ersten Hälfte, entschädigten für vieles, was man im Neckarstadion an Aktivität und Attraktivität vermisste, und ein bisschen fühlte man sich wie in der guten (?) alten Radiokonferenz. Champions League, Europa League, Abstieg – es ging hin und her, die Spannung war groß, die Ereignisse zahlreich, die Präferenzen im Stadion deutlich vernehmbar. Bei Schalke und Freiburg schienen sich viele schwer zu tun, Frankfurt hatte wohl leichte Vorteile gegenüber dem HSV, nur bei Hoffenheim schien sich der Großteil der Zuschauer in seiner Aversion einig. Umso spannender, dass sich gerade dort die Ereignisse zum Ende hin überschlugen, sodass die Fans, die das Treiben ihres VfB über weite Strecken vergleichsweise teilnahmslos verfolgten, auf diesem Wege einige Aggressionen loswerden konnten.

Nach dem Spiel äußerte ich meine Begeisterung über das nachmittägliche Geschehen via Twitter:

– was, nicht nur aus Sicht der gerade Abgestiegenen oder anderweitig Gescheiterten verständlich, keine uneingeschränkte Zustimmung erfuhr. Gleichwohl: solche Geschehnisse, gerade die in Dortmund, sind es doch, die einen ganz erheblichen Teil dessen ausmachen, was uns am Fußball so fasziniert. Freiburger Fans werden ihren Enkeln dereinst davon erzählen, wie Julian Schusters kurioses Eigentor die erste Champions-League-Qualifikation ihres Vereins verhinderte (wobei: möglicherweise erzählen Freiburger Fans ihren Enkeln auch auf Jahrzehnte hinaus nur von Christian Streichs Pressekonferenzen), und den nächsten Generationen Hoffenheimer Anhänger (hier darf sich jeder, dem so etwas gefällt, gerne einen beliebigen Witz mit den Schlagworten Hoffenheim, Fans, Tradition und Hopp denken) könnten, ein erfolgreiches Bestreiten der Relegation vorausgesetzt, ob der Namen Gisdol, Schipplock, Salihovic und nicht zuletzt Großkreutz irgendwann die Ohren bluten.

Ich selbst bin, um damit nicht hinter dem Berg zu halten, recht zufrieden mit dem Ausgang des letzten Spieltags. Ich freue mich, dass Frankfurt und Armin Veh für ihre starke Saison belohnt wurden. Freiburg hätte ich Platz vier gegönnt, verhehle aber nicht, dass auch Jens Kellers Weg mit den Schalkern aller Ehren wert ist. Dass ich letztlich ohnehin jede Platzierung, die man nach 34 Spielen erreicht, für verdient halte, wissen diejenigen, die hier mit einer gewissen Regelmäßigkeit mitlesen, ohnehin.

Und so verneige ich mich ziemlich tief vor Markus Weinzierl und seinen Augsburgern, bedaure die Düsseldorfer Fans, deren Verein zu lange eine zu schlechte Figur abgegeben hat, um bei mir einen nennenswerten Abschiedsschmerz auszulösen, und beglückwünsche Hoffenheim, das nicht nur den Trend und möglicherweise ein wenig den Spielplan zum Freund hatte, das auch nicht nur die sich bietende Chance entschlossen beim Schopf packte, sondern das auch seit Wochen Anzeichen einer einkehrenden Vernunft und entsprechenden Neuorientierung aussendet. Dass mich ganz nebenbei auch die Bayern mit ihrer überragenden Saison beeindruckt haben, ergänze ich gerne, auf all die anderen will ich jetzt nicht weiter eingehen.

Kurz eingehen möchte ich aber noch auf die VfB-Spieler, die sich mit einem sehr gelungenen Video bei den Fans bedankten (wie mittlerweile wohl jeder weiß):

Interessant, wie sie sich am Spieltag nach der Ankündigung des Videos im Mittelkreis sammelten, in – wie ich meine – gespannter Erwartung der Reaktion derjenigen, die sie da porträtierten (der Umstand, dass mir kein passendes Verb aus der Wortfamilie der »Hommage« bekannt ist, ersparte mir die Entscheidung, ob ich das Porträt vielleicht gar zur eben genannten erheben solle), in gespannter Erwartung, wie sie Kindern eigen ist, die etwas für ihre Eltern gebastelt haben und eigentlich wissen, dass diese begeistert reagieren werden, die aber doch, wegen irgendeiner Kleinigkeit (Mamas gute Stoffreste verwendet?), einen Ticken © Nervosität verspüren. Was natürlich völlig unnötig ist.

Was mir tatsächlich am besten gefallen hat: die Trikotvielfalt. Cacau mit diesem furchtbaren goldstichigen Göttinger-Gruppe-Verbrechen, Röcker als Verlaat, dann natürlich Südmilch, selbst das weinrote Gazi, Ulreich im gelben debitel – fast wie im richtigen Leben, die einfache Variante mit aktuellen Trikots (und dem aktuellen Sponsor) vermeidend.

Und am allerbesten, einmal mehr: Martin Harnik. Ich hatte überlegt, diesen Text ganz anders zu schreiben, unter der Überschrift “Ode an Martin Harnik”. Allein: ich weiß nicht, wie man eine Ode schreibt. Sagte ich hier übrigens schon einmal, in anderem Zusammenhang. Irgendwann muss ich mich wohl doch mal daran versuchen. Bis dahin sammle ich einfach weiterhin öffentliche Auftritte von und mit Martin Harnik, mit dem Wunsch, dass sie jedem anderen Berufsfußballspieler zum Selbststudium ans Herz gelegt werden mögen. Könnte allerdings auch deprimierend werden.