In Fußballkabinen wird eher selten gereimt. Es sei denn, wir sprächen über Trinksprüche, die sich in aller Regel sehr wohl reimen und gelegentlich auch einem Versmaß folgen; auf ein exemplarisches Zitat sei an dieser Stelle verzichtet. Aber sonst? Eher keine Reime. Nicht einmal Fünfzeiler, die mitunter nicht allzu weit von Trinksprüchen entfernt sein dürften.
Was man häufiger sieht, nein: hört, sind Gesänge. Laute, einschlägige Gesänge. Irgendwie mochte ich das immer ganz gern. Sang mit, auch wenn die Verbreitung in meiner Generation schon deutlich nachgelassen hatte im Vergleich zu dem, was ich als Steppke nach den Spielen meines Vaters – phasenweises jugendliches Kabinenprivileg – so erlebt hatte: Ja, unsre Verteidger, die Trottoir-Beleidger, die ham uns das Spiel heut verlorn.
Bereits viel früher, die Mitglieder des Teams der 5. Wilmersdorfer Volksschule werden sich erinnern, hatten im Siegestaumel angestimmte Fußballlieder literarische Spuren hinterlassen: Sieben Tore haben wir geschossen, vier haben wir reingekriegt [von den Spandauern], wir haben die Ehr’ gerettet, verloren haben wir nicht. Kannte ich aber schon bei der ersten Lektüre nicht und müsste hinsichtlich der Melodie auch heute noch raten. So wie ein jeder, der mich singen hört, hinsichtlich der Melodie tendenziell raten muss, aber das ist ein anderes Thema.
Viele Jahre später sangen wir vom FCB (ja, der hieß halt so), dem Meister aller Klassen. FCB, ja, FCB, wenn Du spielst, dann muss ich passen [was auch immer das bedeuten mag, anderswo wird’s, das förderte eine bemerkenswert ertragreiche Kurzrecherche zutage, anders gesungen]. FCB, wenn ich Dich spielen seh’, fällt mir das schönste Spiel von Schalke wieder ein, es könnt’ auch Bayern München sein. Es ist nicht völlig abwegig, dass das Lied statt mit FCB auch mit SVP, SCG oder manch anderer Kombination funktioniert haben könnte.
Die Gesänge waren also selten individuell, selbst dann, wenn es um mehr oder weniger offizielle Vereinshymnen ging. Schwarz und grün, wie lieb ich Dich … Oder blau und weiß, wie es dem Vernehmen nach im Original heißt. Grün und weiß. blau und gelb, rot und schwarz, Hauptsache, die Mädchen kleiden sich so.
Gemeinsam mit den nach meiner nicht fundierten Wahrnehmung dedizierten Fußballliedern machten fußballspezifische Umdichtungen (TSV wird Meister, soundso wird Zweiter, blabla wird nur Dritter, oh wie ist das bitter, kling, Glöckchen, …) das Gros der Werke aus, aber auch andere Kontexte genossen eine gewisse Beliebtheit. Exemplarisch sei auf das Lied vom Puff von Barcelona verwiesen, das die Sehnsucht der 70er Jahre nach südländischem Flair, nach Sonne und Strand bedienen sollte, glaube ich.
Verzeihung, kein schönes Beispiel. Und ein ziemlich doofes Lied, um es freundlich auszudrücken. Aber der Süden war tatsächlich ein Thema, zum Teil ohne direkten Fußballbezug, zum Teil auch mit, wenn wir an die Abwehr aus Granit denken, die einst Real Madrid ausgezeichnet hatte. Schlager mischten sich unter die Fußballlieder, Dieter Thomas Kuhn tat in den 90ern seinen Teil dazu, sodass allerorten gute Freunde von niemandem getrennt werden konnten; man wollte nie mehr was an einem Sonntag anfangen, dafür aber der Knopf an Deiner Bluse sein. Sowas setzt sich im Kopf fest. Je trivialer die Texte, je hanebüchener die Reime, desto hartnäckiger blieben die Zeilen hängen.
So hartnäckig, dass man viele Jahre später, den Fußball und das Leben aus nicht näher bestimmten Gründen nach Fünfzeilern absuchend, das eine oder andere in mancherlei Hinsicht diskutable Mash-up generiert. So wie man gelegentlich nagenden Gewissens wagt, sich an lyrischer Hochkultur zu vergreifen – an dieser Stelle bitte ich nochmals um Nachsicht dafür, Heines Teetisch oder auch Rilkes Panther nachgerade verwurstet zu haben – , so entstehen eben auch Mixturen mit Werken, die näher am anderen Ende der kulturellen Skala liegen.
Exemplarisch sei ein Gesangsstück genannt, dem man sowohl inhaltlich als auch unter reimspezifischen Gesichtspunkten guten Gewissens eine gewisse Plumpheit attestieren darf, das mich aber seit Monaten immer wieder heimgesucht hat, wenn ich mit dem Gedanken spielte, ein paar Zeilen zu einem im Ausland aktiven Nationalspieler niederzuschreiben. Äußere Umstände läuteten kürzlich das Ende dieses liebgewonnenen inneren Dialoges ein und resultierten in der Veröffentlichung ebenso plumper fünf Zeilen:
♫ Einst spielt’ ich für Spanisch Madrido,
hatt’ die Hand stets am weiblichen Trikot. ♫
Unser Präses war prüde,
ich des Kopfschüttelns müde.
Seither stellt er mich dar wie so’n Sicko!
Faszinierend. 4000 erläuternde Zeichen, bloß weil einem ein möglicherweise nicht allzu bekanntes, ähem, literarisches Zitat so unangenehm ist, dass man die Herkunft erklären zu müssen glaubt.