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42. Dabei habe ich noch nicht einmal eine Frage gestellt. Aber mir fällt eine passende ein:

Wie viele Tore hat Michael Ballack für die deutsche Fußballnationalmannschaft erzielt?

42. Als Mittelfeldspieler. Wahnsinn. Aber das wissen wir ja ohnehin alle. Natürlich wissen wir auch, dass das eine oder andere wichtige Tor dabei war. 2002 natürlich. 2008, mit dem Bild, das um die Welt ging. In 20 Fällen schoss er das erste deutsche Tor, 15 mal das 1:0. 13 mal das 1:0 in Pflichtspielen. Eine fantastische Bilanz. Sag ich mal so, ich hab sie nicht mit anderen verglichen.

Der Weltstar des deutschen Fußballs der letzten Dekade. Vielleicht nicht der einzige – Oliver Kahn war auch noch da, und wenn man die Weltmeisterschaften als Maßstab nimmt, muss man wohl auch noch Miroslav Klose nennen -, aber doch der, der am hellsten strahlte. Er ist nicht der erste Weltstar, der keinen großen internationalen Titel gewann, und er wird auch nicht der letzte sein. Das kann man hämisch kommentieren, er wird es verkraften.

In den letzten Jahren lief nicht mehr alles so rund. Bei Chelsea hatte er nicht den Heldenstatus früherer Jahre, verpasste auch dort den ganz großen Wurf, und doch war er auch weiterhin der Fixpunkt in der deutschen Nationalmannschaft, ging 2008 voran und sollte 2010 noch einmal den Ton angeben.

Ob das gut gewesen wäre: wir wissen es nicht. Doch es kam anders. Bitter war das, erst die Verletzung, dann die Erkenntnis, dass er nicht mehr dazu gehört.

Was folgte, war ein Eiertanz. An dem er wohl nicht ganz unbeteiligt war, indem er die mediale Klaviatur ganz gut (oder eben nicht) spielte. Und dessen zweiter Protagonist, Joachim Löw, zu lange nicht recht wusste, ob er den bewährten Tanzpartner schon aufs Altenteil schieben konnte oder ob er ihn vielleicht doch noch einmal brauchen würde. Ein unwürdiges Schauspiel, das Michael Ballack nur noch bedingt beeinflussen konnte. Sicher, er hätte zurücktreten können. Aber hey, er ist Sportler. Er will spielen, und zwar auf der ganz großen Bühne. Ich finde das gut.

Heute wurde das Spektakel beendet. Und ich gebe zu, dass mich die eine oder andere Reaktion irritiert hat. Formulierungen wie “wir sind Ballack los” und die in diesem Zug vermittelte Feiertagslaune, wie bei Twitter gelesen, kann ich nur schwer nachvollziehen. Keine Sorge, ich weiß, dass Twitter ein schnelles, pointiertes Medium ist, bei dem man manchmal auch etwas spitzer formuliert, als man es bei langer Überlegung tun würde. Das passiert. Mir auch. Manchmal bekommt man auch einfach etwas in den falschen Hals, missinterpretiert. Geht mir hin und wieder so. Aber der Geist, der an der einen oder anderen Stelle durchschimmerte, dieses gefühlte “endlich ist der Alte weg”, den glaube ich schon richtig erkannt zu haben, und er gibt mir zu denken.

Es geht mir nicht darum, dass Michael Ballack wieder für die Nationalmannschaft spielen sollte. Die Zeit ist vorbei, die Entscheidung von Herrn Löw halte ich für richtig und lange überfällig, und wenn Ballack nächste Saison doch wieder groß aufspielen sollte, dann ist es halt so, dann wird man sehen, ob die Situation neu erörtert werden muss. Aber daran glaube ich nicht.

Es geht mir vielmehr um die Frage, ob mit Michael Ballack fair umgegangen wird, oder ob er bloß vom Hof gejagt wird. Von uns Fans. Und ein wenig habe ich den Eindruck, dass an der einen oder anderen Stelle letzteres geschehen soll. Das finde ich bedauerlich. Ich will nicht sagen, dass er die Nationalmannschaft durch die letzten 10 Jahre getragen hat. Aber ohne ihn wär’s verdammt schwer gewesen, international annähernd konkurrenzfähig zu bleiben. Gewagte These? Vielleicht. Letztlich auch egal.

Jahrelang habe ich mit ihm gefiebert, in vielen Fällen war er derjenige, in den ich mangels Alternativen all meine Hoffnung gesetzt hatte. Mit Erfolg, möchte ich sagen. Damals, 2002. 2008 schon weniger, da gab’s auch schon andere Hoffnungsträger. Am stärksten in Erinnerung blieb mir aber die Qualifikation zur WM 2002. Die Relegationsspiele gegen die Ukraine, als Deutschland erstmals in der Qualifikation zu scheitern drohte. Sein 1:1 in Kiew. Sein 1:0 in Dortmund, 3:0 führte man nach einer Viertelstunde, und Ballack setzte noch das vierte drauf – 3 von 5 Treffern, als es drauf ankam. Chapeau, Herr Ballack.