Respekt.

Lucien Favre verhält sich respektlos, indem er einem Spieler nach der Vorbereitung sagt, dass er wohl nicht gut genug sei. Dessen Namensvetter findet den eigenen Abschied ebenfalls respektlos – der Trainer hat sich gegen ihn entschieden, ohne ihn vorher zu fragen. Die Schiedsrichter behandeln nicht nur die Trainer respektlos, sondern mitunter auch die Spieler (“wie kleine Kinder“). Verdienten Nationalspielern steht sowieso Respekt zu, der wohl auch in die Leistungsbeurteilung einfließen soll. Manche Trainer äußern sich respektlos zu Vereinswechseln, andere stellen ihre Trainerstab respektlos zusammen. Muss am allgemeinen Trend zur Respektlosigkeit im Fußball liegen.

Respektlos. Ich kann es nicht mehr hören.

Bitte nicht missverstehen: Respekt ist wichtig. Ich finde es richtig, dass die Uefa eine Respekt-Kampagne fährt. Und selbstverständlich erfolgen die Klagen über Respektlosigkeit mitunter völlig zurecht. Nach meiner Wahrnehmung wurde mit Michael Tarnat tatsächlich respektlos umgegangen, und bei mancher Trainerentlassung ist “respektlos” noch viel zu milde ausgedrückt. Fremdenfeindlichkeit und Homophobie im Stadion sind alles andere als respektvoll, und über manchen Fangesang kann man nicht einmal mehr geteilter Meinung sein. Aber hilft die Respektlosigkeitsinflation da weiter?

Immerhin: der Respekteinforderer Torsten Frings scheint das mittlerweile verstanden zu haben. Er erwartet keinen Respekt mehr, sondern nur noch einen “vernünftigen Umgang”. Dann ist ja gut. Nein, ist es nicht. Hier geht es nicht nur um Begrifflichkeiten, sondern um die offensichtliche Unfähigkeit, das Leistungsprinzip, auf das man sich so gerne beruft, auch auf sich selbst anwenden zu lassen. Wenn es nicht reicht, oder wenn zumindest der Verantwortliche meint, es reiche nicht, dann darf man das auch einfach mal akzeptieren. Man mag inhaltlich anderer Meinung sein und kann das auch in anständiger Form kund tun. Aber doch bitte nicht von Respekt reden. Und wenn wir schon dabei sind: Wer will schon aus Respekt nominiert werden? Was wäre so eine Nominierung denn wert? Aber so weit wollen wir lieber gar nicht denken.

Wenn es stimmt, was der Bundestrainer sagt, hat er Torsten Frings vor der Nominierung angerufen und ihm erklärt, dass und warum er in Aserbaidschan nicht dabei sei. Weil ein anderer die Nase vorn habe, im Wesentlichen. Dieses Telefonat geht über das übliche Prozedere hinaus, möglicherweise aus Respekt vor den Verdiensten des Bremers. Das halte ich für fair. Und dann besitzt Frings die Frechheit, sich öffentlich lauthals zu beschweren? Das kotzt mich an, ehrlich.

Und jetzt noch eine Frage Sache, die überhaupt nicht passt:
Haben Sie schon mal…  ach, Quatsch – Respekt!

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Zwei alte Männer.

Der eine, T, hat in seiner Vereinskarriere alles erreicht, hat aber immer noch so viel Spaß am Fußball, dass er sich durch eine elfmonatige Verletzungspause quält, um weiter im Niemandsland der Tabelle herumzudümpeln (wenn’s gut läuft). Der andere, L, hat auch manches erreicht, sieht das aber nicht immer genügend gewürdigt, und hat wenig Lust, sich ein weiteres Jahr mit Mittelmaß abzugeben.

Wenn der alte Mann T vor einem Eckball dem alten Mann L fast schon liebevoll die Arme um die durchtrainierte Taille legt und L diese Geste sehr erbost zurückweist, kann man

a) sich wider besseres Wissen über Ls Verhalten wundern
b) “Ach ja, der L, so ist er halt” sagen
c) zufrieden sein, dass L wenigstens nicht den Norbert Meier gegeben hat
d) sich die Gegentore nochmals anschauen und seine Rückschlüsse ziehen.

Unabhängig von der persönlichen Einschätzung war Herr Lehmann in dieser Szene wie auch nach dem Spiel offensichtlich wieder einmal ganz er selbst.

Es mag eine unglückliche Fügung gewesen sein, dass ich bei einer meiner Stippvisiten bei der Übertragung des VfB-Spiels in Hannover [leider das dritte Spiel in Folge, das ich nur rudimentär verfolgen konnte… Kindergeburtstag] gerade diese Szene sehen musste, die so unglaublich gut zu meinem Lehmann-Bild passt; wie auch immer: wenn sich tatsächlich die gelegentlich diskutierte Möglichkeit bieten sollte, im Sommer Robert Enke zu verpflichten, ist meine Meinung eindeutig.

Das Spiel, von dem ich live nicht viel und in Ausschnitten nicht viel mehr gesehen habe, lässt mich sehr unschlüssig zurück. Reicht es dieses Jahr einfach nicht für ganz oben (d.h. den Kampf um die internationalen Plätze), oder haben wir tatsächlich nur eine nachlässige Mannschaft gesehen, die im Idealfall aus diesem Spiel lernt und ihr Potenzial künftig nicht nur aufflackern lässt, sondern es auch konsequent und ergebnisorientiert ausschöpft?

Ich hoffe auf Letzteres. Weil ich endlich mal einen guten Lanig und erneut einen engagierten Marica gesehen habe, weil Simak angedeutet hat, seine Lektion gelernt zu haben, und weil Hitzlsperger vielleicht doch willens ist, Bälle zu spielen, die gleichzeitig einfach und effektiv sind. Weil auf Gomez Verlass ist, weil Hilbert gezeigt hat, dass seine Dribblings noch immer zum Erfolg führen können, natürlich weil Khedira zurückkommt und weil, zugegeben, auf Lehmann Verlass ist. Bisschen viel “vielleicht”, “angedeutet” und “scheint”, aber so tickt er halt, der gemeine Fan.

Drum schießen die jungen Männer mit dem Brustring nächste Woche die Sinsheimer aus den Champions League-Rängen. Schade für Timo Hildebrand, aber da kann man nichts machen.