Natürlich kann man Petit auspfeifen, der es kurz vor Schluss bei knapper Führung nicht allzu eilig hat. Der eine Illusion von Fortbewegung schafft, tatsächlich aber auf der Stelle joggt. Oder den Schiedsrichter, der ihm seelenruhig dabei zusieht.
Aber mal ehrlich – an dieser Stelle folgt normalerweise der Hinweis, dass sich jeder andere, selbst ein Stuttgarter, ebenso langsam bewegt hätte, worauf ich an dieser Stelle der besseren Lesbarkeit dieses nicht ganz trivialen Satzes wegen verzichten will -, also mal ehrlich: Petit bewegt sich 90 Minuten lang kaum schneller. Was allerdings reicht, um gegen den VfB gefühlte 12 Torschüsse abzugeben. Allesamt ungefährlich, zum Glück. Und doch: kann sich jemand an ein Spiel erinnern, in dem der Gegner Zvonimir Soldo so viel Zeit und Platz gelassen hat, dass er alle paar Minuten auf dessen Tor schießen konnte? Aber Petit ist ja auch ein paar Jahre jünger als der junge Soldo.
Stefano Celozzi bewegt sich bestimmt schneller als Petit. Und als Soldo. Möglicherweise kann er sogar schneller laufen als Lukas Podolski. Bloß halt falsch. In die falsche Richtung. Zu spät. Vom falschen Startpunkt aus. Was auch immer. Wenn es sein musste, lief er auch von der Mittellinie bis zum Strafraum neben ihm her, um erleichtert abzudrehen, als sich endlich ein Mitspieler Podolskis annahm. Ich habe mich ja lange gefragt, wieso Celozzi nicht nur zu Beginn, sondern vor allem auch noch am Ende des Spiels auf dem Platz stand. Irgendwann begriff ich dann: hätte Jens Keller auch noch Philipp Degen eingewechselt, der in Kaiserslautern weder auf- noch abgefallen war, und hätte der am Ende auch noch schlecht gespielt, dann wäre binnen einer Woche die komplette Rechtsverteidigerriege verbrannt gewesen. Außer vielleicht… wie wär’s denn mal mit dem Träsch, der hat das doch auch schon mal…?
Ja, es ist billig, sich auf Celozzi einzuschießen. Und auf Keller. Aber es fällt schwer, genau das nach einem solchen Spiel nicht zu tun. Nach einem Spiel, in dem beide Mannschaften den Erwartungen gerecht wurde, die man aufgrund der Tabellensituation haben durfte, in dem der Trainer mehr als 70 Minuten wartete, ehe er personell etwas veränderte, in dem Boka 78 Minuten lang zeigen durfte, dass ihm seine jüngsten Treffer zu Kopf gestiegen sind – Cacau musste ihn mitunter aus dem Sturmzentrum vertreiben -, nach einem Spiel, in dem es der in unzähligen Abstiegsduellen gestählte Recke Camoranesi zum Schluss richten sollte, fällt mir nicht mehr viel ein. Mich würde sehr interessieren, was Jens Keller dachte, als Martin Harnik nach seiner späten Einwechslung binnen weniger Minuten zeigte, dass es kein Hexenwerk gewesen wäre, diese Kölner Abwehr auch in der zweiten Hälfte in Bedrängnis zu bringen. “Wusst’ ich doch, dass er ein guter Joker ist!” wäre eine Möglichkeit, die ich nicht ausschließe.
Ist ja auch schön, wenn das Glas im Zweifel halb voll ist. Wenn man “zahlreiche hundertprozentige Torchancen” bzw. deren Auslassen beklagt. Da könnte sich der miesepetrige Marica mal eine Scheibe abschneiden:
“Das war heute ein schlechtes Spiel von uns. Wir hatten zwei, drei klare Chancen, bei denen wir das Tor einfach erzielen müssen. Und auch sonst haben wir ohne Selbstvertrauen nach vorne gespielt.”
Gefällt mir, der Mann. Auch wenn er am Sonntag nicht allzu viele Akzente setzen konnte, war es doch so, dass er Cacaus Großchance brillant vorbereitet hat, dass er bei der eigenen Großchance zwar knapp scheiterte, im Grunde aber die einfachste und gleichzeitig am wenigsten erwartetete Lösung gewählt hatte, und dass er vor allem eine Körpersprache an den Tag legte, die mit dem Marica von vor einigen Wochen so überhaupt nichts mehr zu tun hat. Hätte ich nicht gedacht, dass ich einmal Marica, Gebhart und Ulreich als diejenigen bezeichnen würde, die – gemeinsam mit Träsch, natürlich – voran gingen.
Zum Schiedsrichter ist das meiste gesagt. Er war schlecht. Aus Kölner Sicht, und erst recht aus der des DFB, denke ich, war es katastrophal, wie er in der ersten Hälfte ein Foul an Lanig abpfiff, obwohl dessen Pass Novakovic allein auf den Weg zu Ulreichs Tor geschickt hätte. Ich kann nicht nachvollziehen, dass ein Schiedsrichter eine Minute nachspielen lässt, nachdem er sich zuvor vorsichtig geschätzte 2-3 Minuten lang direkt neben den Torwart gestellt hatte, während dieser die Schuhe wechselte. Das ist gewiss nicht wichtig für den Verlauf der Partie, aber ich erlaube mir, daraus Rückschlüsse zu ziehen, die mit der Frage zu tun haben, wie ernst er seine Aufgabe nimmt.
Die Szene, die zum Elfmeter führte, habe ich nur so halb gesehen, weil sich zwei offensichtlich nicht sehr an Fußball interessierte Menschen just in diesen paar Sekunden an mir vorbei drängten. Und ich gebe zu, dass ich den Elfmeter aus der Mit-maximal-geneigtem-Kopf-knapp-am-Ohr-des-Vordermanns-vorbei-Perspektive für vertretbar hielt. Die Fernsehbilder sprachen hernach eine andere Sprache, aber aufgrund besagter Erfahrung habe ich hier ein gewisses Verständnis für Herrn Dingert. Beim nicht gegebenen Foul an Gebhart eher weniger.
Zum Schluss noch zwei Zitate, das eine von Georg Niedermeier:
“Das ist bitter, aber wir müssen uns auch an die eigene Nase fassen”,
das andere von meinem Nebenmann:
“Wie viele Spiele müssen wir genau verlieren, bis wir einen Trainer bekommen?”
Und irgendwann werde ich auch noch schreiben, was ich von Sitzplatzblöcken mitten im Fanbereich halte. Aber erst, wenn ich mich diesbezüglich ein wenig beruhigt habe, der Sonntag liegt ja nur wenige Tage zurück.