The class of '82

Morgen beginnt also dieses Turnier, dessen Namen ich mich aufgrund rechtlicher Unsicherheiten hinsichtlich seiner Verwendung gelegentlich nicht so ganz unbeschwert auszusprechen traue. Und weil sich das Warten auf das Turnier nun schon ein Weilchen hinzieht, kennen wir mittlerweile wohl einen Großteil der Themen, mit denen uns die Qualitätsmedien darauf vorbereiten. Sicher, zwischendurch verletzt sich immer mal wieder ein Star, einmal rückt gar die Personalplanung in der Premier League in den Mittelpunkt der Berichterstattung, aber ansonsten wissen wir Bescheid. Man hat uns informiert, wer warum welche Mannschaft unterstützt, wen unsere Altinternationalen als künftigen Weltmeister erwarten (Littbarski: “Spanien, Argentinien und England”) oder dass Australien ganz gewiss kein Kleiner ist. Wir kennen die Funknetzqualität im Velmore Grande Hotel, sind mit dem nordkoreanischen Torwartspiel vertraut und fragen uns noch immer, wieso Piotr Trochowski in Südafrika weilt.

Und nicht zu vergessen: wir sind uns darüber im Klaren, dass Honduras und Neuseeland keine Exoten sind, weil sie schon 1982 mitspielen durften. Wir wussten das natürlich auch ohne den entsprechenden Hinweis, nicht zuletzt das 1:1 der Honduraner gegen ihren diesjährigen Gruppengegner aus Spanien macht Lust auf mehr.

Soviel zu unserer gemeinsamen Erinnerung. Ganz besonders -man möge mir die Egozentrik verzeihen- interessierte mich indes gerade gestern, was ich selbst noch so abgespeichert hatte von damals. Über Michael Schanze hinaus, meine ich, und abgesehen vom Schlucksee, der in den vergangenen Wochen, wie vor jeder Weltmeisterschaft, bereits hinreichend thematisiert wurde.

Natürlich erinnere ich mich an Ungarn und El Salvador, an jenes 10:1, das die Ungarn (vermutlich müsste ich hier eigentlich Magyaren schreiben) dennoch nicht in die zweite Finalrunde brachte. An das traditionell bittere Ausscheiden der Schotten (auch wenn ich damals noch nicht wusste, dass eine solche Tradition bestand), die damals illustre namen am Start hatten: Dalglish, McLeish, Souness, Archibald, Strachan, Jock Stein. Und an den Schatten von Falkland, den ich – anders als den zweiten politischen Schatten, der mit Solidarność zu tun hatte -ganz gut zu verstehen meinte.

Ich machte meine erste Erfahrung mit dem Italien-(gerne auch Juve-)Prinzip, dem zufolge eben diese Italiener sich gerade so eben durch die Vorrunde mogeln (nein, ich unterstelle keinen Betrug), um irgendwann dann doch einen jener berühmten Schalter umlegen zu können. Auch Maradonas Tritt gegen den Brasilianer Batista (ja, ich habe den Namen nachgeschlagen) ist natürlich unvergessen, genau wie seine nahezu Dante’sche Frisur und die kurze Hose.

Der kuwaitische Scheich, großartig. Winkte seine Spieler wegen eines vermeintlich irregulären Treffers (der Franzosen, wie ich nachgeschlagen habe) vom Feld, um hinterher -so ist zumindest meine Erinnerung, Belege habe ich keine gefunden- zu argumentieren, dass seine Handzeichen falsch interpretiert worden seien: in der arabischen Welt bedeute ein Heranwinken, man möge wegbleiben. Wie auch immer: der Scheich war erfolgreich, der Treffer wurde aberkannt. Was wiederum der FIFA nicht gefiel, die der Karriere des Schiedsrichters tags darauf ein Ende setzte.

Fest in meinem Gedächtnis verankert ist auch die Nummernvergabe der Spanier und der Argentinier. Letztere hatte ihre Rückennummern wie bei den vorherigen Austragungen gemäß Alphabet durchnummeriert, machten aber für Maradona und seine 10 eine Ausnahme (Kempes sei Dank), während erstere es tatsächlich schafften, bei ihrem Auftaktspiel mit einer Mannschaft aufzulaufen, die die Nummern 1 bis 11 auf den Rücken trug. Trainer Santamaria war sich seiner Sache wohl sehr sicher gewesen, auch mit Blick auf den im Jahr zuvor entführten Quini, der mit der 20 erst im weiteren Verlauf des Turniers zum Einsatz kam.

Deutschland trat ohne Gaby und Bernd Schuster an, dafür mit einem vollbartbefreiten Paul Breitner, der sich für 150.000 DM von Pitralon hatte rasieren lassen. Über Battiston ist alles gesagt. Über Gijón auch.

Meine 11 des Turniers
(einziges Kriterium: wer mir besonders in Erinnerung blieb, ohne Rücksicht auf Leistung oder gar Positionen)

Norman Whiteside
Der (zumindest bis dahin) jüngste WM-Spieler aller Zeiten. Ich bin fasziniert, dass ich mich sogar noch an sein Alter erinnern konnte: 17 Jahre und 41 Tage. Nordirland kam als Gruppenerster weiter.

Ossie Ardiles
Trug als Mittelfeldspieler die Nr. 1 auf dem Trikot, spielte damals bei Tottenham.

Lakhdar Belloumi
Als Star der Algerier angepriesen, wurde er den Erwartungen im ersten Spiel gerecht und erzielte den Siegtreffer gegen Deutschland.

Valdir Perez
Brasilianischer Torwart, der hier eigentlich fehl am Platz ist. Ehrlich gesagt steht er auf meiner Liste, weil er bereits ein Jahr zuvor im Freundschaftsspiel gegen Deutschland einen Elfmeter des damals unfehlbaren Breitner gleich doppelt gehalten hatte.

Giuseppe Bergomi
Was freute sich die BILD damals, dass der große Rummenigge im Finale gegen einen 17-jährigen Grünschnabel antreten würde. Tja.

Bryan Robson
27 Sekunden.
Auch diese Zahl wird mich wohl noch lange begleiten.

Marius Trésor
Was hat mich der Kerl beeindruckt. Der Name. Seine Wucht. Und dann auch noch dieses Tor im Halbfinale.

Wilfried van Moer
Der Mann war 37. Wusste ich aus meinem ersten Panini-Album. Monate zuvor hatte ich einen anderen uralten 38-Jährigen bewundert, der in der Kreisliga noch mithalten konnte.

Jesús María Zamora
Der Name. Ein Mann!, der Jesús! María! hieß.

Grzegorz Lato und Andrzej Szarmach
Ok, das sind zwei. Aber sie gehörten für mich einfach zusammen. Zwei Helden aus dem 74er WM-Buch meines Vaters, die immer noch dabei waren.

Meine Edelreservisten:

Paolo Rossi
Gesperrt wegen verschobener Spiele. begnadigt. Erst einige Wochen vor der WM wieder spielberechtigt, um in der Zwischenrunde zum Nationalhelden zu werden.

Eder
Hieß wie Norbert, konnte aber Technik. Und hart. Mit links.

Bruno Conti
Ein großartiger Fußballer.

But trust me on the sunscreen.