Überraschung auf der Mittagsspitze

(Damüls, 25.12. 2013.) Am ersten Weihnachtsfeiertag wartete Bundestrainer Kamke mit einer Überraschung auf, die das Attribut “faustdick” wahrlich verdiente. Im Rahmen einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz stellte er auf der Damülser Mittagsspitze, deren symbolische Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, ohne dass Kamke näher darauf eingegangen wäre, ungewöhnlich früh seinen Kader für die Weltmeisterschaft in Brasilien vor.

“Der mediale Druck, der mit zunehmender Nähe zum FIFA-Benennungstermin aufgebaut wird, ist schwer zu ertragen und letztlich unmenschlich. Deshalb kam ich gemeinsam mit meinem Kompetenzteam zu dem Schluss, ein selbstbewusstes Zeichen zu setzen und den Kader bereits heute zu nominieren,” erläuterte Kamke, der mit diesem bemerkenswerten Vorgehen seinerseits einen gewissen Druck auf die anderen 31* Nationaltrainer ausübt, gleichzeitig aber betonte, dass man im Verletzungsfall “natürlich noch was machen” könne.

Der Bundestrainer informierte zudem über sein innovatives Auswahlsystem, das auf dem gleichermaßen intensiven wie formal strikten Austausch mit etwa 25 Ratgebern beruht, denen Kamke sein vollstes Vertrauen aussprach. Im Ergebnis änderte sich trotz des neuartigen Ausleseprozesses zumindest insofern nichts, als auch für 2014 das eine oder andere Aha-Erlebnis bei der Kaderzusammensetzung herauskam, sowohl bei den Mitfahrern als auch bei den Daheimbleibenden.

Der aus Sicht der Redaktion sehr ausgewogene Kader setzt einige deutliche Fragezeichen. Insbesondere auf der Torhüterposition betreibt man ein gefährliches Spiel, nachdem zunächst Manuel Neuer (wie übrigens weiter vorne auch Mario Gomez) lediglich en passant und keineswegs explizit genannt wurde, ehe Marc-André ter Stegen, der vermeintlich dritte, dann unter Umständen sogar zweite Mann, in letzter Sekunde Zeile herausgestrichen wurde. Hier dürfte Kamke noch nachbessern (müssen), will er sich nicht allein auf den unerfahrenen Weidenfeller verlassen.

Auch in der Abwehr fehlen einige Namen, fehlt insbesondere ein linker Verteidiger. Kamke ließ sich diesbezüglich zu keinen konkretisierenden Äußerungen bewegen, sodass unter Experten drei Theorien kursieren: entweder wolle der Bundestrainer die in Dortmund bereits erfolgreich praktizierte Dreierkette einführen und sich keinen vierten Mann schnitzen, oder er verlasse sich schlichtweg auf den Umstand, dass in einem Kader mit den Herren Lahm und Großkreutz jede Position von vornherein doppelt besetzt sei. Theorie Nummer drei klingt eher abwegig und lässt sich auch nur schwer in Worte fassen, ließe sich aber möglicherweise mit “Westermann” umschreiben.

Im Mittelfeld tauchen nicht nur die Langzeitverletzten Sami Khedira und Ilkay Gündogan nicht auf, sondern unter anderem auch Draxler und die Benders sowie, für den einen oder die andere vielleicht ein bisschen überraschend, Kroos und Özil. Kamkes Beratungsgremium hatte ihn von einer etwas anderen Schwerpunktsetzung und insbesondere Altersstruktur überzeugt, die gerade bei einer Weltmeisterschaft den Unterschied ausmachen kann. Anstelle der jungen Leute, die die Fußballwelt verzaubern, aber immer noch nichts gewonnen haben, entschied sich der Bundestrainer neben einem kleinen Bayern-Block (nur eben ohne den als Turniernörgler verschrieenen Kroos) für die alten Fahrensmänner Fabian Boll, Torsten Mattuschka und Mehmet Scholl.

Ganz vorne setzt Kamke ein Zeichen. Entgegen dem Trend, die Spitze auszudünnen, nominierte er erstmals sieben Angreifer – ein Wert, den selbst Erich Ribbeck nicht erreichte. Naturgemäß fehlt angesichts dieser Zahl keiner der üblichen Verdächtigen. Klose ist auf der Liste, Gomez (mit Fragezeichen, vgl. Neuer), auch Kruse und natürlich Kießling, der sich aus Sicht des Beratungsgremiums allerdings etwas verkriechen werde. Eher überraschend sind indes die Nominierungen der Nachwuchsstürmer Volland und Werner, denen nicht nur Kamke selbst eine bemerkenswerte Rolle zutraut, während die Entscheidung für Jürgen Klinsmann unter den urbanen Mythos die Rubrik “Schwächung des Gegners” fallen dürfte.

Der ungewöhnlichste Aspekt, neben dem frühen Zeitpunkt, war sicherlich die Entscheidung, nicht nur den Spielerkader zu benennen, sondern darüber hinaus auch gleich zwei Schiedsrichter an die FIFA zu melden – auch dies ein möglicherweise beispielloses Vorgehen, das “nicht mit dem fußballkulturellen Code in Einklang zu bringen” sei, so Kamke, der diesen Begriff wohl irgendwo aufgeschnappt, ihn aber außerhalb des passenden Kontextes verwendet haben dürfte. Er meinte wohl eher das FIFA-Regelwerk, und in der Tat bleibt abzuwarten, ob tatsächlich die Herren Dr. Brych und Stark an den Zuckerhut reisen werden.

Abschließend dankte der Bundestrainer seinem Kompetenzeam für die kreativ-disziplinierte Mitwirkung, “die mit dem Begriff ‘Zuarbeit’ gewiss nicht angemessen gewürdigt wäre. Vielmehr ist durch die Vielfalt der Beiträge ein Gesamtbild entstanden, das meine kühnsten Erwartungen übertroffen hat und das einzig und allein dem Fachwissen und der Originalität meiner Ratgeberinnen und Ratgeber zu verdanken ist. Ich bin ein bisschen gerührt.

Der Kader im Überblick:

Tor:
Weidenfeller, (Neuer),  ter Stegen

Abwehr:
Boateng, Großkreutz, Hummels, Lahm, Mertesacker, Westermann,

Mittelfeld:
Boll, Götze, Mattuschka, Müller, Reus, Scholl, Schweinsteiger,

Sturm:
Kießling, Klinsmann, Klose, Kruse, Volland, Werner, (Gomez)

Schiedsrichter:
Dr. Brych, Stark

* Wir bitten angesichts der sprichwörtlichen heißen Nadel, mit der der obige Text gestrickt wurde, um Nachsicht für den Fehler, der sich eingeschlichen hat, den wir aber der Authentizität halber unverändert belassen wollen. Tatsächlich handelt es sich nicht um 31 andere Bundestrainer, sondern um 31 Millionen.

siebzehn/zwanzigdreizehn

Meine Gästeschar wehrte sich wacker
(hab nichts andres erwartet, Ihr Racker!)
gegen billigste Zoten,
die hier und heut’ drohten:
dreimal Merte, kein Sucker, kein Fucker.

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Gepriesen sei der Merte,
er steht für die alten Werte.
Er hält wenig vom Umschaltspiel.
Ein gewonnener Kopfball ist doch auch schon viel.
So einer trägt keine albernen Bärte.

 

@Peter_Ahrens, so geht die Legende,
sieht den Fußball im Land vor ‘ner Wende.
Wie’n zielsich’rer Falke,
sagt er: “Meister? Na Schalke!”*
Aber sonst: Kompetenz ohne Ende!

*Ok, ganz so hat er’s nicht gesagt. Aber bestimmt so ähnlich.

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Kein Saisongemüse – die Zeit ist vorbei –,
hat er doch viel gemeinsam mit Spargel im Mai,
und bei Weitem nicht nur
die elegante Figur:
siebzehn und vier, London eye.

 

Ach, wenn sie doch bloß öfter schriebe,
pointiert – wie sie’s kann und ich’s liebe.
Ich tät gern von ihr’m Tun kund
dort drüben bei unrund,
wo ich Stunde um Stund’ mir vertriebe.

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Der Skipper der Gunners, der kommt aus Hannover
galt nicht als Talent und dacht’ sich “game over”?
Doch von Ralf wurd er eingesetzt
Bei Ewald als Chef gesetzt
und so trägt der Per den DFB-Pullover.

 

Der Martin schreibt mehr im Privaten,
mit ‘nem Stuttgarter Helden als Paten.
Martinkelsch”, Sie verstehn,
doch: kein Schnäuzer zu sehn –
da ist was durch’nandergeraten.

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Weitere Adventsfünfzeiler gibt’s im Kalender.

Sämi

In den letzten Monaten habe ich des Öfteren ein bisschen in die Vergangenheit geblickt. Etwa dreieinhalb bis vier Jahre zurück, um genau zu sein. Auf jene Zeiten, als man noch zu einer überschaubar großen Gruppe gehörte, wenn man sich klar für Sami Khedira in der WM-Stammelf aussprach. Wer waren schon Ballack und Schweinsteiger (die der Verfasser dieser Zeilen im Übrigen fußballerisch sehr schätzte bzw. noch immer schätzt)?

In aller Regel waren Menschen, die wie ich dachten, VfB-Anhänger und hatte Khediras Werdegang in den Jahren zuvor recht intensiv beobachtet, begonnen spätestens bei seinem drohenden Karriereende als A-Jugendlicher, über den Meisterschaftskopfball und die Entwicklung zum Kopf und Herz des damaligen VfB bis hin zur U21-EM. Und darüber hinaus, als sich nur noch die Frage stellte, wann und wohin er gehen würde, um sich auf Augenhöhe messen zu können, und als er doch in der öffentlichen Wahrnehmung noch immer nicht als ernsthafte Konkurrenz für die Platzhirsche beim DFB galt, noch dazu nach seiner Kreuzbandverletzung im März 2010.

Die Zeiten haben sich geändert. Binsenweisheit, nicht wahr? Wenn man in diesen Tagen die Kommentare liest, die Quervergleiche zu Ballack 2010, die Elogen auf Khediras integrierende, ausgleichende Wirkung bzw. die damit einher gehende Sorge um die Kabinenharmonie, die Betonung seiner fußballtypologischen Einzigartigkeit, dann könnte man entweder “told you so” sagen oder aber eine bemerkenswerte Entwicklung konstatieren. Die natürlich, told you so, für den gemeinen Stuttgarter nicht ganz unerwartet kam.

Umso verwunderlicher, dass ich mich in den besagten letzten Wochen regelmäßig bei dem Gedanken ertappte, nicht so recht zu wissen, wieso Khedira im Grunde immer spielt. Oder anders, dass ich meinen Satz nicht zu Ende führen konnte:

“Er läuft vielleicht nicht so leichtfüßig wie Gündogan, hat nicht dessen Schuss Genialität, kann den letzten und vorletzten Pass nicht so gut spielen oder auch verwerten wie Schweinsteiger, ist nicht so ballsicher und schussstark wie Kroos, nicht so pressingresistent und behände wie Lahm, und möglicherweise ist er auch nicht so hart im Nehmen wie die Benders, aber …”

Und dann hing ich ein bisschen. Wusste nicht so recht, ob er wirklich so zwingend gesetzt sein müsse, wie man mitunter meinen konnte, dass er es sei. Wie er es vielleicht auch war. Wäre. War er da und fit, spielte er. Während zum Beispiel Gündogan noch einen Status hatte, der ungefähr dem oben beschriebenen von Khedira 2009/10 entsprach. Und gleichzeitig konnte – und kann – ich mir nicht vorstellen, dass eben dieser Gündogan in Brasilien auf der Bank sitzt. Weil er, was für ein ausgefuchstes Argument, zu gut ist.

Skeptiker mögen zu Recht erwidern, dass ich an anderer Stelle schon einmal sagte, ich könne und wolle mir nicht vorstellen, Mats Hummels bei der WM nicht in der Startelf zu sehen. Was im Moment nicht so abwegig erscheint. Also dass er nicht in der Startelf steht. Weil Mertesacker und Boateng stabiler wirken, ungeachtet der Hummels’schen Eleganz und vor allem seiner Spieleröffnung.

Aber das ist ein anderes Feld. Hier geht’s um Sami Khedira. Den alle Welt, zu meinem jahrelangen Erstaunen, Sämi nennt. So wie man damals Mehdi Ben Slimane, Tunesier wie Khediras Vater, mancherorts gerne mal Ben Slimeijn aussprach. Dachte ich. Bis mir zugetragen wurde, Khedira selbst lege Wert auf Sämi. Oder Sämmi, so genau weiß ich das nicht. Ist ja auch nicht so wichtig jetzt. Wichtiger wäre, ihn zur WM wieder hinzubekommen. Den Sämi.

Der vielleicht nicht so leichtfüßig ist wie Gündogan, dem wohl auch dessen Hauch Genialität abgeht. Der nicht so torgefährlich ist wie Schweinsteiger und dem dessen Fast-schon-Stürmer-Vergangenheit fehlt. Der die Bälle weniger elegant verteilt als Kroos und nicht so akkurate Pässe schlägt. Der einen größeren Wendekreis hat als Lahm und anders als die Benders nicht zum Innen- oder Rechtsverteidiger taugt.

Der diese wunderbare Mischung aus Selbstbewusstsein, Professionalität und gar einem Schuss Demut ausstrahlt, Und der so herrlich unauffällig und doch so effektiv spielen kann. Möglicherweise würde ich, wäre sie nicht so überstrapaziert, an dieser Stelle auch noch die Formulierung von dem Spieler, der seine Mitspieler besser macht oder sie glänzen lässt, verwenden. Vieles spricht dafür, dass er genau das tut. Auch wenn ich es nicht nachweisen kann.

Kurz: ich sähe ihn gerne bei der WM. Aus vielerlei Gründen. An erster Stelle seiner selbst wegen. Aber ich räume ein, dass er bei mir a priori nicht spielen würde, wenn Schweinsteiger und Gündogan fit wären. Die Tönung der VfB-Brille ist ein wenig verblasst.

Berückende Bundesliga

Betrachtet man die zurückliegende Saison des VfB Stuttgart noch einmal etwas intensiver und beschäftigt sich insbesondere mit der ausnehmend guten Rückrundenbilanz, so kommt man keinesfalls umhin, Gotoku Sakai, Vedad Ibisevic und Georg Niedermeier in absoluter Objektivität als ausschlaggebend zu bezeichnen, bzw. vor allem den Umstand, dass sie Boulahrouz, Maza und Cacau bzw. Pogrebnyak verdrängen konnten. War man in der Hinrunde auf der einschlägigen 11er-Skala meist noch zwischen 4 und 6 gependelt, so erreichte man in der Rückrunde dank der drei genannten Herren regelmäßig Werte von 7 oder 8.

Besonders bemerkenswert, wenn auch nicht im Einklang mit dem Startelfgebot, war die Phase zwischen der 46. und 58. Minute am 30. Spieltag in Augsburg, als der VfB tatsächlich mit den Nummern 1-9 auf dem Platz stand. Bedenkt man zum einen, dass die 10 nicht vergeben und die 11, Audel, das ganze Jahr über verletzt war, und zum anderen, dass von den beiden Ergänzungsspielern der eine, Hajnal, als klassischer Zehner ebendort spielte und der andere, Schieber, als Linksaußen auf der 11 agierte, darf man wohl ohne Übertreibung von den besten gut zwölf Minuten der Saison sprechen.

Beeindruckend auch der 34. und 25. Spieltag, als zunächst sowohl der HSV als auch der VfB mit jeweils 8 aus 11 in die Partie gingen und eine Woche darauf der VfB mit acht der ersten elf begann, während Kaiserslautern gar mit deren neun aufhörte. Aufschlussreich war dabei nicht zuletzt, dass die beiden Mannschaften noch in der Hinrunde mit vier gegen vier ins Spiel gegangen waren.

Der eben schon angesprochene HSV trat bei mindestens 5 Partien mit 9 klassischen Nummern an, am 16. Spieltag fehlte zwischen der 69. und 84. Minute gar nur die 3, Michael Mancienne, um ein rundum stimmiges Bild abzugeben. Im Saisonschnitt standen beim HSV pro Spiel knapp 8 Spieler mit Rückennummern zwischen 1 und 11 beim Anpfiff auf dem Platz, was angesichts der durchwachsenen Hamburger Saison dem Schluss, dass eine Orientierung an traditionellen Werten nicht zwingend zum Erfolg führt, nicht im Wege steht.

Wenn man dann noch bedenkt, dass Absteiger Hertha den zweithöchsten Wert erreicht (ohne Berücksichtigung der Nummerierung in der Relegation, vor Gericht und auf hoher See), lässt das bereits tief blicken. Möglicherweise hat also der VfB seinen Uefa-Cup-Platz letztlich eher trotz als wegen seiner noch immer deutlich über 6 Klassiker in der, man muss es so sagen, Durchschnittself erreicht.

Darüber hinaus lassen auch die Bilanzen von Kaiserslautern, das in der Hinrunde, als man (zugegeben: nur stichprobenartig überprüft) häufiger mit höheren Nummern antrat, immerhin noch den einen oder anderen Zähler holte, und des SC Freiburg, der in der ersten Saisonhälfte mit den Herren Bastians (Nr. 3), Butscher (5), Abdessadki (6), Cissé (9) und Nicu (10) eher überschaubar punktete, in der Rückrunde aber, als aus den ersten elf zum Teil nur noch Baumann und Makiadi aufliefen, eine bemerkenswerte Bilanz erzielte, aufhorchen.

Sicher, all das sind nicht mehr als schwache Indizien, wenn überhaupt, man könnte vielleicht auch von Scharlatanerie sprechen. Und doch möchte man es sich ja nicht nehmen lassen, auch einmal an jenes Ende der Skala zu schauen, wo die Mannschaften erscheinen, die nur wenige Spieler aus den ersten elf zum Einsatz kommen lassen. So wie der FC Bayern im vorletzten Saisonspiel gegen den VfB, als nur einer auflief, noch dazu die 11, die halt grade noch so dazugehört.

Ja, ja, ich weiß, gegen den VfB reichte auch die B-Elf der erfolgsverwöhnten Münchner, war ein nicht repräsentatives Beispielspiel.

Betrachtet man nämlich die gesamte Saison, so stellt sich die Situation völlig anders dar. Also fast. Immerhin 2,8 Bayern standen im Schnitt beim Anpfiff mit einer Standardnummer auf dem Feld, was – ich verkneife mir Sätze, die mit immerhin oder wenigstens beginnen – den ligaweiten Spitzenwert darstellt. Knapp dahinter Schalke, das 2,9 klassische Starter zu verzeichnen hatte. Der einzige weitere Verein, der weniger als 4 Spieler mit einer Traditionsnummer auf das Feld schickte, war mit einem Wert von 3,8 wer? Genau: Borussia Dortmund.

Schlussfolgerungen bezüglich Korrelationen oder gar Kausalitäten zwischen sportlichem Erfolg und dem Einsatz der von mir so geschätzten Spieler zwischen 1 und 11 seien der geneigten Leserin selbst überlassen.

Man könnte sich natürlich überlegen, was das für die Duelle Schmelzer (3) – Boateng (20), Hummels (5) – Mertesacker (17), Klose (11) – Gomez (23) oder gar Neuer (1) – Wiese (12) bedeuten mag.

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Falls sich jemand für die Bilanzen der anderen Bundesligisten interessiert: Ich hatte mir überlegt, sie in Form einer 18-teiligen Klickstrecke, möglicherweise um die eine oder andere Werbeeinblendung ergänzt, zur Verfügung zu stellen. Leider fehlt mir die technische Kompetenz. Ergo.

Fehler sind wahrscheinlich, Hinweise willkommen.

Ein Sonntag im November

Vor kurzem habe ich mir einen Novembersonntag gemalt. So gut ich eben malen kann. Weil das nicht sonderlich gut ist, erscheint es mir nicht sinnvoll, das Werk dem gemeinen Blogleser zuzumuten. Statt dessen will ich kurz verbal darstellen, wie ein solcher (wie) gemalter Novembersonntag aussehen könnte.

Er ist, wie es sich für einen anständigen Novembersonntag gehört, völlig verregnet. Die ganze Familie bleibt ewig im Bett (so ewig ewig halt sein kann bei hungrigen kleinen Monstern) und hängt anschließend bis weit in den Nachmittag hinein, wetterbedingt völlig ohne schlechtes Gewissen, faul in Nacht- oder Schlabberklamotten in der Wohnung herum. Das eine oder andere Buch wird (vor-)gelesen, ebenso die Zeitungen, der Klassiker “Mensch ärgere Dich nicht” kommt genauso zu seinem Recht wie die Holzeisenbahn zum Ihrigen, man tobt und tollt, isst zwischendurch etwas Nahrhaftes, Linsen mit Spätzle wären eine ganz gute Idee, baut vielleicht eine Höhle, vergisst den Mittagsschlaf nicht, schaut irgendwann noch kurz in einen alten Heimatschinken hinein – mit Toni Sailer als schwarzem Blitz, zum Beispiel – und zieht sich so gegen halb vier langsam an. Man fährt mit der Stadtbahn zum Neckarstadion, geht aber zunächst kurz zum Schlienz, weil es dort noch Wurst für Geld gibt und man ganz gut über Trainer, Manager und Vereinsführung schimpfen kann, und ist eine Dreiviertelstunde vor Anpfiff vor Ort, um sich einen Platz an der Regenkante zu suchen (ok, knapp dahinter wäre eventuell die besser Alternative). Anschließend sieht man sich das Aufwärmen an, zieht Rückschlüsse zur Aufstellung, und beteiligt sich an den Spekulationen zum Spielverlauf mit einem zurückhaltenden “Ehrlich gesagt wäre ich heute schon mit einem dreckigen Fünf zu Null zufrieden.” An einem gemalten Novembersonntag wird diese Erwartung dann ein wenig übertroffen, man freut sich, schüttelt ungläubig den Kopf, geht zufrieden nach Hause, strahlt die Familie an, die Familie strahlt zurück, man bringt wenigstens noch ein Kind ins Bett, schaut ein wenig West Wing, danach die einschlägigen Sportsendungen, und geht zu Bett.

Nach diesem jahreszeitlichen Exkurs noch ein paar Sätze zum gestrigen Spiel des VfB gegen Werder.

Als nach wenigen Minuten Maricas Einsatz gegen Frings abgepfiffen wurde, war zwar nicht jeder Stuttgarter Zuschauer zufrieden mit der Schiedsrichterentscheidung; Maricas Vehemenz ließ indes Aufschauen, und die Ersten fragten sich, um wen es sich bei dem Herrn mit der Nummer 9 tatsächlich handle. Mit zunehmender Spieldauer nahm die Zahl der Zweifler zu. Ging der prächtige Abschluss beim 1:0 gegen einen der stärksten Bundesligatorhüter, zumindest auf der Linie, noch als Ausrutscher durch, war das leichtfüßige Abhängen von Prödl vor Gentners Großchance schon ein deutlicheres Indiz und die Vorbereitung des 2:0 nach großartigem Zusammenspiel mit Timo Gebhart letztlich der Beweis, dass man es nicht mit “unserem” Marica zu tun haben konnte. Vor dem 3:0 schüttelte besagter Herr Mertesackers Mannen ab wie lästige Fliegen, das 4:0 legte er selbstverständlich auch vor, und beim 5:0 zeigte er dann, dass er sogar flanken kann – eine Fähigkeit, die beim VfB zum Alleinstellungsmerkmal reichen könnte, auch wenn Molinaro erstmals wieder vernünftige Bälle (oder zumindest einen, und zwar auf, natürlich, Marica) vor das Tor brachte. Bleibt zu hoffen, dass sich dieser Marica in den nächsten Wochen öfter sehen lässt.

Genau wie dieser Gebhart, übrigens, und dieser Boka, der ja schon am Donnerstag zu Besuch war. Diesen Niedermeier und diesen Delpierre kann man angesichts der Bremer Offensivleistung nicht seriös bewerten – wobei das, wenn man ehrlich ist, angesichts der Bremer Defensivleistung analog für die Stuttgarter Stürmer gelten müsste. Gentner zeigte, dass er in der Mitte besser aufgehoben ist, und wird sich dort mit Kuzmanovic streiten müssen, wer neben Träsch spielen darf. Der hatte zwar ungewöhnlich viele Fehlpässe in seinem Spiel, aber von 100 eroberten Bällen wird man auch mal fünf zum Gegner spielen dürfen. Bei Camoranesi ist diese Quote etwas schwächer, weswegen er auch nach dem zweiten völlig unnötigen und gegen einen anderen Gegner gefährlichen Fehlpass im Spielaufbau vom Kapitän kräftig in den Senkel gestellt wurde.

Was ich nicht vergessen möchte: das Lob an den Trainer. Der hatte vor dem Spiel bereits angekündigt, dass man die Schwächen der Bremer Defensive ausnutzen wolle, und seine Mannschaft hielt Wort. Selten habe ich einen VfB gesehen, der den Gegner zu Spielbeginn so konsequent früh unter Druck setzte (und dabei, auch das ist wahr, anfänglich hinten ein paar Chancen zuließ) und – so hoffe ich – ganz bewusst immer wieder Gebhart in die Dribblings gegen die nicht ganz so geschmeidigen Silvestre und Prödl schickte. Es war mir ein Fest, zuzusehen, wie die ganze Mannschaft sich in Bewegung setzte, um bei jedem Bremer Einwurf in der Nähe der eigenen Eckfahne die Räume zuzustellen, und wie sie praktisch in jedem Fall den Ball eroberte.

Was nach wie vor nicht klappt, ist die Spieleröffnung. Viel zu oft schlägt Sven Ulreich den Ball hoch und weit nach vorne. Ich weiß nicht, ob es an ihm liegt, an ängstlichen Mitspielern, die in Tornähe keinen Ball wollen, oder an den Vorgaben des Trainers, der dem zuletzt wackligen Molinaro auf der einen und dem jungen, in der Defensive überzeugenden Funk auf der anderen Seite wenig Gelegenheit geben will, leichte Fehler zu begehen. Doch letztlich sind diese langen Bälle vorhersehbare Ballverluste, egal ob sie von Ulreich oder in der nächsten Stufe von Delpierre kommen. So wie ein Elfmeter von Cacau ein vorhersehbarer Fehlschuss ist, aber das ist ein anderes Thema.

Natürlich sind die Vergleiche zum Sieg gegen Gladbach, der, wie wir heute wissen, nicht mehr als ein Strohfeuer war, unvermeidlich. Natürlich gilt es nun, die damaligen Fehler zu vermeiden, natürlich darf in Kaiserslautern das Engagement keinen Deut geringer sein als gegen Bremen, natürlich darf man nicht gleich wieder träumen. Und doch gibt es zumindest einen deutlichen Unterschied: gegen Bremen fielen die Tore aus dem Spiel heraus, gegen Gladbach traf man nach 5 Standardsituationen. Tore aus Standardsituationen sind nicht weniger wert, sie sind auch keine schlechteren Tore, sie sind vielmehr eine wichtige Variante, die beim VfB viel zu selten effektiv zum Einsatz kommt. Aber nach den bisherigen spielerischen Saisonleistungen hat der VfB gestern endlich einmal nicht nur schlaglichtartig gezeigt, dass er nach wie vor imstande ist, zielgerichtete und gleichzeitig sehenswerte Aktionen vorzutragen, die, wie man so schön sagt, nach Fußball aussehen. Ja, der Gegner war schlecht, gegen andere wird das nicht so einfach funktionieren. Aber immerhin haben sie gesehen, wie es funktionieren kann, haben gezeigt, dass sie spielen können. Das ist doch schon mal ein Anfang. Und eine Erkenntnis, auf der man aufbauen kann.

Am Ende meines vermeintlich wie gemalten Tages musste ich übrigens auf Druck des Familienrats noch Kfz-Versicherungen vergleichen. Naja.

Dafür habe ich begonnen, mir eine vorweihnachtliche Woche zu malen. Und einen irischen Frühlingstag.