Jüngst hatte unser jugendlicher Held die Ehre, an einem außergewöhnlichen gesellschaftlichen Ereignis teilhaben zu dürfen, dessen übergeordneter Sinn in der Huldigung der Rudelseligkeit bestehen sollte.
In gesellschaftlichen Ereignissen insbesondere dieses Zuschnitts nur bedingt erfahren, sah er sich unversehens mit der Frage konfrontiert, was sie denn genau sei, diese Rudelseligkeit, und was sie vor allem so feiernswert mache. Im Zuge einer kurzen Literaturrecherche stieß er auf Stefan Andres, der in einer Rede en passant die “tertianerhaft lärmende Rudelseligkeit der Sieger” beklagte, die zu feiern unser Protagonist nur einen sehr geringen Antrieb verspürte; an ganz anderer, ihm ungleich genehmerer Stelle las er von “rudelseliger Einhaltung” bestimmter Codes, “die das Gefühl der Zugehörigkeit zur Elite geben”.
Zwar nahm der junge Mann, der keineswegs von sich behaupten konnte, dem Empfang elitärer Schmeicheleien abhold zu sein, die süßen Worte mit einem Lächeln zur Kenntnis; gleichzeitig war ihm indes bewusst, dass die Ausrichter des Ereignisses in keinerlei Elitenverdacht stehen, oder vielmehr nicht im Verdacht, das Denken in Eliten zu fördern. So führte er, wohl oder übel, seine Überlegungen zur Rudelseligkeit fort und gab sich seinen Assoziationen hin.
Der Weg zu “bierselig” war ein kurzer, “rappelvoll” schaute kurz vorbei, trollte sich aber ebenso annähernd so schnell wie “riegeldumm” – an dieser Stelle hatte er sich seiner ungebetenen Gedanken ein wenig geschämt –, ehe sich unser Held, des Liebreizes der Gastgeber eingedenk, von der dunklen Seite entfernte und sich stattdessen – über den Umweg der heute zumeist nur noch bei der älteren Generation gebräuchlichen Saumseligkeit – ein gemeinsam erlebtes Glücksgefühl mehrerer Personen vor Augen führte. Von dem er allerdings nicht wusste, ob es Gegenstand oder Ziel der Feierlichkeit sein sollte. Oder beides.
Entsprechend verunsichert trat er seine Reise in die Hauptstadt an. Und konnte bereits beim Aufbruch nicht umhin, jene ausgelassen vorfreudige Grundstimmung festzustellen, die sich in seinem Innern breit machte und die sich – auch wenn er es sich nicht recht erklären konnte – einzig und allein als rudelselig bezeichnen ließ.
Die Gewissheit, mit der ihn diese Erkenntnis ereilte, irritierte ihn zunächst sehr, und erst der Blick auf die Timeline ließ ihn wieder ein wenig zur Ruhe kommen: es schien ihr kein bisschen anders zu gehen. Ganz Twitter (er dachte gerne in großen Zusammenhängen) rudelte selig vor sich hin, und so stellte er sich eben so lächelnd vor, wie ausgeprägt dann wohl die Rudelseligkeit bei den Auslösern der Kollektivwonne sei.
Zwar wohnte er der formalen Rudelseligsprechung nicht bei; bereits während der Anreise erreichten ihn jedoch erste Zeugnisse der folgerichtigen Rudelseligwerdung – in manchen Regionen wird sie dem Vernehmen nach auch als Saumbildung gefeiert –, deren Botschaft von Pankow (schön da) in die Welt hinaus getragen wurde.
Die Ungeduld wuchs, die Reisegeschwindigkeit sank, doch allen Unbilden und der Deutschen Bahn zum Trotz erreichte er spät am Abend den Ort des Geschehens, überbrachte dem rudelseligen und selbstredend wunderschönen Brautpaar seine herzlichsten Glückwünsche und reihte sich sogleich in die rudelselige Runde derer ein, die nichts Besseres zu tun hatten, als über Fußball, Polyandrie und das Brautkleid zu reden. Und zu essen.
In offensichtlich berauschter Rudelseligkeit imaginierte unser Protagonist einen göttlichen Tanz, rudelte sich dann selig mit den Herren @freval und @dogfood zusammen, um über den letzten großen Trinker im deutschen Fußball zu reden, rang vergeblich um Einfälle, wie er names wie zum Beispiel @keanofcu, @probek oder @othertimes möglichst unaufdringlich droppen könne, und brüskierte zu vorgerückter Rudelseligkeit den fremdenführenden @wikipeter, indem er den Kneipenbesuch und das letzte Glas im Stehn verschmähte:
Erst im Laufe des Folgetages wurde ihm schmerzlich bewusst, dass die Rudelseligkeit nicht alle erreicht hatte oder dass ihr Einfluss hier und dort bereits wieder verblasste. So beim Security Check im Fernsehturm, wo eine Person mit eher sprödem Charme dem Kinde (also nicht dem jugendlichen Helden selbst) ohne ein Wort der Erklärung die Wasserflasche entriss und sie entsorgte. (Ja, man hätte sich auch vorher mal die Piktogramme ansehen können.)
Egal. Er lächelte sie rudelselig an.
Möglicherweise lächelte sie zurück.