Es ist ein alter Hut, vielleicht auch ein Mythos: Die Champions League beraubt deutsche Mannschaften der Motivation für die Bundesliga. Da fallen schon mal Sätze wie
“Sie müssen die Mannschaft verstehen:
wenn man mittwochs an der Anfield Road spielt, dann fällt es eben nicht ganz leicht, am Samstag in KarlsruheCottbusGladbachBielefeldBochumHannover[1] die gleiche Motivation aufzubringen. So kommen dann Leistungen wie die heutige zustande. Das ist gegenüber den Zuschauern nicht in Ordnung, aber es ist menschlich. Spiele in Europa sind Festtage, die Bundesliga ist der Alltag”
[Quelle: keine]
Dieses Phänomen ist – auch dies ein alter Hut – nicht auf den Vereinsfußball beschränkt, wie Philipp Lahm nach der Niederlage gegen Norwegen zu berichten wusste:
“Bei Freundschaftsspielen ist es so, dass man die letzten fünf bis zehn Prozent nicht bringt. Das ist schade, aber das kriegt man aus dem Kopf nicht raus.“
Und vermutlich gilt der Mangel an Alltagsmotivation auch weit über den Bereich des Fußballs hinaus. Unabhängig vom jeweiligen Beruf dürfte die Prokrastinationsneigung Leistungsbereitschaft unmittelbar damit zusammenhängen, ob ein Projekt besonders vielschichtig, lukrativ, innovativ oder aus sonstigem Grund attraktiv ist.
Im Bereich des Printjournalismus könnte ich mir vorstellen, dass das eine oder andere Sonderheft bei den Beteiligten die virtuelle Champions League Hymne erklingen lässt. Zwar kann ich beim jüngst erschienenen 11Freunde-Sonderheft über die Achtziger nicht beurteilen, ob die Redaktion eine der Champions League würdige Leistung erbracht hat (der Kiosk meines Vertrauens hatte wohl nur null bis zwei Exemplare geordert, und irgendwie hatte ich auch auf einen gesonderten Vertriebskanal für Abonnenten gesetzt); außer Frage steht für mich indes, dass die Schwalben der regulären Aprilausgabe zum – mitunter bitteren – Alltag zählen.
Sicher, Schwalben sind ein immerwährendes Thema im Fußball, und gelegentlich ist es auch ganz witzig, sich an die berühmte Möllerschwalbe zu erinnern. Wenn man dann ein wenig fachsimpelt, kommt man vielleicht auch auf die Idee, ein paar besonders dreiste Versuche zu würdigen. Und würde sie gern in Bewegtbildern sehen.
Weniger interessant finde ich es jedoch, wenn auf acht Seiten fallende Fußballer in Standbildern dargestellt werden, die zu betexten zwangsläufig in einem Wettbewerb enden muss, dessen Ziel darin besteht, möglichst abwegige Formulierungen und grobe Übertreibungen zu finden, um den im Grunde immer wieder gleichen banalen Täuschungsversuch auf 25 [2] verschiedene Arten beschreiben zu können.
Das ist bestimmt eine nützliche Fingerübung, und mit etwas Wohlwollen würde ich die Top 10 5 in einer Rubrik wie “Kurzpass” als ganz nett empfinden. Für eine Titelgeschichte ist es jedoch einige Nummern zu klein.
Manchmal ist einfach die Regenerationsphase zwischen der Champions League Partie und dem Bundesligaspiel zu kurz. In der Konsequenz sind dann einige sehr ansehnliche Abschnitte drin, aber eben auch viel Leerlauf.
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1.Platz 18-13 der Bundesligatabelle zum Zeitpunkt der Erstellung. Wer meckern will, darf das selbstverständlich trotzdem tun.
2.Es hätte schlimmer kommen können: im Inhaltsverzeichnis ist noch von 50 Schwalben die Rede. Die werden selbst mit den zusätzlichen 20 Unbebilderten nicht erreicht.