VfB-Hoffenheim 3-1: Während Carlos Eduardo mit seinen hochgezogenen Schultern und -zumindest abseits des Balles- vorsichtig und bedächtig gesetzten Schritten von der ersten Minute an so aussah, als wolle er so schnell wie möglich ausgewechselt werden, war der Chefposten auf dem Platz 90 Minuten lang unumstritten – zu dominant trat Sami Khedira auf. Er eroberte die Bälle, behauptete sie, verteilte sie und stellte nicht zuletzt nachlässige Kollegen in den Senkel. Mit Timo Gebhart soll er sich nach dessen Großchance 10 Minuten vor Schluss auch unterhalten haben:
“Timo, was soll der Scheiß? Spiel den Cacau an oder mach ihn rein!”
“Ja, aber…ich wollte erst…und dann wusste ich nicht recht…und der Torwart hat so gezögert…und dann dachte ich…”
“Nicht denken, Timo!
Wenn Du so zentral auf den Hüter zuläufst, zieh ein bisschen nach links oder rechts, um einen besseren Winkel zu bekommen.”“Hä?”
“Ach komm, gib mir einfach mal den Ball, dann zeig ich’s Dir!”
Gebhart lieferte, Khedira auch.
Gemeinsam mit seinem etwas defensiveren Partner Christian Träsch ließ der Chef kaum geordnetes Offensivspiel der Hoffenheimer zu, sodass es im Grunde nur dann, wenn der beeindruckend ballgewandte Maicosuel ins Spiel kam (was zu Beginn und Ende der ersten Halbzeit etwas zu häufig der Fall war), gefährlich werden konnte. Träsch war auch in der Vorwärtsbewegung erneut der Spieler, der die meisten Torschüsse abgab (im ZDF Videotext sind lächerliche zwei verzeichnet, dabei würde ich für mindestens fünf die Hand ins Feuer legen). Träfe er den Ball gelegentlich so wie 2008 gegen Werder oder wie Toni Kroos Woche für Woche, bräuchte sich der VfB derzeit keine Sorgen um die Torausbeute zu machen. So aber bleibt vor allem eines haften: Träsch gewinnt all jene Bälle zurück, die die Mitspieler (am Samstag gelegentlich auch er selbst) dem Gegner in den Fuß spielen, und leitet energisch, manchmal ungestüm, den eigenen Angriff ein – im günstigsten Fall heißt die nächste Station Khedira.
Ansonsten: verdienter Sieg gegen einen Gegner, der sich derzeit wohl zurecht im Niemandsland der Tabelle befindet, der aber immerhin, wie Ralf Rangnick nach dem Spiel in seiner gewohnt sympathischen Nonchalance korrekt feststellte, 9 Punkte mehr als der VfB hat und noch im DFB-Pokal vertreten ist. Wo er recht hat, hat er recht. Genau wie Schiedsrichter Manuel Gräfe, der die traditionsgemäß reflexartig umherhüpfenden Caspars Melchiors Balzers Rippenbiester Hammelswaden Schnürbeine Stehaufmännchen von der Hoffenheimer Bank lässig in ihre Schranken verwies und dabei ein wenig an die Eiche und ihren Umgang mit der Sau erinnerte.
Mit Bedauern war erneut festzustellen, dass die Cannstatter Kurve personalisierte Fangesänge weitgehend verbannt hat. Während man vor Jahren noch individuelle Rufe für zahlreiche Spieler hatte (Tomasson, Meissner, Meira, Hleb, zum Beispiel) und im Vorjahr zumindest noch Mario Gomez aus dem Standardrepertoire bediente, sind derlei Bekundungen mittlerweile verpönt. Was insofern schade ist, als beispielsweise dem verletzt am Boden liegenden Khedira, dem zu Spielbeginn vermutlich nicht völlig entspannten Sven Ulreich und dem zum Abschied noch kurz eingewechselten Ludo Magnin ein wenig individuelle Betreuung sicher nicht geschadet hätte. À propos Magnin: schöne Geste vom Trainer, die ich zwar erhofft, aber nicht unbedingt erwartet hatte.
Überhaupt, der Trainer: bei Sport im Dritten korrigierte er das in einem Beitrag gezeichnete Bild des Disziplinfanatikers mit autoritärem Führungsstil, das Valeska Homburg vorsichtig aufgenommen hatte. Er versuche vielmehr, seinen Spielern Wärme zu geben*, die sie benötigten, um zu rennen. Insgesamt ein sehenswertes Interview, in dem wir erfahren, dass Gross bisher nur mit den Leistungsträgern ausführlicher geredet hat, dass die Antwort auf die Frage, auf welche Spieler man in diesem harten Abstiegskampf wirklich zählen kann, über die Winterpause Veränderungen mit sich bringen kann, dass die Bundesliga keine Wohlfühloase sei, sondern man sich in einem Leistungsbusiness befinde, dass Gross in den nächsten Tagen Spiele(r) in England beobachten wird, dass Aliaksandr Hleb in punkto Commitment noch Luft nach oben hat, und einiges mehr.
Kalt war’s übrigens.
* Im Video ab ca. 8:40.