Just another Länderspielpausenbashing

Ich mag Länderspiele. Schon immer. Länderspiele sind Pflichttermine. Und dabei beziehe ich mich nicht auf jenen Pflichtbegriff, den man gerne mal mit Adjektiven wie “lästig” anreichert, sondern bin gedanklich wesentlich näher an einer freiwilligen Selbstverpflichtung, die ich jederzeit wieder unterschreiben würde. Oder anders: ich freue mich auf jedes einzelne Länderspiel. Mein Vater übrigens auch. Und meine Mutter. Wird wohl eine Erziehungssache sein.

Und doch machen mir Länderspielpausen in letzter Zeit arg zu schaffen. Nicht wegen der gerne mal ins Feld geführten fehlenden Struktur, die sonst die Bundesliga dem Wochenende gibt. Ich weiß mich durchaus auch unstrukturiert zu beschäftigen, im Zweifel unterstützt mich die Familie dabei.

Nein, es liegt an einem ganz konkreten der Länderspielpause geschuldeten Verlust: mein Mittwochsquiz fällt aus. Keine Sorge, ich bin mir sehr wohl darüber im Klaren, dass die althergebrachten Mittwochsländerspiele mittlerweile zumeist dienstags stattfinden, der Regeneration wegen. (Wer möchte, darf sich an dieser Stelle einen Satz über die Belastung von Profifußballern denken.) Im Grunde sollte mein mittwöchentlicher Ablauf demnach gar nicht betroffen sein. Ist er aber. Kollateralschaden, wenn man so will.

Der Hintergrund ist ein recht einfacher: Mittwoch ist mein Skytag. Also der Tag in der Woche, an dem ich mich in aller Regel, Champions-League-Ansetzungen unterstellt, den Segnungen des Bezahlfernsehens hingebe. Mit meinen Fußballfreunden, Sie erinnern sich. Meist kommen wir kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit beim Gastwirt unseres Vertrauens an, der im Normalfall alles vorbereitet hat, sodass wir erst noch ein wenig Fußball schauen können, ehe wir uns dem eigentlichen Zweck widmen können: dem Pub-Quiz.

Geübte Pub-Quiz-Gängerinnen und -Gänger werden an dieser Stelle womöglich eine etwas irreführende Vorstellung solchen Tuns haben. Es ist mitnichten so, dass jemand eine Reihe von Fragen vorbereitet hat, die sich um Gott und die Welt oder auch nur um ein bestimmtes Thema (Fußball böte sich an) drehen, die wir dann einzeln oder in Gruppen zu beantworten versuchen, wie dies gelegentlich auch bei Twitterstammtischen in Köln oder Berlin versucht wird – und diplomatische Verwicklungen hervorruft.

Unser Quiz ist anders. Es besteht aus einer einzigen Frage:

Wer ist der vierte Mann?

Was tatsächlich insofern ein wenig in die Irre führt, als es sich in Einzelfällen auch um eine Frau handelt, die dann allerdings nicht die vierte ist, sondern die einzige. Und da ich mich tatsächlich nur an eine einzige erste Frau erinnern kann, erlaube ich mir, der eingängigeren Formulierung und der populären Referenz wegen beim »vierten Mann« zu bleiben.

Wer also ist jeweils der vierte Mann? Wer ist jene Person, die der Kamera in aller Regel den Rücken zudreht, zudrehen muss, weil es sich an einem runden Tisch, dessen Gesamtsicht zumeist aus einer Standardposition erfasst wird, schlichtweg nicht zu vermeiden ist, dass ein Beteiligter hauptsächlich von hinten zu sehen ist? Jene Person zudem, die dummerweise – was an unserem Timing liegen mag – zunächst einmal zehn Minuten lang nicht nach ihrer Meinung gefragt wird, sodass die Regie wenig Veranlassung verspürt, sie auch mal von vorn zu zeigen, geschweige denn, sie mit einer namenstragenden Bauchbinde zu versehen?

Was dann wiederum insofern recht egal ist, als wir – was an unserer Ignoranz liegen dürfte – die Leute, wenn sie dann im Bild sind, auch nicht kennen. Nicht einmal den schriftlich so geschätzten Ronald Reng, als er im Herbst zu Gast war, geschweige denn einen Mann mit niederländisch klingendem Namen (nein, ich meine nicht den Herrn, der aus welchen Gründen auch immer an einer Taktiktafel platziert wurde), der wohl für den Kicker arbeitet, und auch nicht die junge Dame, die kürzlich die Runde bereichern sollte.

Im letztgenannten Fall griffen wir dann zum letzten Mittel: einem Tweet. Der erwartungsgemäß sehr rasch die gesuchte Antwort hervorrief:

Tweet_Skyfrage_20130313

 

Eine Reihe weiterer, nicht in jedem Fall schmeichelhafter Antworten informierte noch etwas genauer, was insofern nur bedingt half, als ich vermutlich der einzige in meiner Gruppe war, der Frau Gilberts Namen schon einmal gehört hatte und ihre Position kannte – ein “Ach so, die!” war zumindest nicht zu vernehmen.

Wie auch immer: ein Muster scheint erkennbar, dem zufolge es sich meist um Vertreter der schreibenden Zunft handelt, die besser informierte Zeitgenossinnen und Zeitgenossen vermutlich auch von hinten erkennen würden.

Wir nicht. Was unserem Quiz bestimmt gut tut. So werden wir auch weiterhin Champions-League-Woche für Champions-League-Woche rätseln und – wohl wissend, dass wir in der Regel scheitern – darauf hoffen, dass der vierte Mann oder die erste Frau mal von vorne gezeigt wird – die nächste Getränkelieferung kommt bestimmt.

Wäre je noch schöner, wenn die Expertinnen und Experten während der Werbepausen oder gar dann mit Getränken versorgt würden, wenn Fußball kommt. Da hat man keine Zeit für sowas. Zumal man dann ja die jungen Damen in ihren kurzen, engen Kleidchen (wofür werben die eigentlich genau?) nicht mehr im Bild hätte. Und das kann ja nun wirklich nicht im Sinn der Zuschauer sein. Fußball ohne junge Dinger, im Bezahlfernsehen, geht’s noch?

Nächste Woche ist es wieder so weit. Länderspielpause go home!

(Echtzeitinformationen über den vierten Mann werden gerne entgegengenommen. Twitter als Wettbewerbsvorteil.)

Von Plattformen und Idioten

Das ZDF-Sportstudio fordert ja seit einiger Zeit seine Twitter-Follower auf, sich während der Sendung zu Wort zu melden und zur Diskussion beizutragen. Inwieweit die Wortmeldungen in eben diese Diskussion einfließen, war mir bis Samstag nicht ganz klar, aber das mag an mir als eher sporadischem und dann auch auch selektivem Zuschauer liegen. Am Samstag wäre indes die Aufforderung nicht nötig gewesen – der gemeine Twitternutzer ist nämlich, genau wie sein weibliches Pendant, in aller Regel selbstbewusst genug, seine Anliegen auch ohne explizite Aufforderung kund zu tun.

Im vorliegenden Fall bestand das Anliegen darin, das Sportstudio auf ein homophobes Banner aufmerksam zu machen, das am Samstag im Dortmunder Westfalenstadion gezeigt wurde, eigentlich sogar zwei, die aber recht rasch wieder verschwanden.

Und tatsächlich kam das Anliegen an. @ZDFSportstudio kündigte an, dass sich Moderator Michael Steinbrecher äußern werde, was er dann auch tat. Ging allerdings ziemlich schnell. Sinngemäß meinte ich, gehört zu haben, dass man die Hinweise der Twitternutzer erhalten habe und ernst nehme, diesen Idioten aber keine Plattform bieten wolle. Vermutlich meinte er aber doch nur die Urheber des Banners. Und Idioten sagte er wohl auch nicht. Man hat das einfach so im Ohr, ungefähr wie “sogenannte Fans” in anderem Kontext.

Ernsthaft: Es gäbe durchaus nachvollziehbare Gründe dafür, dass das ZDF das Thema nicht so kurzfristig und ohne alle Hintergründe zu kennen (dem Vernehmen nach hatte es mit einer älteren Fanauseinandersetzung zu tun, mitunter wurde auch insinuiert, der homophobe Teil der Sprüche sei nur ein Vehikel, wofür auch immer) in die Sendung nimmt, möglicherweise zählt auch der zunächst per Twitter kommunizierte Hinweis, man verfüge nicht über ein fernsehgeeignetes Bild, dazu. Das Plattformargument halte ich indes für kein gutes.

Ganz im Gegenteil: Meines Erachtens kann man diesen Leuten gar nicht genug Plattformen bieten. Um sie auf jeder einzelnen zu ächten, ihre Dummheit und Intoleranz bloßzustellen, und immer immer wieder den Finger in die Wunde zu legen. Und nebenbei hätte man auch noch darlegen können, dass andere Dortmunder Fans dafür Sorge trugen, dass die Banner innerhalb kürzester Zeit verschwanden. Auch wenn über die Motive eben dieser Leute unterschiedliche Meinungen kursieren, bin ich doch geneigt, ihr unmittelbares Eingreifen als etwas Positives, auch Kommunizierbares, zu verstehen. Aber vielleicht bin ich da auch zu naiv.

Wenn allerdings das ZDF davon spricht, Dingen, die mit Fußball nichts zu tun haben, die dem Fußball vielleicht auch schaden, keine Bühne bieten zu wollen, dann stellt sich mir ganz am Rande eine eher mittelbar zum Thema gehörende Frage:

https://twitter.com/#!/heinzkamke/status/181153558924763138

Und dann werden meine Gedanken von einem Moment auf den anderen ganz und gar frei, mäandern ein wenig durch die hiesige Sportberichterstattung, halten hie und da kurz inne, um schließlich recht unvermittelt zu fragen, aus welchem Grund man all jenen, wie soll ich sagen, Experten eine – bezahlte –Plattform bietet, die ernsthaft moralisch wertvolle Überlegungen zur Daseinsberechtigung von Schere, Stein, Papier im deutschen Fußball anstellen wollen.

Oder ihren Kollegen, die eine Woche lang von der Frage in Bann gehalten werden, ob – und wenn ja, wie intensiv – Vedad Ibisevic einen möglichen Torerfolg bejubeln würde, um ihn hernach in extenso dazu zu befragen. Und dann werden meine Gedanken ein wenig unwirsch und fragen nach der Sau, die das interessieren würde, wenn man ihr nicht ständig einredete, dass es sie interessiere.

Schließlich stolpern sie noch einmal über die Ausgangsfrage von den Plattformen und den Idioten, ohne sich ganz sicher zu sein, ob man eher Fredi Bobic, der offensichtlich einen Spruch raushauen wollte, ohne sich voher um Fakten gekümmert zu haben, von der Plattform fernhalten sollte, oder ob es in gleichem Maße geboten wäre, jene Redakteure ein wenig einzubremsen, die Bobic’ Aussage als inneres Überraschungsei begriffen und sich mit Verve daran machten, einen wunderbaren Konflikt mit Tom Starke zu befeuern – gerne, wie bei Sky geschehen, indem man Bobic erst einmal falsch zitiert und Starke als “Schauspieler” bezeichnet.

Letztlich gelingt es doch noch, die Gedanken wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Was natürlich dem Mann zu verdanken ist, der das Spiel des VfB Stuttgart in geordnete Bahnen … nein, so weit wollen wir dann doch nicht gehen, es geht um den Vizeweltmeisterrechtsverteidiger, der einmal mehr unter Beweis stellte, dass man in den Niederlanden sehr wohl gute Gründe dafür hat, Khalid Boulahrouz auf der rechten Außenbahn zu platzieren. Bereits nach wenigen Minuten ließ er am Samstag mit einem ersten Übersteiger an der Außenlinie und dem damit provozierten Foul keinen Zweifel daran, dass er nur schwer zu halten sein und dem Spiel seinen Stempel aufdrücken würde. Was er mit zwei Hereingaben, die Vedad Ibisevic in arge Gewissensnöte stießen – vielleicht könnte mal jemand erörtern, ob und wie intensiv man nach einem Tor gegen einen Exverein jubeln darf – belegte.

Auch der besagte Vizeweltmeisterrechtsverteidiger nutzte übrigens die ihm gebotene Plattform, als ihn ein Interviewpartner schelmisch frug, ob die beiden Vorlagen Zufall gewesen seien, zu einem rantartigen Hinweis auf vergangene Torvorlagen und darauf, dass man an den Bildern eindeutig sehe, dass die Vorlagen Absicht gewesen seien, und überhaupt … bis der Reporter bescheiden anmerkte, dass er sich einen Scherz erlaubt habe, worauf sich Boulahrouz’ Gesicht aufhellte und er professionell weiter antwortete. Schön anzusehen.

Ach so, wenn wir schon beim VfB sind: Pflichtsieg. Kann man im Nachhinein leicht sagen, und darauf hinweisen, dass man ja früher alles hätte klar machen müssen, und deutlicher gewinnen gegen in der ersten Halbzeit defensiv eher desorientierte Hoffenheimer. Wenn ich Marvin Compper richtig verstanden habe (und da bin ich mir keineswegs sicher), erkannte er bei seiner Mannschaft ein Missverständnis hinsichtlich der Bedeutung von “kompakt stehen”, das keineswegs ein anderer Ausdruck dafür sei, untätig daneben zu stehen. Ich konnte seine Herleitung nicht so ganz nachvollziehen, aber in der Sache würde ich ihm nicht widersprechen.

Wie gesagt: Hernach ist es leicht, von einem Pflichtsieg zu sprechen, und vielleicht noch anzuprangern, dass es hinten raus auch anders hätte laufen können. Da kann man dann auch mal darüber hinweg sehen, dass die beiden Tore zum jeweiligen Zeitpunkt nicht unbedingt in der sprichwörtlichen Luft lagen, sondern halt irgendwie über den VfB gekommen sind. Natürlich gewollt, und bestimmt bei der jeweiligen Flanke auch genau so geplant, aber von “zwingend” würde ich jetzt auch nicht unbedingt reden. Letztlich kein Spiel mit Blumengebinde, eher eines zum entspannten Abhaken, und ob es ein Derby war oder nicht, ist mir völlig egal.

Wobei Markus Babbel in einem insgesamt lesenswerten Interview, bei dem er für meinen Geschmack allerdings etwas zu sehr in den Vordergrund stellt, wie lange und intensiv er den Traditionsverein aus dem Kraichgau bereits verfolgt habe, an einer Stelle gewiss nicht ganz unrecht hat:

Es gab aber auch erst sieben Bundesligaduelle zwischen beiden Clubs. Ist ein Spiel zwischen der TSG und dem VfB überhaupt ein echtes Derby, das beide Lager elektrisiert?

Aufgrund der Historie hat ein Spiel gegen den KSC für den Stuttgarter Anhang wahrscheinlich eine höhere Bedeutung. Ich bin aber ganz sicher, dass es einem VfB-Fan sehr wehtun würde, gegen uns zu verlieren.

Solange wir uns diebezüglich mit Wenns und Konjunktiven befassen dürfen, kann ich indes sehr gut damit umgehen.

Sky verstehen?

Möglicherweise bin ich da völlig auf dem falschen Dampfer. Altmodisch, weltfremd, überempfindlich. Dennoch: es stört mich.

Wieso bietet Sky Klaus Wowereit drei Wochen vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus,  in der Pause des Hertha-Heimspiels gegen den VfB, eine Wahlkampfbühne?

Mir ist durchaus bewusst, dass Markus Babbels Aussagen zum Berliner an sich im Allgemeinen und dessen Größenwahn im Besonderen als Begründung für den Auftritt herangezogen werden können, vielleicht sogar tatsächlich der Anlass waren, aber wär’s nicht auch ohne politische Showeinlage gegangen? Man hätte ja auch einfach über Fußball reden können.

Der Regierende Bürgermeister ließ sich indes nicht lange bitten und bot Babbel Berlin-Nachhilfe an. “Stark gelöst vom obersten Berliner“, schrieb der Kurier folgerichtig, und wer würde es Herrn Wowereit verübeln wollen, die Chance beim Schopf gepackt zu haben?

Beim Blick auf Sky sieht das Ganze, zumindest aus meiner persönlichen Sicht, nicht nur etwas anders aus, sondern riecht auch ein bisschen streng – politics and games und so, Sie wissen schon. Aber wie gesagt: vielleicht bin ich da übersensibel.

Und wer weiß, möglicherweise darf ja Frau Künast demnächst ein Fehlverhalten der Hertha-Abwehr analysieren:
“Da müssen wir ran!”

C-Klasse, zweite Mannschaft

Am Freitag ging’s also los. Mein erstes TV-Saisonspiel. Also echter Fußball, menschliche Interaktion und so, anders als im Stadion. Etwas überraschend war nicht die übliche Riege da – weder der neunmalkluge VfB-Fan, der sich meist so lange auf die Seite des Gegners schägt, bis ein Sieg des VfB unabwendbar ist und selbstverständlich bejubelt wird, noch der “Japsen”-Beschimpfer mit der Frisur, noch der besoffene Chefkritiker, der weniger gut gelittene Spieler gerne als “Tote” bezeichnet. Statt dessen fanden sich zwei etwas jüngere Herren ein, die offenbar schon ein paar Stündchen auf dem Weindorf verbracht hatten, deren Langzeitgedächtnis aber noch funktionierte und die dementsprechend den einen oder anderen Slogan aus den 80ern parat hatten. “Hau ihn um” war der multipel einzusetzende Favorit, das in diesem Kontext auch gern genommene “der zappelt ja noch” konnte mangels Umsetzung der ersten Aufforderung keine Anwendung finden. Lautstärke und Ahnungslosigkeit ließen mich dennoch vorübergehend im vernebelten Raucherbereich Zuflucht suchen. Trotz Nichtraucherschaft.

Fast noch einen Tick sympathischer war der ältere Herr, den ich dereinst für eine Idealbesetzung als Helga Beimers Onkel Franz gehalten hätte. Nach wenigen Minuten stellte er fest, dass das Spielniveau bestenfalls das der “C-Klasse, 2. Mannschaft” erreiche. Abgesehen davon, dass der Widerspruch inhaltlich nicht in jeder Situation leicht zu begründen gewesen wäre, verfolgten wir rasch die Strategie, den Troll nicht zu füttern – zwei, drei anfängliche Einwürfe der Kategorie “na ja…” hatten zu unergiebigen Diskussionsansätzen geführt. Er ließ sich nicht beirren und behielt seinen Stil, weitgehend auch die Wortwahl, bei, gerne begleitet von Zustimmung oder zumindest irgendeine Reaktion heischenden Blicken, denen wir mehr oder weniger geschickt auswichen. Die Frage, weshalb er sich das Spiel denn überhaupt anschaue, wenn es sich auf C-Klassen-Niveau bewege, gar Schmerzen bereite, wenn kein einziger von den 20 (die beiden Torhüter nahm er aus) etwas tauge, beantwortete er entwaffnend: “Weil nichts anderes kommt.” Kurz vor Schluss begann er dann noch ein wenig zu schwelgen, von den Blauen, die in zwei Jahren wiederkämen, und von den 50er Jahren, von 1954, 56, 58 (54 und 58 war der VfB Pokalsieger, 56 erschließt sich mir nicht so recht, aber da war ich auch noch zu jung), nannte Namen wie Waldner und Bögelein, um im Hinausgehen noch einen echten Onkel Franz zu platzieren: “Aber heute, da spielen da ja nur noch Kanaken.” Sieht so aus, als stünde unsere Fußballkneipe für diese Saison auf der Kippe.

Wie gesagt, es war mein erstes TV-Spiel dieses Jahr. Das Auftaktspiel hatte ich im Stadion verfolgt, danach war Urlaubszeit. Ohne Blogs, mit wenig Zeitungen, meist offline, weitgehend ohne Twitter. Von der Partie in Gladbach hatte ich nur Rudimente sehen können, gegen Leverkusen hatte ich jegliche ernsthafte Spielberichterstattung verpasst, aber das Aktuelle Sportstudio sowie Sport im Dritten gesehen. Im Sportstudio war, angesichts des “Duells” mit Bernd Leno nicht ganz überraschend, Sven Ulreich zu Gast, der VfB-Torhüter, wo zweimal durch tiefe Tals gegangen war. Bei Sport im Dritten, wo William Kvist in kurzen Hosen zu Gast war, entblödete sich der Haus- und Hofsender des VfB nicht, zwei Wochen nach dem ersten Heimspiel und mindestens 10 Tage, nachdem sie bundesweit rauf- und runtergelaufen waren, die Sichtluken in der Herrentoilette schenkelklopfend zu zeigen. Ja, so sehen bittere Erinnerungen an die ersten Saisonspiele aus.

Fußball wurde natürlich auch gespielt am Freitag. Und wenn man den “Stimmen zum Spiel” glauben darf, die der VfB auf seiner Website veröffentlicht hat, hätte man wohl verdient und haushoch gewonnen, wenn man nur seine Torchancen genutzt hätte. Dass man einfach nicht in der Lage war, genügend Druck auszuüben, um die Hertha zu mehr Fehlern zu zwingen, dass ein planmäßiges Vorgehen nur zu erahnen war, dass man vergeblich nach schnellen gemeinschaftlichen Aktionen suchte, egal ob mit oder ohne Ball, dass kein Spiel über die Außen stattfand, weil außer Harnik alle in die Mitte drängten, was dort aber auch nicht zu mehr Kreativität führte, spiegelt sich in den Stimmen zum Spiel nicht wider. Wäre vielleicht auch etwas viel verlangt.

So gehe ich halt davon aus, dass man sich intern damit befasst. Dass man sich fragt, wann die schnellen, überraschenden Bälle, die man so gerne vertikal nennt, von Zdravko Kuzmanovic verschütt gegangen sind, und wo seine Torgefährlichkeit hin ist. Dass man sich überlegt, ob es sinnvoll sei, anstelle einer erkennbaren gemeinschaftlichen Offensivstrategie ausschließlich auf die Ideen von Tamas Hajnal zu setzen, die bestimmt irgendwann wieder einmal kommen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Timo Gebhart Hajnals Position momentan wesentlich schlechter ausfüllen würde. Andererseits täte Gebhart auch über außen gut, wenn er denn fit ist, was ich zugegebenermaßen nicht seriös beurteilen kann. Das Spiel des VfB braucht mehr Tempo. Da ist es mir auch recht egal, ob auf dem Rasen 30 Grad Celsius herrschen oder nicht. Tempo über außen, Tempo auch in der Mitte, speziell dort gerne auch mit etwas Präzision und gelegentlichen Kreativitätsschüben angereichert. Es ist bezeichnend, dass Fredi Bobic ein wenig weinerlich wirkte, als er feststellte, dass es die Heimmannschaft dem VfB überlassen habe, das Spiel zu machen. Wo der das doch nicht kann.

An eine nennenswerte Offensivaktion von Cristian Molinaro kann ich mich nicht erinnern, was zum einen mit dem nach wie vor verbesserungswürdigen Zusammenspiel mit Okazaki, zum anderen wohl auch mit dem starken Patrick Ebert zu tun gehabt haben dürfte. Stefano Celozzi machte seine Sache meines Erachtend überraschend ordentlich. Fredi Bobic begründete seine Auswechslung hernach mit einer Verletzung, anderswo hörte ich diese Begründung nicht. Falls dem nicht so sein sollte, dürfte klar sein, dass Labbadia nicht mehr auf Celozzi zählt, nachdem er ihn gar durch Linksverteidiger Boka ersetzt hat. Dann möge man aber bitte auch die Konsequenzen ziehen und Andreas Hinkel verpflichten, oder sonst jemanden, der den Anforderungen genügt.

Und dann war da noch Serdar Tasci, der dem Vernehmen nach auf den Unterschied im Umgangston beim Männerfußball einerseits und Frauensport andererseits hingewiesen hat. Leider kursieren unterschiedliche vermeintlich oder auch tatsächlich wörtliche Zitate, und einen Mitschnitt habe ich noch nicht gefunden. Ob ich mich ein wenig empören will, hängt von eben diesem Wortlaut ab. Bisher neige ich nicht dazu, auch wenn der Vergleich bestimmt nicht sonderlich clever war. Anlass war ein kleiner Disput mit Sven Ulreich nach dem Spiel, den ich im Fernsehen gesehen und bei dem ich mich darüber gefreut hatte, dass Sky ihn nicht zum Gegenstand der Berichterstattung nach Spielschluss machte. War aber wohl etwas vermessen, darauf zu hoffen, dass so etwas einfach unter “zwei unzufriedene Mannschaftskameraden sagen sich nach dem Spiel kurz die Meinung, das gehört dazu” abgelegt würde, fällt schließlich in die Kernkompetenz des aktuellen Sportstudios.

Um doch noch einen Sieg des VfB zu erleben, sah ich mir am Samstag im Schlienz das Bundesligaspiel der U19 gegen Mainz an, das zuletzt die Frankfurter Eintracht mit 8:0 vom Platz gefegt hatte. Der VfB-Nachwuchs war speziell in der ersten Hälfte die stärkere Mannschaft und agierte mit hohem Tempo über die Außen sowie mit einer dominanten Zentrale, also wie man es sich auch bei den Großen in höherem Maß wünschen würde. Wenn also im November Tayfun Korkut… Rani Khedira und Lukas Kiefer hatten das Spiel in der Mitte im Griff, hinten erinnerte Robin Yalcin einmal mehr (im positiven Sinne) an Serdar Tasci, Torhüter Odisseas Vlachodimos wirkte präsent und selbstbewusst, und vorne traf man, nun ja, eben auch über Standardsituationen, für die der agile Ndriqim Halili verantwortlich zeichnete. In der zweiten Hälfte war Mainz, das auch zuvor schon ansehnlich gespielt hatte, etwas zielstrebiger, speziell Lucas Röser, und schuf kurzzeitig noch einmal ein wenig Spannung, doch letztlich gewann der VfB mit 3:1. Ob außer mir und meinen Begleitern weitere Zuschauer zugegen waren, die weder Spielerberater noch Scouts noch Eltern sind, weiß ich nicht.

Vom abendlichen Bundesligaspitzenspiel blieb mir – neben den Schiedsrichterdiskussionen, die andernorts zur Genüge geführt werden, und den großartigen Torhüterleistungen – letztlich in erster Linie Jürgen Klopps Frisur in Erinnerung. Sie erinnerte allzu sehr an die von Patrick Ebert.

Die Bundesliga hat mich wieder. Das ist ihr egal, ich weiß.
Aber ich hab sie wieder. Schön.
Länderspielpause, pah.

Geh weg!

Zunächst fand ich den Gedanken gar nicht so furchtbar schlecht. Der Abstiegskampf versprach ja doch noch einiges an Spannung, da würde ich es vielleicht einmal verkraften können, dass in der Fußballkneipe meines Vertrauens nicht das Spiel des VfB in München liefe, sondern die Bundesliga-Konferenz. Ich hatte so etwas ewig nicht gesehen, und die Erinnerung, was für einen untauglichen Versuch, Fußball zu zeigen, das Konzept Konferenz darstellt, war wohl ein wenig verblasst.

Da das VfB-Spiel für die Abschlusstabelle nur leidlich interessant war, gab es recht wenig davon zu sehen, sodass ich keine Ahnung habe, ob die Mannschaft gut gespielt hat oder schlecht, wie die taktische Formation aussah, ob man eher über links oder rechts angriff, wer Sicherheit ausstrahlte und wer eher mit Stockfehlern auf sich aufmerksam machte. Immerhin: die Tore wurden gezeigt, mit etwas Glück sah man sogar noch einen oder zwei Pässe davor. Dass indes dem 1:0 für den VfB nicht nur gelungene Aktionen von Okazaki und vor allem Harnik  zugrunde lagen, sondern dass auch Boulahrouz’ Pass ganz großartig und der Ball zuvor schön gelaufen war, erfuhr ich erst viel später. Bei Sky ließ man mich wissen, dass der VfB in Person von Kuzmanovic noch zwei weitere gute Chancen hatte, dass man auch 2:0 hätte führen können, anstatt den Ausgleich der Bayern hinzunehmen, und dass die Münchner das Spiel nach der Führung durch Schweinsteiger recht souverän im Griff hatten.

Das war’s dann aber wirklich. Allerdings ging es, wie bereits gesagt, in München nicht um viel. Dummerweise kann ich aber auch nicht sagen, ob Hoffenheim die Führung hätte ausbauen können, ob sie überhaupt verdient war. Ich weiß nicht, ob Sebastian Rudy nur diesen einen tollen Pass auf Roberto Firmino spielte, oder ob er vielleicht die absolut spielbestimmende Figur war. Ich kann nicht beurteilen, ob die Tore der Wolfsburger nur eine Frage der Zeit gewesen waren, weiß nicht, wie Felix Magath Diego ersetzt hatte – dass er nicht spielte, hörte ich indes in schöner Regelmäßigkeit, egal welches Spiel gerade lief. War Gladbachs Führungstreffer verdient, zeigte sich der HSV engagierter als zuletzt? Mittlerweile habe ich einiges dazu gelesen, aber am Samstag wäre ich überfragt gewesen. Oder wenn mich jemand gefragt hätte, wie frei Gekas’ Gedanken waren: ich hätte passen müssen.

Konferenz ist nichts für mich. Das könnte daran liegen, dass ich mich für Fußball interessiere. Dass ich sehen will, wie sich ein Spiel entwickelt, wie die Mannschaften ihr Spiel anlegen, wie sie das Tempo variieren und wer dieses Tempo vorgibt. Ich möchte mir einen Eindruck verschaffen können, wo Schwachstellen sind, wer besonders ballsicher und wer ein Wackelkandidat ist. Wie reagiert eine Mannschaft auf taktische Veränderungen beim Gegner, welcher Spieler wirkt schon in der 60. Minute müde, wieso gelingt es dem Stürmer immer wieder, seinem Gegenspieler zu entwischen?

Möglicherweise übersteigt die Beantwortung all dieser Fragen meinen Fußballverstand bei weitem. Zumal das bloße Verfolgen eines Spieles am Fernsehen wahrscheinlich gar nicht die notwendigen Informationen bietet, derer es bedarf, um die Antworten zu finden. Man hängt dann ja doch stark von den Bildern ab, die angeboten werden, kann nicht die Totale sehen, wenn gerade ein sich schnäuzender Spieler oder das Dekolleté einer Präsidentengattin von Belang scheinen. Und doch entwickle ich ein Gefühl für das Spiel, kann beurteilen, wer es prägt, kann Vermutungen anstellen, wer in Führung gehen wird und wer ausgewechselt werden sollte, kann es irgendwie begreifen.

Konferenz erlaubt mir all das nicht. Konferenz ist eine Ansammlung von Toren, Platzverweisen und sonstigen Wiederholungen, ergänzt um das Geplätscher dazwischen, das man bei einem Einzelspiel als ganz normal ansehen würde, so aber als notwendiges Übel betrachtet. Konferenz ist das Gefühl, dass immer dann umgeschaltet wird, wenn sich so langsam etwas tun könnte. Konferenz ist Hochglanzfußball, dem es an Substanz fehlt, um dauerhaft zu glänzen. Konferenz ist für Leute, die Fußball auf geile Tore reduziert sehen wollen, die bei Fallrückziehern Schaum vor dem Mund bekommen, die dem Eventpublikum auf den Fanmeilen vorwerfen, sich nur alle zwei oder gar vier Jahre aus niederen Motiven für Fußball zu interessieren, die großartige Spielzüge genau dann als solche erkennen, wenn auch ein Tor daraus wird.

Konferenz ist nicht mein Fußball. Geh weg, Konferenz!