Zeitspiel ärgert mich nicht mehr. Mit Zeitspiel habe ich mich abgefunden. Wenn gegnerische Mannschaften (die beispielsweise gerne mal Köln heißen) im Neckarstadion eine knappe Führung verteidigen wollen, bin ich zumeist der einzige im Block, der seine Unmutsäußerungen für sich behält noch halbwegs im Griff hat. Auch weil ich weiß, dass der VfB es auf der anderen Seite genau gleich machen würde. Es gehört dazu, und so sehr ich mir das Gegenteil auch wünschen würde, bin ich doch überzeugt, dass ich seine Ausrottung nicht mehr erleben werde. Dabei zeigen beispielsweise die Handballer (soweit ich das als Laie beurteilen kann), dass Spieler sich über konsequent ausgesprochene persönliche Strafen durchaus disziplinieren lassen. Im Fußball läuft das nicht.
Dessen ungeachtet gebe ich an dieser Stelle zu, dass ich Verständnis für Jens Lehmann hatte, als er sich über den jungen Mann hinter der Bande echauffierte. Wenn außen Stehende wie beispielsweise Sportdirektoren, Mannschaftsärzte oder, ganz konkret, Balljungen sich an diesem unwürdigen Spiel beteiligen, ist das für mich eine andere Sache. Zwar gilt mein Gedanke, dass ich von Sportdirektoren und Mannschaftsärzten mehr Abstand erwarten können muss, für jugendliche Ballholer wohl kaum; die Sanktionsmöglichkeiten sind für den Verein jedoch unmittelbar gegeben – bleibt die Frage, ob er in Fällen wie denen des jugendlichen Helden von Hannover, wenn überhaupt, eher positiv oder negativ sanktioniert.
Natürlich kann man über Videos schmunzeln, in denen Balljungen durch rasches Handeln ein Tor einleiten oder den heraneilenden Spieler alt aussehen lassen. Für den Zuschauer ist das Zeitschinden vermittels Balljungen in der Regel amüsanter als die rustikale Variante (Ball auf oder gar über die Tribüne), sodass sich die Regeländerung zur Spielbeschleunigung(?) aus der Saison 1996/97 wohl auch für das Publikum gelohnt hat und nicht nur den Ballproduzenten zupass kam. Mich ärgert sowas.
Minderheitenmeinung, mag sein. Irrelevant sowieso. Genau wie die endlosen Diskussionen um die Trainerfrage, in der sich mittlwerweile auch Medien zu Wort melden, von denen ich bis vor einigen Tagen nicht wusste, dass sie eine Sportredaktion haben. Oder liegt es daran, dass die Zukunft von Markus Babbel ein gesamtgesellschaftliches Thema ist? Wie auch immer: wie sollte ich Schlurchblogger die vielfältigen Äußerungen zu Babbels Situation deuten können, wenn sich selbst Qualitätsmedien wie Sportbild und Sportal in der Interpretation nicht völlig einig sind?
Und was soll man zum Spiel sagen, wenn selbst der Brustring ratlos ist?
Nichts, am besten. Da weise ich lieber darauf hin, dass mein Verständnis für Jens Lehmann nicht so weit geht, seine gesamtgesellschaftliche Interpretation eines ihm gespielten Streiches zu teilen (auch wenn ich es natürlich begrüße, dass er seine Kinder zu korrekten Menschen erziehen will).
Doch noch eine Frage zum Spiel: dass Boulahrouz auf der Bank saß, ist darauf zurückzuführen, dass man der Hannoveraner Offensive nicht sehr viel Durchschlagskraft zugetraut und die eigenen Innenverteidiger eher für den Spielaufbau eingeplant hatte, oder?