Jens Lehmann hätte ein Zeichen setzen sollen. Nach dem Ausgleich des VfB Stuttgart gegen die Bayern hatten die Stuttgarter noch mindestens einen weiteren Freistoß – wieso ist er da in seinem Tor geblieben, anstatt weiterhin mit nach vorne zu eilen, um den Siegtreffer zu erzielen? Er hätte den Münchnern klar machen können, dass der VfB mit einem Punkt nicht zufrieden sein konnte. Nicht nach einem Spiel, von dem die Bayern zwar glaubten, es in der zweiten Hälfte eindrucksvoll gedreht zu haben; einer zweiten Hälfte allerdings, in der sie nach meiner Zählung drei, maximal vier Torschüsse zu verzeichnen hatten und so nach ZDF-Angaben auf 7-24 Torschüsse verkürzten. Am Ende einer Vorrunde, in der die Bayern wiederholt Führungen nicht über die Zeit retten konnten (und mehr als ein “Hinüberretten” wäre es tatsächlich nicht gewesen, hätten sie den Platz als Sieger verlassen), wäre das ein schönes Signal an die Herren mit dem Sieger-Gen und dem “Mir-san-mir-Gefühl” gewesen, finde ich.
Zudem hätte es den angenehmen Nebeneffekt gehabt, dass sich die Münchner in ihren Interviews nach dem Spiel auf Lehmanns Hybris hätten stürzen können, anstatt sich in einer [hier bitte ein passendes Adjektiv einfügen, je nach Position – gerne auch in den Kommentaren] Schiedsrichterschelte zu ergehen, die eigentlich unter ihrer Würde sein sollte.
Ok, jetzt mal etwas realistischer: Ja, natürlich wäre Hybris der richtige Ausdruck, und selbstverständlich wäre auch ich einem Herzinfarkt nahe gewesen, wenn Lehmann tatsächlich so gehandelt hätte. Und ja, es gibt durchaus Gründe, nach dem 2-2 von einem “gefühlten Sieg” für die Gastgeber zu sprechen, eben weil der Ausgleichstreffer erst in der Nachspielzeit fiel.
Ehrlich gesagt hätte nicht viel gefehlt, und an dieser Stelle wäre das alte Lied von der bayerischen Cleverness erklungen. Es war beeindruckend, wie sie es nach dem 2:1 kurzzeitig schafften, jegliches Tempo aus dem Spiel zu nehmen (das ist NICHT ironisch gemeint), und gleichzeitig eine Viertelstunde lang jegliche Zuversicht auf Stuttgarter Seite -bei Spielern wie Fans- schwinden zu lassen.
Der VfB bäumte sich dann aber mit bekanntem Ausgang nochmals auf, sodass ich lieber ein anderes altes Lied singe: das von den ausgebufften Italienern. Nein, ich meine natürlich nicht Oddos Platzverweis, den Blogger beider Seiten als berechtigt einstuften (ich selbst hätte ihn beim ersten Ansehen vermutlich nicht gegeben und denke auch nicht, dass Oddo lange gesperrt wird; berechtigt war der Ausschluss aber ganz bestimmt). Vielmehr spreche ich von Luca Toni (vulgo: Lucatoni), der es schafft -unabhängig von aller fußballerischen Klasse-, in vielen seiner Zweikämpfe foul zu spielen und dabei nicht nur sehr selten vom Schiedsrichter bestraft zu werden, sondern häufig gar einen Freistoß zugesprochen zu bekommen.
Gerade als VfB-Anhänger muss man dieser Fähigkeit sehr hohe Anerkennung zollen: der hiesige Toptorjäger Mario Gomez, körperlich ein ähnliches “Kaliber” wie Toni, scheint vielen Referees als rotes Tuch zu gelten; der letzte ihm zugestandene Elfmeter dürfte Jahre zurückliegen – ob sich das angesichts seiner häufigen und anhaltenden Beschwerden bei den Schiedsrichtern in absehbarer Zeit ändert, scheint fraglich.
Wie auch immer:die Vorrunde hat ein gutes Ende gefunden. Der VfB zeigt wieder Lauf- und Einsatzbereitschaft, gelegentlich sogar Spielwitz, und mehrere Spieler sind auf einem guten Weg zurück zu alter Stärke – oder darüber hinaus, allen voran Sami Khedira. All das ist jedoch dann Makulatur, wenn man es nicht schafft, am Donnerstag gegen Standard Lüttich das Überwintern im Uefa-Cup zu sichern. Ein Scheitern könnte auch die glänzende Perspektive, die sich das Gespann Babbel/Widmayer erarbeitet hat, mit einem Schlag wieder deutlich blasser erscheinen lassen.
Aber an so etwas will ich derzeit nicht denken.