Ein fantastischer Spieler und Mensch

“Ich bin mir sicher, dass wir das noch gewinnen”

Hatte ich das wirklich gerade gesagt? Wir schrieben die 75. Minute, Nürnberg war mittlerweile die deutlich stärkere Mannschaft, und das Spiel des VfB gab keinerlei Anlass zur Hoffnung auf einen zweiten Treffer. Der Sturm bestand seit der 50. Minute nur noch aus Pogrebnyak, zumindest beim Versuch der Balleroberung abwechselnd unterstützt von Khedira und Träsch. Auf der linken Offensivposition versuchte sich erneut Roberto Hilbert, der gleich bei seiner ersten Aktion mit dem Ball ins Aus gedribbelt war – der ältere Herr am Nachbartisch, der ansonsten in erster Linie mit rassistischen Zoten auf sich aufmerksam machte, hatte ihm ein freundliches “Hau ab, Du Arschloch” entgegengeschleudert. Sein Nebensitzer, der zu Spielbeginn noch durch die entschiedene Unterstützung beider Mannschaften aufgefallen war, hatte sich, ganz dem Spielverlauf entsprechend, mittlerweile vollends auf die Seite der Nürnberger geschlagen, und auch meine Freunde kritisierten immer deutlicher die Entscheidungen des Trainers – vielleicht sollte ich die Herren mal auf diesen oder auch jenen Text hinweisen: Der Trainer hat immer recht.

Hinten war Celozzi eben Celozzi, und auch zwei Stabilitätsgaranten der letzten Wochen, Georg Niedermeier sowie insbesondere Christian Träsch, standen über weite Phasen des Spiels deutlich neben sich. Jens Lehmann hatte einen – wie Trainer Gross später feststellen sollte – dieser typischen flatterhaften adidas-Bälle nicht parieren können, und die Hereinnahme eines Sechsers hinter den beiden Sechsern, Kuzmanovic, hatte keine Stabilität gebracht, sodass größere Unbill drohte.

Vorne war nicht damit zu rechnen, dass Timo Gebhart vor dem Tor noch einmal cool bleiben würde, Pogrebnyak und sein Partner Träsch waren nicht torgefährlich, und nicht einmal Raphael Schäfer, in den der gemeine Stuttgarter Anhänger eingedenk seiner früheren Leistungen als VfB-Torhüter große Hoffnungen gesetzt hatte, schien die Erwartungen erfüllen zu können: bis dahin hatte er noch nicht einmal einen Abstoß ins Seitenaus geschlagen, geschweige denn einen Rückpass versemmelt.

Wenn man also ehrlich war, sprach nur noch sehr wenig für einen Sieg des VfB und manches für einen Nürnberger Dreier, und doch hatte ich ein verdammt gutes Gefühl. Also würde ich mein vorschnelles “Ich bin mir sicher, dass wir das noch gewinnen” (ja, allem Anschein hatte ich tatsächlich “wir” gesagt) nicht zurückziehen oder relativieren, sondern konkretisieren – was insofern nicht schwer fiel, als die Zahl der Hoffnungsträger überschaubar geworden war:

“Khedira macht das klar.”

Und wie er es klar machte. So klar, dass Christian Gross im Interview mit Boris Büchler derart von dem fantastischen Spieler und Menschen Khedira (ab ca. 0:50) schwärmte, wie man es von einem Trainer ungefragt nicht allzu häufig zu hören bekommt. Wie bereits vor dem ersten Tor spielte Khedira den entscheidenden Pass, Pogrebnyak und Schäfer wussten um den mitgelaufenen Angreifer und ließen den Ball wunderbar durch, sodass Roberto Hilbert zur Freude des Trainers mit dem frisch trainierten linken Fuß vollenden konnte. Zum Abhauen wurde er nicht mehr aufgefordert.