Strohfeuerwerk

“Der VfB ist halt keine Champions League-Mannschaft. Die kommen da manchmal zufällig rein, und dann…”

Der Rest war Schweigen – meine Frau war sensibel genug, nicht noch mehr Salz in die Wunde zu streuen. Natürlich hätte ich zumindest dem “zufällig” vehement widersprechen müssen, aber was hätte das gebracht? Die viel spannendere Frage lautet ja in der Tat, was auf das “und dann…” in dieser Saison folgt – aber beantworten hätte ich sie in diesem Moment nicht können.

Kann ich natürlich auch jetzt noch nicht, aber die Zuversicht kehrt wieder deutlicher zurück, nachdem ich mir gestern von vielen Leuten rund um das Neckarstadion herum beinahe hätte einreden lassen, dass ein Punkt zuhause gegen Glasgow zu wenig sei, um sich für das Achtelfinale zu qualifizieren.  Dabei hatte der Abend gut hervorragend begonnen.

20 Minuten lang brannte der VfB ein Feuerwerk ab, das es in sich hatte. Cacau sprühte vor Tatendrang, Hilbert stand ihm in nichts nach, Boka duellierte sich erfolgreich mit jedem, der in seine Nähe kam, Hitzlsperger machte das Spiel schnell wie lange nicht, kurz: man sah eine begeistert auftretende Mannschaft, die sich nicht nur viel vorgenommen hatte, sondern dies auch vom Anpfiff weg umzusetzen begann. Nach besagten 20 Minuten hätte der VfB mit 2-3 Toren führen können; gereicht hatte es aber nur zu einem Treffer, den Pogrebnyak nach beherztem Einsatz von Hilbert und Cacau erzielte.

Danach ließ man es etwas ruhiger angehen, gestattete den Schotten etwas Luft zum Atmen und erlaubte ihnen die ersten zaghaften  Schritte über die Mittellinie, wo sie allerdings ziemlich verloren wirkten und nicht von Stellungsfehlern des zuletzt so starken Christian Träsch profitieren konnten (Tascis Leerlaufgrätsche mit 20 Metern Anlauf möge vom Mantel des Schweigens verhüllt bleiben). Grundsätzlich erschien es durchaus sinnvoll, ein wenig Tempo herauszunehmen, um sich etwas mehr Platz für die dann zu setzenden Nadelstiche zu verschaffen. Die Gelegenheit dazu ergab sich tatsächlich das eine oder andere mal, ohne jedoch zu zwingenden Torchancen zu führen. Mitunter schienen Cacau und Pogrebnyak etwas zu sehr darauf erpicht zu sein, mit Direktpässen zu unterlegen, wie gut sie mittlerweile harmonieren, anstatt die Freiräume gelegentlich auf eigene Faust zu nutzen (einmal war allerdings auch das Gegenteil der Fall). Insgesamt aber beruhigte sich das Spiel zum Ende der ersten Halbzeit hin sehr, sodass die Stuttgarter Zuschauer allmählich unruhig wurden und die Pause herbeisehnten, auf dass sich das Feuerwerk nicht als Strohfeuer entpuppe und ihre Mannschaft danach wieder zielstrebiger zu Werke gehen möge.

Was nicht geschah. Vielmehr wurde der Trend fortgesetzt, indem man sich in der Vorwärtsbewegung immer weniger zutraute und sich minütlich weiter zurückzog, sodass die Gäste gar nicht mehr anders konnten, als ihrerseits aktiver zu werden (und irgendwann den Ausgleich zu erzielen). Die üblichen Reflexe auf der Tribüne setzten zuverlässig ein: Aufforderung zum Kampf, Pfiffe, Hilbert-Kritik.  Im Ernst: Roberto Hilberts Hereingaben von rechts fanden speziell in der zweiten Halbzeit nicht ihr Ziel, teilweise kam es wegen missglückter Dribblings nicht einmal dazu. Das kann man – zurecht – kritisieren. Dann sollte man aber vielleicht auch die Frage stellen, wieso von der linken Seite keinerlei Signale kamen, sich in irgendeiner Seite am Stuttgarter Offensivspiel zu beteiligen, weder von Hleb (ok, angeschlagen) noch von Gebhart (bis auf die letzten drei Minuten). Aber es ist müßig, Fehler gegeneinander aufzurechnen. Ich schweife ab.

Letztlich müssen sich der VfB und sein Anhang glücklich schätzen, dass die Schotten kurz vor Schluss nur den Pfosten trafen. Dennoch ist der Start mit einem Heimpunkt natürlich alles andere als optimal. Da jedoch von den 15 noch zu vergebenden Punkten im Gegensatz zu früheren Jahren, als man sich beispielsweise gegen Barcelona im Grunde keine Chancen ausrechnete, kein einziger von vornherein abgeschrieben werden muss, habe ich derzeit keinerlei Lust, mich mit Vergleichen zur letzten Champions League-Saison des VfB zu befassen, als man recht kläglich ausschied. Einfach mal die Kirche im Dorf lassen. Und vielleicht gegen Köln gewinnen, das wird schwer genug – wie ich im Übrigen auch im VfB FanPod zum Ausdruck brachte, für den ich vor dem Spiel ein paar Fragen beantworten durfte.

Kleine Randnotiz: Als Christian Träsch offensichtlich sehr heftig vom Fuß eines Schotten im Gesicht getroffen wurde (und eine Gehirnerschütterung davontrug) , hielt es Schiedsrichter Bussaca für ein gute Idee, sehr gemäßigten Schrittes und im angeregten Gespräch mit einigen Spielern zum am Boden liegenden Träsch zu flanieren, anstatt ihm rasch die nötige medizinische Behandlung zukommen zu lassen. Über so etwas kann ich mich fürchterlich ärgern.