Liegengebliebenes und Aufgewärmtes

Die Nachspielzeit lief bereits, als Kai Dittmann berichtete, wie Sven Ulreich vor einem Stuttgarter Eckball Blickkontakt zu seinem Trainer gesucht habe, um von diesem ein Signal zu erhalten, ob er mit nach vorne eilen dürfe, solle, könne, müsse. Schließlich lag man in Augsburg zurück, nachdem man lange einen “Big Point” vor Augen gehabt und viel für dessen Zustandekommen getan hatte. Sollte das alles vergebens gewesen sein?

Es ist nicht überliefert, ob Stevens Ulreich eine Absage erteilte oder ob der Blickkontakt gar nicht erst zustande kam. Sehr wohl überliefert ist indes die Reaktion des älteren Herrn in meiner Fußballkneipe, der Dittmanns Ausführungen unzweideutig kommentierte: “Was will der denn da vorne? Da fällt er bloß über die eigenen Füße.”  Die ungeteilte Liebe der Fans ist ihm im Lauf der Jahre wohl ein bisschen abhandengekommen.

Mein gequältes Lächeln signalisierte Zustimmung. Wehmütig denke ich regelmäßig an jene Zeit zurück, als jemand, vielleicht war es Eberhard Trautner, Timo Hildebrand Regionalliganiveau als Feldspieler attestierte. Das mag einem gewissen Überschwang geschuldet gewesen sein, zumal die Regional- damals die dritte Liga war, aber es lässt erahnen, worum es geht: Fußball. Und dessen grundlegende Techniken.

Auf Timo Hildebrand folgte mit Raphael Schäfer ein fußballtechnischer Antipode, und dass Schäfer dem jungen Ulreich auf Augenhöhe begegnete, kann man gerne als hübsche Randnotiz mit inhaltlicher Relevanz heranziehen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Oder anders: Sven Ulreichs Erfolgsaussichten im gegnerischen Strafraum vermute ich eher im Bereich von Oliver Kahn als von Jens Lehmann.

Aber daran lag es am Samstag nicht. Ulreich hat keine Hohle geschlagen, nicht im Dribbling den Ball verloren oder ihn sich selbst hinter die Linie geworfen. Und vermutlich entspränge es nicht nur einer sehr freien, sondern vielmehr einer boshaften Interpretation, Huub Stevens zu unterstellen, er habe den Blickkontakt mit Ulreich vermieden, weil er ihm nichts ins Gesicht sehen, weil er ihn nicht mehr sehen wollte nach zwei Gegentoren, die ihn zumindest nicht zum strahlenden Helden werden ließen. “Tapsig” wäre eine Beschreibung, die mir beim 1:0 in den Sinn käme, “unentschlossen” beim 2:1.

So läuft’s halt manchmal, und ja, es passt – daraus habe ich hier nie ein Hehl gemacht –  in mein Bild des jungen Mannes, das Bild eines durchschnittlichen Bundesligatorwarts mit großen Stärken, aber auch unübersehbaren und bis dato offenbar nicht auszumerzenden Schwächen. Und gewiss, es ist wohlfeil, jetzt darauf zurückzukommen. Schließlich hätte Ginczek ja auch einfach vor der Pause das 1:2 erzielen können. Hätte der eine oder andere die Chance gehabt, nach der Pause nachzulegen. Hätten vor dem 2:1 nicht alle stehen zu bleiben brauchen, während die Augsburger nachsetzten. Hätte sich Niedermeier einfach mal auf das sportliche Duell mit Bobadilla konzentrieren dürfen. Stimmt alles. Und hilft nichts.

Chance verpasst, hieß es allenthalben. Weil alle für den VfB gespielt hatten, es im Fall des HSV sogar danach noch taten. Aber eben auch: es ist nichts kaputtgegangen. Anders als von Giovane Elber vermutet, hat der VfB es nach wie vor komplett selbst in der Hand, die Klasse zu halten. Wenn er die verbleibenden fünf oder sieben Spiele gewinnt, können sich die anderen auf den Kopf stellen oder meinetwegen auch jeden einzelnen Schiedsrichter kaufen – es reicht nicht. Nun ist mir klar, dass weder der VfB sämtliche Spiele gewinnen noch irgendjemand einen Schiedsrichter schmieren wird, aber mein Gedanke dürfte klar sein: man hat es selbst in der Hand. Das ist weitaus mehr, als ich vor vier oder fünf Wochen erwartete.

Grade mal zwei Wochen ist es her, dass mich ein befreundeter Fan von Hannover 96 frug, ob ich “denn noch Hoffnung auf den Klassenverbleib des VfB” hätte. “Überraschenderweise ist meine Hoffnung deutlich größer als vor ein psar (sic!) Wochen”, antwortete ich. Daran hat sich nichts geändert, und ich weiß bis heute nicht, woran es gelegen hatte. Wir waren uns einig, dass nicht nur ein erneutes Schneckenrennen am Horizont dräue, sondern dass auch die B-Noten der einzelnen Schnecken durch die Bank verheerend seien, und doch war meine Zuversicht zurückgekehrt. “Trotz oder wegen Huub?” wollte er wissen, und ich konnte oder wollte es nicht beantworten: “Mit Huub.”

Meine Zuversicht ist ungebrochen, was vielleicht auch damit zu tun hat, dass beim VfB zwischenzeitlich Bewegung in die B-Note kam. Blöd nur, dass man sich davon nichts kaufen kann. Also zumindest nicht in Augsburg. In den Heimspielen sah das zuletzt, allen vorangegangenen Eindrücken zum Trotz, anders aus. Man spielte nicht nur anständig, sondern zog die A-Note gleich mit hoch, traf das Tor und punktete. Da konnten nicht mal die Wechselfehler was dagegen ausrichten.

Wechselfehler? Ok, ich sag’s, wie’s ist. Die Wechselfehler sind eigentlich durch. Hab ich schon vor Wochen drüber geschrieben. Zumindest angefangen. Und nie veröffentlicht. Jetzt liegt’s halt noch hier so rum und ist mir im Weg, also raus damit:

Vor zwei fünf Tagen Wochen gegen Frankfurt wollte Huub Stevens zur Pause wechseln. Ich kann das nicht mit Gewissheit sagen, aber alles andere würde mich sehr wundern. Oriol Romeu wärmte sich ernsthaft auf, ohne Eckle, ohne Jonglageübungen mit dem Ball auf der Schulter, sondern so richtig, mit ohne lange Hose und erhöhtem Tempo. Der Grund lag auf der Hand: Geoffroy Serey Dié, von dem die Wikipedien aller Länder, und nicht nur die, behaupten, er schreibe sich ohne Aigu, was ich aber bis zum endgültig erbrachten Beweis nicht mit meinem Sprachgefühl vereinbaren kann, hatte sich vor der Pause mit langem Atem um eine Verwarnung beworben und war in der 42. Minute endlich erfolgreich gewesen, würde also mit einer mehr als verdienten gelben Karte und einem deutlichen Eintrag im Notizblock des Schiedsrichters in die zweite Hälfte gehen, käme Romeu nicht zur Pause.

Ich unterhielt mich mit ein paar Umstehenden über die bevorstehende Auswechslung und war ehrlich gesagt etwas überrascht, dass sie diese eher nicht befürworteten. Zu wichtig schien Diés Aggressivität für das VfB-Spiel, um freiwillig auf ihn zu verzichten. Auch seine ärgerliche Angewohnheit, seine Mitspieler auch in engen Räumen und ohne Not gerne mal auf Knie-, Hüft- oder Schulterhöhe anzuspielen, tat da keinen Abbruch. Hoffnungsträger!

So ähnlich sah das dann wohl auch der Trainer. Er überlegte es sich in der Kabine noch einmal, dürfte seinem Königstransfer ins Gewissen geredet und ihn vor einer weiteren auch nur annähernd gelbwürdigen Aktion gewarnt haben, und ließ ihn auf dem Feld. Fünf Minuten später stellte er sich im Zweikampf ungeschickt an, verzichtete dann auf bissige Rückeroberungsbemühungen und war zum wiederholten Male an einem Gegentor beteiligt.

Stevens reagierte, nahm Dié nun doch vom Feld – und wurde ausgepfiffen. Um mich herum beklagten Zeitgenossinnen und Zeitgenossen, dass er doch nicht seinen auffälligsten, aggressivsten, besten, was auch immer, Mann vom Platz nehmen könne, Sie wissen schon, und ich frug mich, frage mich in der einen oder anderen stillen Minute noch immer, ob ich bis dahin vielleicht einfach ein anderes Spiel gesehen hatte.

In diesem meinem Spiel also schien der Trainer schlichtweg vercoacht zu haben, und wieder einmal sollte sich zeigen, dass ich keine Ahnung habe. Die Mannschaft hatte den Rückstand gebraucht, entwickelte plötzlich Torgefahr, Romeu spielte stark und Daniel Ginczek hob völlig unerwartet doch noch in der laufenden Saison den Fuß von der Bremse. Gewiss, Kopfballduell wird er auch auf absehbare Zeit keines gewinnen, aber er ist ja jung und kann noch wachsen.

Beim nächsten Heimspiel, gegen Bremen, wollte Huub Stevens wiederum wechseln. Ich kann das mit Gewissheit sagen, die medialen Regenbogengeschichten waren voll davon. Martin Harnik sollte nach zwei sehr unglücklichen Situationen vom Feld, vermutlich auch nach gewohnt engagiertem Spiel, aber das kann ich wiederum nicht mit Gewissheit sagen, weil ich das Spiel aus familiären Gründen verpasste. Immerhin war es diesmal eine unserer leichtesten Übungen gewesen, meine Karte an den Mann zu bekommen, schließlich hatte ich oft genug vom verpassten 4:4 gegen Bremen mi drei Bordon-Treffern erzählt. Mein Vertreter dürfte auch bei der diesjährigen Auflage mit dem Gebotenen nicht ganz unzufrieden gewesen sein.

Geboten wurde eben auch, um den Faden wieder aufzunehmen, der neuerliche Verzicht auf eine Auswechslung. Timo Werner stand bereit, dann bereitete Harnik den Führungstreffer vor, Stevens überlegte es sich anders und ließ Harnik auf dem Feld. Bis ihn der Schiedsrichter runterschickte. Und Bremen in Überzahl ausglich. Vercoacht, schon wieder.

Und wieder hatte ich keine Ahnung. Die Mannschaft hatte den Ausgleich gebraucht, entwickelte plötzlich Torgefahr, Daniel Ginczek ließ den Fuß von der Bremse und traf nochmals. Gewiss, Kopfballduell wird er auch auf absehbare Zeit keines gewinnen, aber er ist ja jung und kann noch wachsen.

Gegen Augsburg beging der Trainer leider keinen derartigen Wechselfehler. Aber am Wochenende steht ja wieder ein Heimspiel an. Und ich bin erneut familiär verhindert. Beste Voraussetzungen also.

 

 

Ach so, Wechselfehler ist ja noch so ein Stichwort. Domenico Tedesco geht nach Hoffenheim. Vermutlich ist der Wechsel für ihn kein Fehler. Man scheint ihm dort seine Wertschätzung etwas konkreter zum Ausdruck gebracht zu haben, als sich der VfB dazu in der Lage sah. Von welchen Kategorien wir auch immer reden mögen.

Andreas Hinkel, Tedescos Co-Trainer in der U17, scheint man auch nicht uneingeschränkt wertzuschätzen. Zur neuen Saison sind sie also beide weg, der eine in Hoffenheim, der andere sonst wo, und Rainer Adrion entblödet sich nicht, in einem beispielgebenden Blabla-Interview darauf hinzuweisen, dass die Türen für Hinkel weiterhin offen seien.

Kommunizieren wie Karl-Heinz Rummenigge. Es ist zum Heulen.

"Du bist schlecht informiert"

Es dürfte die geneigte Leserin nicht überraschen, dass in meinem sozialen Umfeld recht häufig über Fußball geredet wird. In vielerlei Facetten, mit unterschiedlich ausgeprägtem Fachwissen und einer recht großen Bandbreite hinsichtlich der Bedeutung, die man dem Thema beimisst. Das ist, selbstverständlich, völlig in Ordnung, so wie es meines Erachtens auch völlig in Ordnung ist, dass ich Fußballgespräche mit eher oberflächlich interessierten Leuten tendenziell rasch beende bzw. in eine andere Richtung lenke. Oder auch mal auf Erklärbär mache.

Vermutlich geht es anderen im Umgang mit mir ähnlich. Nein, ich kokettiere nicht. Es gibt schlichtweg Facetten des Spiels, oder des Drumherums, die mich nur rudimentär interessieren. Ablösesummen, zum Beispiel. Ich nehme sie zur Kenntnis und vergesse sie wieder. Klar, damals, als die ersten Millionentransfers abgewickelt wurden und ich restlos alles aufsaugte, was ich an Fußballbezogenem lesen konnte, waren auch Ablösesummen spannend, und auch heutzutage nehme ich Diskussionen über die Herren Bale, Neymar oder de Bruyne wahr. Aber schon jetzt könnte ich nicht mehr sagen, wie viel Geld der VfB für Mohammed Abdellaoue oder Carlos Gruezo bezahlt haben soll, nicht einmal beim immer wieder gerne angeführten Yildiray Bastürk weiß ich es mehr.

Anderes Thema: YouTube-Videos aus der zweiten indonesischen Liga, oder auch aus der ersten portugiesischen. Italienischen. Spanischen. Ich habe da manchen begabten Scout im Bekanntenkreis, oder auch in der Twitter-Timeline, der, wohl auch die, restlos jeden Fußballspieler kennt, der jemals über die Rolle eines Statisten auf weltfussball.de hinausgekommen ist. Ich bewundere das, folge manchmal einem Link oder einer anders ausgesprochenen Empfehlung, diskutiere auch gern mit diesen Leuten, aber ich kann ihnen wenig zurückgeben. Bis auf Steven Gerrard und John Terry gibt es vermutlich keinen Premier-League-Spieler, dessen Vereinshistorie ich annähernd unfallfrei hinbekomme, bei vielen italienischen Nationalspielern wüsste ich nicht einmal den aktuellen Verein.

Schön, dass dennoch so viele Leute mit mir über Fußball reden. Über die Lage beim VfB, so wir denn, anders als ich in dieser Woche, das jüngste Spiel nicht komplett verpasst und hernach bewusst ignoriert haben, aber auch den bevorstehenden WM-Titel, über lokalen, regionalen und internationalen Fußball. Wir besprechen Regelfragen und sportliche Entwicklungen, gelegentlich gar Transfergerüchte und -wünsche, außergewöhnliche Tore, faszinierende Pässe oder auch anstehende Trainer- oder Sportdirektorenwechsel. Und alle kennen sich mehr oder weniger gut aus, beim einen Thema mehr, beim anderen weniger.

Also informiert man sich. Will mitreden können. Und ist dann fast peinlich berührt, wenn man erstmals von etwas hört oder liest, das man nicht recht glauben kann bzw. von dem man überzeugt ist, dass alle anderen es längst wissen. So wie vor einigen Wochen, als ich irgendwo las, dass es nicht möglich sei, nach der winterlichen Transferperiode, also nach dem 31. Januar, noch vertragslose Spieler zu verpflichten. Hatte ich noch nie gehört, und irgendwie zweifelte ich auch ein wenig, stellte aber keine vertiefte Recherche an. Von wegen “also informiert man sich”!

Die jüngste Wechselperiode ist mittlerweile Geschichte, das Thema stellte sich weder während noch nach ihr, zumindest nicht so öffentlichkeitsträchtig, dass ich es mitbekommen hätte, und rückte dementsprechend in den Hintergrund. Bis dann in der vergangenen Woche der private wöchentliche Kick das eine oder andere sportliche Defizit zutage treten und nicht nur abstrakte Rufe nach Verstärkungen laut werden ließ, sondern ganz konkret nach dem einen oder anderen vertragslosen (Ex?)-Profi.

Dass das Ganze nur im Spaß ablief, versteht sich von selbst, aber wer hat schon seine Synapsen im Griff? So wandte ich also ein, dass es meines Wissens gar nicht oder nicht mehr möglich sei, vertragslose Spieler nach dem 31. Januar zu verpflichten, was bei den Umstehenden eher reservierte Reaktionen hervorrief, oder, um den leisen Zweifel in Worte zu fassen:

“Vertragslose Spieler kann man selbstverständlich jederzeit verpflichten.”

Was ja bis vor kurzem auch mein Kenntnisstand gewesen war, und so brachte mich eine Mischung aus Skepsis gegenüber meiner (nicht mehr zuordenbaren) Quelle auf der einen und dem Gedanken, dass ich möglicherweise schlicht falsch gelesen oder verstanden haben könnte, auf der anderen Seite zunächst davon ab, das Thema weiterzuverfolgen.

Dass es mich dann doch nicht losließ, dürfte nicht sonderlich überraschen, und so googelte ich tags darauf ein wenig herum, fest davon ausgehend, sehr rasch zu einem durch zahllose Quellen belegten eindeutigen Ergebnis zu gelangen. Doch mitnichten – die Quellenlage war weder üppig noch eindeutig. Glücklicherweise lieferte wenigstens der DFB Aufklärung:

“Der 31. Januar ist für Manager aller Couleur ein Fix-Termin im Kalender. Es ist die letzte Chance, Schwachstellen und Engpässe im Kader zu korrigieren. Dann nämlich schließt das sogenannte Transferfenster II, danach können nur noch vertragslose Spieler verpflichtet werden.”

(Leider kann ich den Text nicht im Original verlinken. Dazu später mehr.)

Womit alles klar war. Also doch! Jetzt nur noch die entsprechende paragraphenbewehrte Stelle heraussuchen und das Thema wäre durch. Als einschlägige Quelle drängte sich die Lizenzordnung Spieler (LOS) auf, die in §14 Nr. 2c (oder, für Laien wie mich: auf Seite 19) folgendes besagt:

“In einem Spieljahr kann ein Vereinswechsel eines Vertragsspielers, der am 1. Juli vertraglich an keinen Verein als Lizenzspieler oder Vertragsspieler gebunden war und daher bis zum 31. August keine Spielerlaubnis für einen Verein, auch nicht als Amateur, hatte, außerhalb der Wechselperiode I bis zum 31. Dezember erfolgen. Das gilt für nationale und internationale Transfers. Die Verträge müssen eine Laufzeit bis zum 30. Juni eines Jahres haben.”

Hm. Eigentlich klang das gar nicht so, als dürfe man nach der Wechselperiode II noch vertragslose Spieler verpflichten, fand ich. Eher so, als könnten sie zwar außerhalb der Wechselfristen einen Vertrag unterschreiben, aber eben nur im alten Jahr, in der Vorrunde, quasi. Was auch zu meiner Ausgangsinformation gepasst hätte. Aber hey, wenn der DFB es auf seiner Website explizit anders darstellt? Ok, sind auch nur Menschen, außerdem komme ich mit DFB und DFL eh immer durcheinander, und wer weiß, wer da was weiß?

Was mich dann zur ultimativen Informationsquelle greifen ließ: der Weisheit der Vielen, in diesem Falle, wie so oft, repräsentiert durch Twitter. Die Formulierung des Tweets nahm einige Zeit in Anspruch. Schließlich galt es, gleichzeitig durchblicken zu lassen, dass man es eigentlich wusste und nur eine Bestätigung benötigte; andererseits sollten die Antworten der vielen Weisen ja auch nicht beeinflusst werden. Letztlich kam das hier heraus:

Anders als der Verfasser des Tweets ließen sich die Antwortenden eher wenig Zeit. Binnen Sekunden gingen die ersten Antworten ein und bildeten dann einen langen, ruhigen Fluss mit relativ deutlicher Aussage:

“Ja.”

So lautete zumindest die deutliche Mehrheit der Antworten, und in aller Regel ließen sie wenig Zweifel zu. Viele lieferten Beispiele, um ihre Antwort zu belegen, einige wiesen darauf hin, dass alles andere arbeitsrechtlich wohl nicht haltbar wäre.

Das Ganze zog sich eine Weile hin, möglicherweise stelle ich die Chronologie nicht mehr ganz korrekt dar, aber natürlich gab ich mich mit bloßen gefestigten Meinungen und Zusicherungen der eigenen Vertrauenswürdigkeit nicht zufrieden. Vielmehr erbat ich Quellen und Verweise, und wies zudem verschiedentlich darauf hin, dass die genannten Beispiele eben nicht einschlägig seien, weil unter anderem Manuel Friedrich und Timo Hildebrand jeweils zwar außerhalb der Transferfenster, aber bereits im Herbst von Schalke bzw. Dortmund verpflichtet worden seien, Ali Karimi gar rechtzeitig am 31.1.

Auch andere belegende Quellen kamen eher tröpfchenweise. Herr @lizaswelt hatte ebenfalls den oben genannten Text auf dfb.de gefunden, aber auch einen dem widersprechenden bei der Springer-Presse, und in mir wuchs die Überzeugung, dass an der Ausgangsthese wohl doch was dran sein müsse. @torstenwieland brachte schließlich einen alten Text der VdV ans Tageslicht, den ich, was nicht für meine Recherchekompetenz spricht, bei einem kurzen Besuch auf deren Website nicht gefunden hatte und der eine Unterschriftenaktion gegen ein “Berufsverbot” vertragsloser Profis zum Thema hat:

Vereinslose Profis können in Deutschland grundsätzlich noch bis zum Ende der Transferperiode II am 31. Januar 2012 verpflichtet werden. Für die übrigen Spieler ergibt sich allerdings ab dem 1. Februar 2012 das bekannte Problem, dass ein Wechsel in Deutschland grundsätzlich erst wieder in der Transferperiode I im Sommer 2012 durchgeführt werden kann.”

Das war recht deutlich. Meine Repliken auf die Ja-Sager wurden selbstbewusster:

Zudem gewannen die (auch zuvor schon vorhandenen) Aussagen, die ein Recht auf die Verpflichtung vertragsloser Spieler nach dem 31.1. verneinten, zwar noch nicht die Oberhand, aber doch einen nennenswerten Anteil. Als dann auch noch Herr @scherben81 jenen Text ausgrub, den ich als den erkannte, den ich Wochen zuvor gelesen hatte, und den ich offensichtlich nicht missinterpretiert haben konnte, war meine Meinung quasi in Stein gemeißelt. Ohne den kicker als Verkünder endgültiger Wahrheiten preisen zu wollen.

Blieb die Frage nach dem Artikel auf dfb.de. Ich frug per Twitter nach, erhielt aber zunächst keine Antwort aus der Otto-Fleck-Schneise, oder wo auch immer das Social-Media-Team des DFB sitzt. Herr @artus69, der seinerseits Zweifel an “Unterschiede[n] bei Sommer- und Wintertransferfenster” geäußert hatte, führte dann den Durchbruch herbei, indem er @maxgeis, dessen Aufgabe ich nicht genau kenne, der aber in verschiedenen Quellen als Pressebeauftragter des DFB genannt wird, in das Gespräch einbezog. Und tatsächlich ließ die Klärung nicht mehr lange auf sich warten:

Meine Nachfrage hinsichtlich eines offiziellen Dokuments beantwortete er ebenfalls:

Das genannte Dokument enthält in §23 Nr. 1.3 eine minimal abgewandelte Version der oben zitierten Formulierung in der LOS, ohne nach meiner Lesart in relevanter Weise davon abzuweichen.

Anschließend entspann sich in der Timeline noch ein kurzer Austausch über die Frage nach dem Unterschied zwischen den Phasen nach den beiden Wechselperioden. Die Begründung scheint wohl zu sein, dass man Sorge hat, durch Wechsel im Frühjahr relativ kurzfristig Einfluss auf die zum Saisonende hin anstehenden Entscheidungen zu nehmen, worüber man sicherlich kontrovers diskutieren kann:

Parallel dazu griff Max Geis auch noch die an den DFB gerichtete Twitteranfrage hinsichtlich des oben zitierten Artikels auf dfb.de auf, der offensichtlich fehlerhaft gewesen war, und kündigte eine Korrektur an, die tatsächlich sehr rasch erfolgte und dazu führte, dass ich, wie oben ausgeführt, den besagten Absatz nur noch über Umwege zitieren konnte.

Wie auch immer: es war, nein: es ist geklärt. nach dem 31.1. können auch keine vertragslosen Spieler unter Vertrag genommen werden.

“Alter Hut, eh klar, hätte ich Dir gleich sagen können”, mag der eine oder die andere nun kopfschüttelnd ausstoßen. Leider war er oder sie neulich aber nicht greifbar, und so ergab sich eben die hier eher so mittelkurz skizzierte Diskussion, die mir wieder einmal vor Augen führte, dass es manchmal gar nicht so peinlich ist, etwas nicht zu wissen. Man ist selten der einzige, nicht einmal, wenn man sich unter Leuten tummelt, die sich in aller Regel verdammt gut auskennen.

Natürlich kann man die ganze Frage auch kürzer abhandeln (ab 3:00):

(via @clubfans_united)

Timo!

14! Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Vierzehn!

Genau vierzehn Spieler mit dem Vornamen Timo spielten je in der Bundesliga. Ok, hinter das “genau” setzten wir vielleicht mal ein Fragezeichen, zu unsicher war die Quellenlage, zu hopplahopp die Recherche. Von diesen 14 ziehen wir kraft souveräner Willkür jene fünf ab, die auf eine einstellige Anzahl an Einsätzen kommen (1-1-2-4-7), und es bleiben, genau: neun.

Zwei von ihnen gingen ihrem Tagwerk bei den baden-württembergischen Wettbewerbern (also: manchmal, der Wettbewerb) nach, wenn auch nicht übertrieben häufig, zwei weitere haben jeweils eine sehr stattliche Anzahl an Einsätzen vorzuweisen: Rostocks Timo Lange und, man möge mir den Ausdruck verzeihen, aber ich halte ihn allein schon aus Premierengründen für gerechtfertigt, Bundesligalegende Timo Konietzka.

Bleiben also fünf. Fünf von neun ernsthaften Bundesligatimos haben ihr Debüt beim VfB gegeben: Rost, Hildebrand, Wenzel, Gebhart, Werner.

Wundert sich also wirklich  jemand, dass der Stuttgarter Timohype nun so richtig einsetzt? Die Frage ist doch vielmehr: wieso erst jetzt? Schließlich wussten wir alle, die wir uns halbwegs mit dem VfB und dessen Nachwuchsarbeit befassen, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis die Timobegeisterung so richtig Fahrt aufnimmt.

Jetzt ist es also soweit, und wenn man ehrlich ist, hat es möglicherweise nicht nur mit der bundesweiten Timoisierung per se zu tun – der junge Herr Horn aus dem Rheinischen dürfte sich und uns im kommenden Jahr die Ehre geben, und auch hierzustadte scharren die Herren Baumgartl und Cecen möglicherweise mit den Hufen, mehr oder auch weniger berechtigt –, sondern auch mit dem jüngsten Auftritt des jüngsten und möglicherweise hypegebendsten Vertreters der Timobewegung: Timo.

Verzeihung, das war jetzt tatsächlich so nicht gewollt. Möglicherweise bin ich dem Hype anheimgefallen. Also: Werner.

Doppelpack. Mit 17. Und diese Chuzpe beim 1:3, dieser Affront gegen Ibisevic, diese Missachtung (Vorsicht, jetzt wird’s furchtbar:) der Timorder.

Es geschieht selten, dass ich “Mittendrin” (Heißt doch so, oder?) im DSF (Heißt doch nicht mehr so, oder?) sehe, und noch seltener, dass ich den Diskutierenden explizit recht gebe und sie für ihre eventuell gar ein bisschen vom Mainstream abweichende Meinung preise, aber in dem Fall war ich dankbar für die Feststellung, dass Werners Risiko angesichts des sich bereits anderweitig orientierenden Oliver Baumann nicht mehr sonderlich groß war.

Aber klar, frech war es schon, und interessanterweise war nun auch die zweite öffentliche Äußerung, die ich von Vedad Ibisevic zu Timo Werner gehört habe – die erste dürfte nach dem Hoffenheim-Spiel erfolgt sein –, eine recht reservierte.

Und ich meine damit nicht jene Reserviertheit, die aus besorgten älteren Spielern oder Verantwortlichen spricht, die sehr wohl wissen, dass Rückschläge kommen werden, die einen jungen Mann schützen wollen, Sie wissen, wovon ich spreche.

Natürlich weiß auch Ibisevic, dass bei Werner nicht immer nur alles glatt laufen wird, dass auch mal was schiefgeht, aber meine Eindruck von vor einigen Wochen hat sich verfestigt: ich sehe da eher eine gewisse Platzhirsch-Reserviertheit. Und ohne Ahnung von Tiersoziologie zu haben, glaube ich zu wissen, dass Platzhirsche ein ganz gutes Gespür dafür haben, wer ihnen über kurz oder lang den Rang ablaufen könnte.

Dass hier niemand übersieht, wie stümperhaft sich die Freiburger Hintermannschaft angestellt hat, steht außer Frage, und wir haben ja auch schon Spiele gegen Mannschaften gesehen, die, anders als Hoffenheim, Werners Qualitäten auf dem Zettel hatten, oder die, anders als Freiburg, das Personal hatten, damit umzugehen, sodass der Hype in jenen Spielen nicht sonderlich befeuert wurde, und mir hoher Wahrscheinlichkeit steht auch in den nächsten Wochen das eine oder andere solche Spiel ins Haus. Aber ein kluger Mann – ich glaube, er heißt Christian Gentner – hat in diesen Tagen sinngemäß gesagt, man werde Timo Werners steile Karriere schlichtweg nicht verhindern können.

Und der Hype hat gerade erst begonnen.

♫ … wär' das ganze Land gern mit dir verwandt ♫

Am vergangenen Freitag absolvierte die deutsche Nationalelf ihr erstes Spiel nach dem Rücktritt von David Odonkor. Es wäre wohl etwas zu dick aufgetragen, von einer Zeitenwende oder dem Beginn einer neuen Ära zu sprechen. Aber es tat schon ein bisschen weh, damals, vor drei Wochen, als sein Karriereende bekannt wurde. Das Gesicht des SommermärchensTM, quasi, gar der Protagonist eines Sommermärchens im Sommermärchen.

Vielleicht war Herrn @sportkultur ähnlich warm ums Herz und feucht um die Augen, als er per Twitter eine Frage stellte, die ein nicht unwesentlicher Teil der fußballinteressierten Bevölkerung, die in diesem speziellen Fall all jene einschließen dürfte, die gerne mal herablassend als Event-Fans bezeichnet werden, aus dem Stand beantworten könnte:

Als alter Event-Fan ließ ich mich nicht lange bitten:

Besagte gewionnene Wette war vermutlich einem gewissen Trotz geschuldet. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle kurz darauf hinweisen, dass ich nie, oder nur selten, eine besonders ausgeprägte Begeisterung für Jürgen Klinsmann empfunden habe. Abgesehen vom 90er Achtelfinale, zugegeben. Und einigen wenigen weiteren Gelegenheiten, punktuell. Seinem Einstieg in Tottenham, vielleicht. Und dann eben jenem Moment, als er Odonkor aus dem Hut zauberte.

Zweifellos sprach da ein wenig die Freude über einen gelungenen Coup aus und zu mir. Aber eben auch der Gedanke, dass seine Argumentation keine ganz dumme war. Natürlich ist es in gewisser Weise ein Luxusverhalten, einen Spieler mit einer bestimmten Qualität zu nominieren, und selbstredend tut es mir nach wie vor weh, dass schon damals Kevin Kuranyis Karriere kolossal kippte. Ähem. Naja, seien wir ehrlich, der Absturz hatte schon mit seinem Vereinswechsel im Jahr zuvor begonnen, aber das nur am Rande.

Aber, um zurück zum Thema zu kommen, mir gefiel Klinsmanns Gedanke, Odonkors Schnelligkeit als Trumpf in die Hinterhand zu nehmen, obwohl ich wie so viele andere beträchtliche Zweifel an dessen fußballerischem Talent hatte. Ich mochte ihn, irgendwie, wie man, Verzeihung, einen etwas tapsigen Welpen mag. Die Assoziation eines schutzbedürftigen, arglosen, unbedarften kleinen Zeitgenossen liegt nicht ganz fern, und vermutlich kann ich sie auch nicht ganz von der Hand weisen. Allein diese Leasing-Geschichten …

Nun, es ist nicht so, dass mich all das damals umtrieb. Vieles kam später hinzu, manches erfand ich vielleicht auch erst heute, aber die Sympathie für Klinsmanns Entscheidung war echt. Als dann ein geschätzter und wahrlich kundiger Mitkicker Odonkors Nominierung im Allgemeinen hinterfrug, und im Besonderen die bevorstehende Einwechslung gegen jenen Gegner, den man durch die Wand knallen wollte (auch das wusste ich damals noch nicht), ging der Trotz mit mir durch und ich verstieg mich zu der Behauptung, Odonkor werde das Spiel entscheiden. Gewagt, gewiss.

Gewionnen. Der Wettpartner war und ist ein ehrenwerter Sportler, der keinen Zweifel daran ließ, dass die Vorlage sehr wohl als spielentscheidend durchgehe.

Heute frage ich mich ehrlich gesagt nicht, ob wir Odonkor tatsächlich dereinst als Trainer auf höchstem Niveau erleben werden – ein Wunsch, den wir zuletzt verschiedentlich zu lesen bekamen –, wünsche ihm aber viel Gutes in seinem Leben abseits des Platzes, an das er sich leider in den letzten Jahren schon viel zu sehr gewöhnen konnte.

Ich frage mich auch nicht, wer denn “der neue Odonkor” im Sommer 2014 werde, eine Frage, die wir alle zwei Jahre so oder ähnlich medial präsentiert bekommen, ohne seither nochmals einen vergleichbaren Überraschungscoup erlebt zu haben – wobei man sich (also: ich mich) bei den, wie sagt man, geshortlisteten Marin 2008 und Draxler 2012 des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass auch dem Bundestrainer der Gedanke gefallen hätte, einfach mal “… weil ich es kann” zu sagen. Timo Hildebrand mag das mit dem ausgebliebenen Überraschungscoup übrigens anders sehen.

Und doch erinnert mich ein aktueller Kandidat an Odonkor: Sidney Sam. Ja, ich weiß, der Hautfarben- und Körpergrößenverdacht liegt nahe. Natürlich kann ich ihn nicht zweifelsfrei widerlegen. Tatsächlich war es so, dass ich bereits bei den ersten Auftritten, die ich von Sam gesehen habe, an Odonkor dachte. Positionsbezogen. Schnelligkeitsbezogen. Und weil mich sein völliger Verzicht auf die Verwendung des rechten Fußes Glauben machen wollte, dass es technisch einfach nicht reichen könne. Dass er ein solider Bundesligaspieler sein werde, der mal zu einer Weihnachts- oder vergleichbaren Länderspielreise mitfahren dürfe.

Ok, weiter sind wir bis dato nicht. Aber ich schließe nicht mehr aus, dass er irgendwann auf mehr Länderspiele kommt als Odonkors 16. Und gebe zu, dass ich ihn zu Unrecht für einen Geradeausläufer hielt. Dass er technisch saubere Tore erzielt und mehr Spielwitz zeigt als Odonkor in seiner ganzen Karriere. Asche auf mein Haupt. So wie damals übrigens, als ich Matthias Sammer für einen eher blassen Spieler hielt. Ok, er war erst 17, als er gegen und in Uerdingen antrat, aber was sollte diese Begeisterung? Oder auch wie damals, als mich Mario Gomez’ Bewegungen in einer Nachwuchspartie an Dieter Hoeneß erinnerten. Ähem.

Ein guter Scout wäre ich wohl nicht geworden, zumindest nicht auf den ersten Blick. Die Frage, was das für die Karriereperspektiven von Timo Werner und Joshua Kimmich bedeutet, möchte ich vor diesem Hintergrund nicht erörtern, lege mich aber fest, dass Kimmich nicht für Brasilien nominiert wird.

Sam übrigens auch nicht. Sag ich mal. Mal fragen, ob mein Mittwochsmitkicker wieder wetten will.