No rage, no running. But still …

Öhm? Englisch? Und überhaupt? Running? Rage? Nee, nee. Nur eine Reverenz.

Das ging dann ja doch ein bisschen rasch, irgendwie. Der Advent kam, mit ihm wieder mal ein Kalender und ganz nebenbei ein neues Blog. Der Name ist geblieben, die alten Texte sind es auch, die Blogroll ist verschollen, kommt aber bestimmt wieder. Die Adresse hat sich ein bisschen verändert, die Optik deutlich, ohne dass ich so genau sagen könnte, was weshalb wie aussieht und wie es sich wie ändern ließe.

Der Adventskalender hat mir auch in diesem Jahr großen Spaß bereitet. Dies gilt  erfreulicherweise auch für eine in ihrer Größe nicht so genau einzuschätzende Gruppe, die vermutlich eine gewisse Affinität für sportgeschichtliche Ausflüge oder für Reimereien oder für Rätsel oder für Teile davon oder auch für alles miteinander eint. Ich war versucht, von einem Nischenpublikum zu reden, was aber selbstredend völliger Unsinn ist: Sie sind alles andere als ein bloßes Publikum, sondern vielmehr ganz entscheidender Bestandteil der “Show”, also dessen, woran ich so große Freude hatte.

Und weil eben dieser Adventskalender dann doch nicht nur eine gewisse Aufmerksamkeit inhaltlicher Art erfahren, sondern zudem einige Leute hierher geführt hat, die sich zuvor selten bis gar nicht in mein Blog verirrt hatten, spielten der Umzug und das neue Äußere kaum eine Rolle. Geschickt eingefädelt, so wurde ich weder in Diskussionen über Schriftgrößen und -farben verwickelt, noch musste ich mir Antworten auf die Frage nach dem Warum aus den Fingern saugen.

Doch wie das halt so ist: Die Frage stellte sich trotzdem. Will sagen: Ich stellte sie. Wieso bin ich mit meinem darbenden Blog umgezogen, weshalb habe ich mich gar im Rahmen meiner Möglichkeiten mit gestalterischen Fragen befasst, warum den Aufwand betrieben? Für ein Blog, das – so ehrlich muss man mit Blick auf das abgelaufene Jahr sein, so gnadenlos ehrlich sind die fabulösen Herren vom Vertikalpass dankenswerterweise auch gewesen – kaum mehr als einen Adventskalenderblogger beherbergt?

Nun, ich weiß es nicht. Vielleicht war es das Bestreben, dann doch wenigstens dem Adventskalender ein neues Kleid zu kredenzen, vielleicht der Wunsch, in höherem Maße Herr über die eigenen Daten (hier: Texte) zu sein, ganz sicher steckt zum Teil das Ansinnen dahinter, die hinter meinem Rücken außerhalb meiner Kontrolle durch WordPress platzierte Werbung loszuwerden, und vielleicht, ganz vielleicht ist es einfach nur ein letztes Aufbäumen. Sie kennen das: Die Beziehung siecht so ein bisschen dahin: Heiraten? Kind? Neues Kleid? Ok, Letzteres.

Vielleicht, ganz vielleicht wird dieses Blog ja doch noch einmal regelmäßiger befüllt. Vielleicht werden ja auch diese (oder gar jene) Fünfzeiler irgendwie eingegliedert, das neue Gewand ist schließlich recht großzügig geschnitten. Modular, quasi. Und möglicherweise geht’s einfach öfter mal wieder um was anderes. Nicht nur um den VfB Fußball Fünfzeiler und Sonette, sondern einfach um Dinge, die mir grade so im Kopf rumschwirren, die ich, hüstel, angedacht habe, ohne weitergekommen zu sein, Sie wissen schon, damals. Der Herr @_catenaccio macht das übrigens auch grade, gefällt mir. Und ich habe auch noch im Ohr, wie er mir vor einiger Zeit sagte, besser: schrieb, dass mein Blog seinem Namen früher auch mehr Ehre gemacht habe, oder so ähnlich. Und das wesentlich freundlicher, als es in meinen Worten klingen mag.

Ganz aktuell schwirrt mir zum Beispiel die Frage im Kopf herum, ob ich schon heute wieder anfangen soll zu twittern, oder erst morgen, oder in ein paar Tagen. Grade im Advent war es doch ein bisschen viel, und so zog ich mich unmittelbar nach Weihnachten erst einmal zurück – aus meiner besten, schnellsten, wichtigsten Informations- und häufig auch Inspirationsquelle. Ok, gelegentlich schaute ich rein, still, mehr oder weniger, mit gelegentlichen Herzchen als Lesenszeichen.

Dass der Beginn der Abstinenz just mit dem Start der Abstimmung über den Austragungsort des diesjährigen #tkdingens (mir geht der andere Begriff so schwer über die Finger) zusammenfiel, war eher kein Zufall. Den sich über Monate in Zyklen aufschaukelnden Wahlkampf empfand ich im besten Fall als ermüdend, in jedem als unnötig. Aber ich mag ja auch den Vergabeprozess vergleichbarer Großereignisse nicht, man denke an (nicht nur Fußball-) Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele und ihre Anforderungskataloge.

Dass ich dann auch nicht abgestimmt habe, mag mich bei Trainer Baade und dem Team des @tkschlaendle ein wenig in Misskredit bringen, aber nun gut. Meinetwegen könnte man den nächsten Austragungsort während des sonntäglichen #tkdingens-Katerfrühstücks über einer Deutschlandkarte auspendeln, oder das Los ebenda zwischen all jenen Orten entscheiden lassen, die Interesse signalisiert haben. Und wenn das Ergebnis lautete, dass wir zweieinhalb Tage lang in einer schäbigen Eckkneipe in Itzehoe, in Königsmünster oder Berlin miteinander reden sollen, hätte ich halt dort meinen Spaß mit vielen wunderbaren Leuten aus meiner Timeline, oder auch noch nicht aus meiner Timeline. Nun aber: München. Schön.

Einige wenige Male hatte ich in den letzten Tagen schon die Hand am Tweet. Die Gründe und Anlässe waren sehr unterschiedlicher Art, und in einem Fall schickte ich dann zumindest eine Direktnachricht, weil ich mich nicht nur dringend irgendwie artikulieren musste, sondern auch noch Verständnis ernten wollte, was im Kreis der mit mir Urlaubenden wesentlich ausführlicherer Erläuterungen als jener vier Worte bedurft hätte, die den Kern meiner Nachricht an @sport_thies ausmachten: “Ashton Eaton? Ashton Eaton!”

Womit ich doch schon wieder beim Adventskalender wäre. Weil Herr Thies dort stellenweise versagt hat. Weil ich mich dort etwas intensiver mit dem Mehrkampf befasst hatte, einige werden sich erinnern: André Niklaus, Bryan Clay und Sabine Braun versteckten sich hinter je einem halben Türchen, Sabine Everts, Torsten Voss und Christian Schenk waren ebenfalls in der engeren Wahl gewesen. Und natürlich sah ich mir ein paar andere große Athletinnen und Athleten an, Daley Thompson natürlich, Jackie Joyner-Kersee, Dan O’Brien, Erki Nool, Ghada Shouaa, die Tschechen um die Jahrtausendwende, die begeisternde Carolina Klüft.

Und am Ende blieb immer die Selbstverständlichkeit, die von Ashton Eaton ausgeht, jene Selbstverständlichkeit, mit der er ein gutes halbes Jahrzehnt lang wahrlich alles gewann, die Leichtigkeit, die Abwesenheit prätentiösen Gehabes – auch wenn diese, um der Wahrheit die Ehre zu geben, im Mehrkampf gewiss kein Alleinstellungsmerkmal ist. Ich wollte, dass das immer so weitergeht. Verlässlichkeit, Sie wissen schon. Küchenpsychologie, Ihr Einsatz! Und überhaupt: 45.00 über die 400! In einem Zehnkampf! Der letzte deutsche Spezialist unter 45 war Ingo Schultz, danach müssen wir in die 80er zurück, zu Schönlebe, Skamrahl, Weber et al.

Verzeihung, ich ließ mich ein bisschen mitreißen. Der Urlaub wirkt nach. Schön war’s. Wenig Schnee, viel Familie, auch viel leichte Lektüre. Erstmals las ich ein Buch von Sebastian Fitzek, einen geschenkten Gaul, sozusagen. Es mag an dem speziellen Werk gelegen haben, sein jüngstes, wenn ich nicht irre, aber aus eigenem Antrieb werde ich in absehbarer Zeit eher keines erwerben. Ein paar andere Sachen waren nicht der Rede wert; eine Menge Freude hatte ich indes zu meiner nennenswerten Überraschung mit und an Marc Hofmanns “Alles kann warten”, das eigentlich ziemlich viele Komponenten enthält, die mich im Regelfall abschrecken (Männer, die nicht erwachsen werden wollen; die Beschreibung ihrer Vertrautheit, die eigentlich nur im echten Leben funktioniert; fortwährende Musikzitate; etc. …), und wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden, ich möchte mich zügig dem jüngsten Werk von Adrian McKinty widmen, das seit einigen Tagen unberührt auf meinen Lesegerät bereitliegt.

Sieben. Und elf: link-elf.

Null. Nominierungen.
Bei Twitter, in Blogs, gerne mal im Facebook, vermutlich auch bei Google plus oder sonst wo, wird man in letzter Zeit gerne mal nominiert. Man möge sein liebstes Buch nennen, oder die besten Musikstücke, oder die schönsten Filmszenen, Sie erkennen das Prinzip, oder kennen es. Ich kann dem nicht so wahnsinnig viel abgewinnen, um es ein bisschen euphemistisch auszudrücken. Also dem Nominierungsprozess. Die jeweiligen Präferenzen und die entstehenden Gespräche an sich sind häufig sehr erquicklich, mir missfällt nur das kettenbriefartige.

Vielleicht bin ich da zu sehr Kind der 80er, das mehrfach um sein Seelenheil fürchtete, weil Papa nicht bereit war, den Brief im Büro neunfach zu fotokopieren, auf dass der Sohnemann ihn durch die Republik oder auch nur an die noch nicht bedienten Mitschülerinnen und Mitschüler versenden könne, sodass ihm, also mir, wegen Kettenbruchs gar schreckliche Szenarien blühten. Sie traten nicht ein, das Trauma blieb.

Eins. Empathie.
Andere Menschen haben möglicherweise auch Traumata. Vielleicht Thomas, wiewohl eher ein Kind der 70er, oder auch @dierudola, von der ich annehme, dass sie ganz gut in die 90er passt, schulisch, aber ich weiß es nicht. Vermutlich gab es aber auch zu ihren Zeiten Kettenbriefe, und wer weiß, ob sie nicht nach wie vor die Angst vor dem Kettenbruch mit sich herumtragen.

Es wäre mir sehr arg, diese beiden liebgewonnenen Social-Media-WeggefährtInnen einem solchen Risiko auszusetzen. Und so schreibe ich nun also sieben Fakten (naja, was man halt so mit viel Wohlwollen Fakten nennt) über mich auf, ergänzend zu jenen zwanzig, die hier vor einem knappen Jahr unnominiert aufgelistet wurden.

Zwei. Fußball.
Ich interessiere mich für Fußball. Könnte sehr viel Zeit damit verbringen, mir Fußball anzusehen. Manche(r) mag es geahnt haben. Aus eben diesem Grund sehe ich seit Jahren davon ab, Bezahlfernsehensabonnent zu werden. Denn ich bin schwach. Und habe Angst vor der zweiten griechischen Liga, exemplarisch, die mich fürderhin dreimal pro Woche in ihren Bann ziehen könnte, wenn nicht grade Ligapokalspiele in Chile angesetzt sind. In der Konsequenz muss ich mitunter unwirtliche Orte aufsuchen, um Spiele des VfB Stuttgart zu verfolgen.

So wie jüngst jenen 80er-(schon wieder)-Jahre-Partykeller, der mir als Nebenraum einer “Lounge” angekündigt worden war, die ihren Namen auch nur so halb verdiente. Drei auf zwei Meter, mit eierkartonähnlichem Relief vor dem einzigen Fenster Lichtschacht, einem Spielautomaten, der sich die Stirnseite mit dem Bildschirm teilte, mit Sitzgelegenheiten, die noch den Duft selbstgedrehter Zigaretten aus den späten 60er Jahren atmeten und so einen gelungenen olfaktorischen Kontrast zur benachbarten Toilette bildeten.

Aber ich war allein, bis weit in die zweite Halbzeit hinein, dann gesellte sich ein junges Pärchen ohne jedes Fußballinteresse hinzu, Fußballsmalltalk war also nicht nötig. Perfekt. Was man von dem Spiel nicht sagen konnte. 2:3 in Berlin, Sie erinnern sich. Frühere 3:2-Spiele, die ich an Einmal-und-nie-wieder-Orten gesehen habe: Bielefeld 2006, Bochum 2007. Besser. Wesentlich.

Drei. Schwächen.
Man kann nicht drumherum reden: ich habe eine Schwäche für Moritz Leitner. Regelmäßige Mitlesende wissen das.

Bei besagtem Spiel in Berlin hatte ich kurz die Hoffnung, erstmals eine größere Anzahl VfB-Anhänger auf meiner Seite zu wissen. Nicht dass es mir wichtig wäre, mein Faible zu teilen, aber es hätte vermutlich darauf hingedeutet, dass sich das Spiel so weiterentwickelt hätte, wie es begonnen hatte. Mit Leitners Tor, Leitners Ballgewinnen und einer Leitner’schen Kopfball-Rettungsaktion. Hat es aber nicht. Nun denn. Frühere Schwächen galten beispielsweise Christian Tiffert, Roberto Hilbert oder Raphael Holzhauser. Es hätte schlimmer kommen können: mein Stadionnachbar stimmt heute noch Emanuel-Centurión-Gesänge an.

Vier. Unwissenheit.
Dass dieses Blog seit mehr als drei Wochen schweigt und auch davor nichts wesentlich anderes tat, hat in allererster Linie mit zeitlicher Auslastung zu tun. Beruflich. Und ganz am Rande damit, dass ich mich aus unerfindlichen Gründen in jüngster Freizeit gerne mal auf Gedichtseiten und in entsprechenden Foren herumtreibe. Eine sehr frustrierende Erfahrung, hatte ich doch gedacht, mich für den Hausgebrauch ganz gut mit Versmaßen, Strophenschemata und dergleichen auszukennen. Pustekuchen!

Es reicht offensichtlich nicht, weitgehend unfallfreie Fünfzeiler zustande zu bringen, Rilkes Panther herunterleiern zu können und irgendwann mal Heines Wintermärchen (Gedicht? Na ja, reimt sich halt.) gelesen zu haben. Den formalen Rahmen eines Sonetts bekomme ich vielleicht grade noch hin, beim Inhalt wird’s schon dünn, von Akrostichen, Haikus oder Terzinen gar nicht zu reden. Geht übrigens häufig auch denjenigen so, die sich an diesen Formen versuchen und ihre Werke zur Diskussion stellen. Nicht dass ich es beurteilen könnte, aber die Reaktionen der Checker lassen darauf schließen.

Fünf. Murphy.
Dass ich das Spiel gegen Leverkusen nicht gesehen habe, hat keine lyrischen Gründe. Stattdessen verbrachte ich einen Kurzurlaub, mit Bergwanderung und so, in Bayern. Schön war’s. Sehr schön sogar. Aber ich gebe zu, dass ich so ein 3:3 nach 0:3 schon auch gern mal mitgenommen hätte. Frühere Spiele, die ich aus Kurzurlaubsgründen verpasst habe: Bremen 2004 (4:4), Hoffenheim 2013 (6:2).

Sechs. Fachwissen.
In der Startelf, die ich vor der Saison in einem Blogger-Fragebogen gegenüber n-tv.de prognostizierte, nahm den linken Außenverteidigerposten Adam Hloušek ein. Eine Personalie, deretwegen ich mitunter belächelt wurde. Bitte vergleichen Sie hierzu auch Punkt drei. Gegen Leverkusen kam er nun erstmals zum Einsatz. Und, was soll ich sagen: 45 Minuten, 3:0 Tore, fiktive drei Punkte. Ich traue mich gar nicht, das auf die Saison hochzurechnen.

Sieben. Schuld.
Ich trage eine große Schuld. Nicht alleine, aber mit. An einer bitteren Entwicklung in der Sportbloggerei. Nein, ich habe nicht in dogfoods Kommentarspalte getrollt. Aber ich habe die #Link11 nicht hinreichend unterstützt. Sie wissen schon, drüben bei Fokus Fussball. Wo tolle Typen tolle Dinge tun. Mit hoher Qualität und hohem Aufwand. Nun schläft sie, also die Blog- und Presseschau, allem Anschein nach noch ein bisschen tiefer als zuletzt dieses Blog.

Sicherlich, die Erben sind noch dort, und jeden Besuch wert. Aber eben keine #Link11 mehr. Was dazu führt, dass ich, gerade zu Zeiten eines besonders gut gefüllten Terminkalenders, fußballmäßig verdammt uninformiert durchs Leben gehe. Und was nebenbei auch zur Gewissheit werden lässt, was sonst nur sehr wahrscheinlich wäre: dass kaum jemand diesen Text lesen wird. (Der Einfachheit halber sei an dieser Stelle ignoriert, dass Charakter und Inhalt ohnehin nicht geeignet wären, dem vorliegenden Text eine #Link11-, Obacht!, -Nominierung einzubringen.)

Klar, ich habe immer mal wieder auf die #Link11 verwiesen, im nennenden wie im verlinkenden Sinne, in der Regel fiel beides zusammen, und sie bei Twitter gelobt, retweetet oder kommentierend verlinkt, aber den Magen der Autoren, leider ohne -innen, füllt das ja auch nicht. Nicht dass der eine oder andere flattr-Obolus gleich geeignet wäre, die Mägen fünf oder noch mehr ausgewachsener junger Männer in der Blüte ihres Lebens zu füllen, aber ich Pfeife bin ja noch nicht mal bei flattr angemeldet!

Nun will ich den jungen Leuten, allen voran den Gründern Jens und Klaas, gar nicht unterstellen, dass die gegenwärtige Funkstille in erster Linie monetäre Gründe habe, es sei denn, was nicht abwegig ist, man bezeichnet die betriebswirtschaftlich unstrittige Priorisierung bezahlter gegenüber unbezahlten Projekten und Aufgaben als monetären Grund.

Vielmehr, um den Gedanken wieder aufzunehmen, unterstelle ich Ihnen zeitliche Restriktionen, in Verbindung mit kaum existenten finanziellen Anreizen, sich stundenlang mit Podcasts, Blog- und Pressetexten zu befassen, eine Auswahl zu treffen, einzudampfen, zu strukturieren, zu zitieren, ein übergreifendes literarisch-musikalisches oder auf anderes Weise Struktur gebendes Thema zu finden und dieses dann auszugestalten, kurz: zu kuratieren, um letztlich von der verwöhnten Leserschaft viel Kenntnisnahme, manches Lob, ein wenig Kritik ob der Textauswahl und gelegentlich blöde Sprüche zu ernten.

Wertschätzung. Sollte ich dran arbeiten. Im Movember melde ich mich bei flattr an. So als Anfang.

Nullnull. Nominierungen.
Keine. Mein Seelenheil wird’s verkraften.

 

Revolverheld

“Bin ich eigentlich der Einzige, der …?”

So lesen wir es Tag für Tag auf Twitter, hören es vielleicht auch abseits der Tastatur, und in der Regel folgt dann eine zumeist nur scheinbar vom Mainstream abweichende These, also etwas in der Art von “Bin ich der Einzige, der Helene Fischer nicht so geil findet?”, oder auch “Bin ich der Einzige, dem das Helene-Fischer-Gehate auf den Sack geht?”.

Die Beispiele sind frei erfunden, wiewohl vermutlich nicht ganz realitätsfremd, und ihnen ist, von gemeinsamen Formulierungen und Strukturen abgesehen, eines gemeinsam: die Antwort. Ich habe das vor einigen Monaten schon einmal drüben bei Twitter auszudrücken versucht:

Nicht nur vor diesem Hintergrund bin ich mir ziemlich sicher, nicht der Einzige zu sein, auch wenn ich mir die Frage schon einmal kurz stellte, der sich mit einer gewissen Regelmäßigkeit wünscht, das eigene Blog möge doch genau so sein wie das von Herrn X oder Frau Y. Nicht unter gestalterischen Aspekten (obschon es da natürlich gewisse Wünsche gäbe) oder in Sachen Reichweite (obschon man sich da gewisse Wünsche vorstellen könnte), nicht einmal im engeren Sinne inhaltlich. Es geht zumeist vielmehr um die grundsätzliche Art der Darstellung, korrekter: die Art der Texte.

Der eine oder die andere Mitlesende erinnert sich vielleicht an eine ältere Aufforderung, die ich hier im Blog einmal formuliert habe, und an die geschätzte Mitbloggende, ich denke insbesondere an Trainer Baade, gelegentlich erinnern: “Erzählt Geschichten!” Und so mag es nicht überraschen, dass Blogs, die ich gerne mein Eigen nennen würde, beziehungsweise von denen ich mir wünschte, dass die dort veröffentlichten Texte von mir sein könnten, meist solche sind, in denen Geschichten erzählt werden.

Langer Rede kurzer Sinn: ich beneide Herrn Kofler um sein Blog. Verzeihung: ich bewundere die Texte in seinem Blog. “Herr Kofler erzählt vom Krieg“, heißt es, und Herr Kofler, das dürfte auf der Hand liegen, erzählt dort Geschichten. Aus seinem Journalistenleben, aber nicht nur, amüsante Erlebnisse, aber nicht nur, sich selbst nicht zu ernst und gelegentlich auf den Arm nehmend.

Irgendwann wird sich mein Neid bestimmt wieder ein neues Ziel suchen, aktuell indes gilt er ihm. Nicht allein, aber in erster Linie.

Manchmal, wenn ich mich in Herrn Kofler gar nicht so martialischen Kriegsgeschichten verliere, denke ich “Hey, das hätte ich sein können”, nicht sehr oft, aber immerhin. Noch etwas seltener denke ich gar: “Das hätte von mir sein können”, nicht so, sondern anders, aber immerhin. In Einzelfällen gehe ich gar so weit, zu mir selbst zu sprechen: “Dazu könntest Du doch auch was schreiben!” Womit die Geschichte dann auch endet, unverrichteter Dinge. Stets, bisher.

Kürzlich bin ich dort indes über ein Thema gestolpert, zu dem wahrlich die meisten von uns etwas sagen können. Es geht um unser erstes Auto. Bei Herrn Kofler handelte es sich um einen Suzuki LJ 80, eine Art modernen Klassiker, glaube ich.

Unabhängig vom jeweiligen Modell haben wir vermutlich alle noch recht lebendige Erinnerungen an das Symbol unserer großen Freiheit, an die erste Urlaubsfahrt, an abgewürgte Motoren, an legendäre Spritztouren in kapazitativen und juristischen Graubereichen, an kleinere und größere Unfälle, lächerlich niedrige Benzinpreise, die natürlich viel zu hoch waren, möglicherweise an zwischenmenschliche Erfahrungen in etwas beengter Umgebung und ganz bestimmt auch an den Soundtrack, an jene selbst aufgenommenen Kassetten, die all das begleiteten.

Schloss ich von mir auf andere? Vermutlich. Schön war’s halt, waren sie, jene jungen Jahre, und obschon ich zum einen keine wirkliche Geschichte zu erzählen habe, mir zum anderen des Umstands bewusst bin, dass ich die Fallhöhe mit der langen Vorrede selbst bestimmt habe, will ich doch ein paar Zeilen zu meinem ersten Auto schreiben. Vielleicht möchte sich ja noch die eine oder der andere beteiligen und uns einen Schwank aus der Jugend (bzw. der gerade erreichten Volljährigkeit) erzählen?

Wir schrieben das Jahr 1990, die historische Einordnung möge die geneigte Leserin selbst vornehmen, als man mir den Führerschein zusandte, pünktlich zum 18. Geburtstag, wie das auf dem Land so üblich war. Was nicht nur an einer geringen ÖPNV- und folglich hohen Mopeddichte unter Heranwachsenden gelegen haben mag, die einen auf den motorisierten Straßenverkehr recht gut vorbereitete, sondern auch daran, dass sich in ländlichen Gegenden in aller Regel genügend abgelegene Sträßchen finden, wo man sich auch schon in jüngeren Jahren an Lenkrad und vor allem Pedalen versuchen kann. Allein: bei mir kam das irgendwie nicht zustande.

Mein Vater hätte viel zu viel Angst um seinen Wagen gehabt, gewiss, vor allem aber übte diese Fahrerei, selbst die verbotene, keine allzu große Anziehungskraft auf mich aus. Die Fahrschule würde noch früh genug kommen und mich alles Notwendige lehren.

Und sie kam. Tatsächlich ergab es sich, dass ich einen Tag vor meiner ersten Fahrstunde eine ganz grobe praktische Einweisung durch meinen Cousin erhielt, initiiert von der großen Familienrunde in Omas Wohnzimmer, inklusive Tadel für den ängstlichen Vater, sodass ich dem Fahrlehrer zu Beginn der ersten Stunde guten Gewissens sagen konnte, schon mal gefahren zu sein.

Er erkannte rasch, dass meine Vorkenntnisse nicht der Rede wert waren, und dass die ganze Geschichte wohl ein bisschen Zeit in Anspruch nehmen würde. Er kannte sich aus. Umso erstaunlicher, dass ich es dann doch schaffte, nicht nur zwei Tage vor meinem Geburtstag zur Prüfung anzutreten, sondern diese auch – zweifachem Abwürgen und einmaligem Vorfahrtsverzicht zum Trotz – erfolgreich zu absolvieren.

Die Fahrberechtigung war also da, Fahrgelegenheiten ergaben sich zunächst eher selten. Meinem Vater fiel es weiterhin schwer, mich mit seinem Wagen fahren zu lassen. Er hegte und pflegte ihn, war immer ein begeisterter, sportlicher Fahrer gewesen und hatte seine Autos stets sehr akribisch mit Rallyestreifen (sagt man das heute noch?) und anderem Schnickschnack verziert, so auch dieses, und wollte es ungern unnötigen Gefahren aussetzen, wie ich zweifellos eine darstellte.

So ergab sich im Lauf der nächsten Wochen und Monate ein recht zähes Ringen um den einen oder anderen Kilometer an Fahrpraxis, das ich nur selten zu meinen Gunsten entschied, immerhin aber dann, als es zählte: um mit einem hübschen jungen Mädchen ins Kino zu gehen, zum Beispiel, das am Ende des Abends meine Freundin war. Das konnte ich zu jenem Zeitpunkt zwar noch nicht zweifelsfrei sagen, retrospektiv jedoch sehr wohl. Drei Jahre lang glaubte ich, sie irgendwann zu heiraten. Tja.

Die Sache mit Papas Auto war indes eine einmalige. Oder anders: zum nächsten Date kam ich schon im eigenen Wagen. So eigen er halt ist, wenn er einem von Mama und Papa hingestellt wird, aber das focht mich nicht weiter an. Es war mein Auto, und es war ein großartiges. Eigentlich war seit Jahren klar gewesen, dass es kein anderes sein konnte. Mein Opa hatte einen gefahren, meine Mutter zwei oder drei, ich erinnere mich nicht ganz genau, bis auf einen grünen waren sie alle rot gewesen, und rot war auch meiner. Mit Rallyestreifen, klar, Papa hatte sich das nicht nehmen lassen, aber immerhin ohne Spoiler. Hätte sich vielleicht auch nicht so gut gemacht bei einem R4.*

“Quatrelle”, bzw. 4L, würde ich ihn erst einige Jahre nennen, bzw. sein Pendant, meinen zweiten R4, der mich in Marseille einige Zeit begleitete, einige Mitlesende werden davon gehört haben. Die beiden Autos verschmelzen in der Erinnerung gerne mal zu einem, von dem schmucklosen Gefährt, das mich zwischenzeitlich durch die Gegend trug, nachdem die erste Quatrelle ein gewaltsames Ende erlitten hatte, weiß ich kaum mehr das Kennzeichen.

Wunschkennzeichen hatte man damals ja noch nicht so. Ok, man hatte, vielleicht, wenn man jemanden bei der Zulassungsstelle kannte, aber selbst dann war es nach meiner Wahrnehmung schlichtweg noch nicht so en vogue, sich auf dem Kennzeichen selbst zu verwirklichen. Umso gelungener, dass meines die Initialen besagter junger Frau aus Papas Auto trug.

Dass ich dennoch nicht mit ihr, sondern mit einem guten Freund die erste große Tour mit dem Wagen unternahm, nun ja, war halt so. Südfrankreich war das Ziel. Korrekter: der Weg dorthin. Dass wir im Rausch der Geschwindigkeit beinahe bereits an der Autobahnauffahrt gescheitert wären und die Stimmung zumindest bis zur Schweizer Grenze erst einmal ein wenig reserviert war, soll hier nicht ganz verschwiegen werden. Hat sich ja offenbar auch ziemlich nachhaltig ins Gedächtnis eingebrannt.

Mein Mitfahrer brauchte einen Moment, um sich an die Revolverschaltung zu gewöhnen, die jüngere Mitlesende vermutlich nicht einmal mehr vom Hörensagen kennen, ansonsten verlief die Fahrt so, wie man sie sich in seinen verklärenden Erinnerungen eben so ausmalt: um die kostenpflichtigen Autobahnen zu meiden, fuhren wir auf kleinen Sträßchen, was den angenehmen Nebeneffekt hatte, dass der Lärmpegel trotz offenen Faltdachs in aller Regel zumindest so überschaubar blieb, dass man die laute Musik, die wir jungen Leute halt so hörten, noch erahnen konnte.

Die Heizung lief auf vollen Touren, gerade wenn es in höhere Gefilde ging, um die Motorkühlung zu unterstützen, und als wir auf der Höhe von Valence, also schon recht weit unten, einen ähnlich alten 2CV aus unserer Gegend überholten, fanden wir das, einer gewissen Solidarität unter Revolverschaltern folgend, hinreichend lustig, um uns, ausnahmsweise auf der Autobahn, über einige Kilometer hinweg immer wieder gegenseitig zu überholen. Nein, es saßen keine zwei Mädels drin.

Der Urlaub fand ein jähes Ende, als uns die Nachricht vom Tod einer Mitschülerin errichte, die Heimfahrt war zäh, geprägt von Müdigkeit, Betroffenheit und schlechter Laune, ein paar Stunden vor der Trauerfeier kamen wir zuhause an.

Das Schülerleben ging schnöde weiter, ein paar Monate später absolvierten wir unsere schriftlichen Abiturprüfungen, dem R4 wurden von Vaters Sohn zwar keine weiteren Rallyestreifen, aber doch ein recht auffälliger, in blassrosa gehaltener “Abi 91”-Schriftzug auf der Motorhaube verpasst, was im Dorf für Gesprächsstoff sorgte und auch von den Mitspielern stets kritisch beäugt wurde, wenn es zu Auswärtsspielen ging. Meist fuhren sie selbst, gestandene ältere Herren von Mitte zwanzig oder gar dreißig Jahren, mit ausgewachsenen Ford Escorts, Golfs, Mercedessen oder auch Ur-SUVs im Kofler’schen Sinne, aber gelegentlich war der eine oder andere dann doch froh, wenn er darauf setzen konnte, nach dem Spiel und anschließendem Getränkekonsum nicht selbst fahren zu müssen, und nahm das bedrohliche Ächzen eines mit vier Personen besetzten R4 in Kauf.

Etwas mulmig wurde meinem Beifahrer in einer solchen Situation, als wir unversehens in einen außergewöhnlich starken Wolkenbruch gerieten, der selbst moderne Scheibenwischer in den Grenzbereich ihrer Leistungsfähigkeit gebracht hätte, die Quatrelle aber derart überforderte, dass es keine Alternative zum sofortigen Anhalten gab. Der Standort auf einer recht langen Brücke war nicht ideal (“alternativlos” sagte man damals noch nicht), zwei oder drei Autos überholten uns noch, einer davon erzürnt hupend, danach kam der Verkehr kurzzeitig zum Erliegen, was – so unsere Überzeugung – aber nicht uns, sondern dem Wetter geschuldet war. Bisschen blöd dabei, dass der Unterboden nur so mitteldicht war und wir sehr feuchte Füße bekamen, mais c’est la vie.

Nach etwa zwei Jahren segnete er viel zu früh das Zeitliche, als ich kurz abgelenkt war – Pfandflaschen auf dem Beifahrerseitz sind nie eine gute Idee; bei einem Wagen ohne Mittelkonsole gilt das in besonderem Maße – und am Fußballplatz eine Kurve verpasste. Die dort stehende Walze ließ sich, ich hatte es schon einmal kurz erwähnt, gerade so vermeiden, der Straßenpfosten und der kleine Graben nicht. Der Schaden war zu groß, die Abi-91-Motorhaube entstellt, das Auto Geschichte. Mir war nichts passiert. War halt ein sicheres Auto, so ein R4. Manchmal wachträume ich bis heute davon, noch einmal einen zu besitzen.

Vor vielen, vielen Zeichen hatte ich mal geschrieben, dass ich Herrn Kofler um sein Blog beneide. Ich mag seinen Stil, den Tonfall, die Geschichten und manches mehr. Vor allem aber bewundere ich seine Fähigkeit, auf den Punkt zu kommen. Er hat das ja auch gelernt.

* Wer so gar keine Ahnung hat, was einen R4 ausmacht, der möge sich vielleicht einmal das Innenleben dieses Wagens ansehen, der – abgesehen von Farbe und Rechtssteuerung – meinem damaligen Modell recht ähnlich sein dürfte (ganz rechts der Choke, der mittlerweile ein bisschen aus der Mode gekommen ist). Außen war er diesem hier recht ähnlich, also dem im Vordergrund, mit Faltdach, leider ohne Rallyestreifen. Mein zweiter sah dann eher so aus. Eine Eloge veröffentlichte die Frankfurter Rundschau anlässlich des 50. Geburtstags des R4 im Jahr 2011.

 

 

Doppelfünf

Still hier in diesen Tagen, nicht wahr? Man kommt ja zu nichts. Ehrlich nicht, aus mancherlei Gründen, die nicht alle angenehm sind, aber das nur am Rande. Gerne hätte ich zwischenzeitlich mal wieder eine “Verbalbeurteilung” zu Ende gebracht, oder meine, ähem, angedachten Bemerkungen zu vermeintlich toten Sportblogs zu Papier, allein: es sollte nicht sein. Bisher.

Im Idealfall begründet man so ein Schweigen überzeugend mit “anderen Projekten”, die man zwischenzeitlich vorangetrieben habe, und mit etwas Glück erblicken diese dann irgendwann das Licht der Welt. Öfter auch nicht. Bei mir ist es heute ausnahmsweise mal andersherum: Licht der Welt ja, Belastung durch anderes Projekt: eher nein, bestenfalls kaum.

Tatsächlich hat so ein kleines Projekt heute seine Tarnkappe abgelegt und ist öffentlich geworden. Erfreulicherweise eines, an dem ich nicht ganz allein beteiligt bin, sondern mit einem wunderbaren Mitstreiter. Ein Projektlein, das dem einen oder der anderen Mitlesenden kaum mehr als ein Gähnen entlocken wird: Fünfzeiler, schon wieder. Einfach in ein Tumblelog geschmissen, ohne großen technischen und gestalterischen Aufwand, wie man mich halt kennt, und wie man den geschätzten Mitschreiber Herrn @rebiger unter Umständen auch einzuschätzen versucht ist, bloß weil er sein Blog, in dem es primär um den HSV geht, saisonal auch mal in fünf Zeilen, nicht auf oder unter einer eigenen Domain betreibt.

Das Thema ist auch nicht besonders ausgefallen, in diesen (gerade noch vor-)weltemeisterschaftlichen Zeiten, aber sei’s drum: wie haben Spaß. Und auch wenn wir keine besonderen gestalterischen Ansprüche haben, so kennen wir doch Leute, bei denen das anders ist und die uns in gar wunderbarer Weise ein Logo gestalten, um die werte Leserschaft erst einmal abzulenken und davon abzuhalten, sich mit Schriftarten, optischen No-Gos oder gar den dahinter steckenden dilettantischen Code-Anpassungen zu befassen.

Genau genommen kennen wir erst einmal eine solche Person, nämlich die großartige Frau @rudelbildung, die wir alle nicht nur vom Textilvergehen schätzen und die uns ruck, zuck eine schicke Doppelfünf kredenzt hat:

 

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Doppelfünf, Sie wissen schon:
zwei Typen, fünf Zeilen. Und das Ganze für ein Turnier.

Bleibt die Hoffnung, dass sich noch der eine oder die andere Lesende in eine(n) Mitreimende(n) verwandelt und seine oder ihre FIFA-Fünfzeiler mit uns teilt. Zum einen müssen wir dann nicht alles alleine machen, zieht sich ja auch so’n bisschen hin, so ein Turnier.

Zum anderen zeigt die eigene adventskalendarische Erfahrung, und nicht nur die, dass in diesem Internet zahlreiche Reimeschmiede und -schmiedinnen unterwegs sind, die gelegentlich eines Anstoßes bedürfen, um in Anapäste oder Amphibrachys einzutauchen. Jetzt wäre wieder so ein Moment. Freiwillige für die fünfzeilige Aufarbeitung der Morgengrauen-Spiele werden dabei prioritär gesucht.

Wie auch immer: hier entlang, bitte. Bei Interesse.

 

 

Der diskrete Charme der Meinungseinfalt

“Wir werden ab dem ersten Spieltag der neuen Saison eine einheitliche Sportschau in den 3. Programmen der ARD anbieten. Die wird eine Länge von 20 Minuten haben. Wir haben in der letzten Rechteperiode unseren föderalen Charme in der ganzen Breite sonntags ausgespielt. Das führte aber auch dazu, dass man in dem einen Sender die Information vom Reporter bekam: Das ist auf jeden Fall ein Elfmeter’. Die gleiche Szene ist in einem anderen Sender vielleicht anders beurteilt worden.”

So wird WDR-Sportchef Steffen Simon in einem Interview mit dem Sport-Informations-Dienst zitiert, das bei merkur-online.de veröffentlicht wurde und auf das mich die geschätzten Herren von Fokus Fussball aufmerksam gemacht haben. Der Umstand, dass ich gerade heute zu Fokus Fussball verlinke, wird dessen Mitbegründer @sportkultur, der ja nebenbei ein formidables eigenes Blog befüllt, das vor wenigen Tagen Geburtstag feierte, möglicherweise ein wissendes, vielleicht auch mit einem leisen “der Schlingel” einhergehendes Lächeln entlocken, auf dessen Gründe ich an dieser Stelle, man möge es mir verzeihen, nicht weiter einzugehen gedenke.

In seiner Einleitung zur jüngsten Fokus-Fussball-#Link11 geht Klaas, wie Herr sportkultur sonst so heißt, auf eine aktuelle Interviewattrappe zwischen Mario Götze und seinem Arbeitgeber ein, die ich an dieser Stelle, man möge es mir verzeihen, nicht zu verlinken gedenke. Klaas belässt es nicht bei besagtem Hinweis, sondern hat auch eine Meinung:

“Auch der Umgang der Medien mit den Veröffentlichungen des FC Bayern ist kritisch zu beobachten, denn hier wird ein Interview vielfach in die Berichterstattung aufgenommen, das nicht mehr als PR ist. Wenn die Presselandschaft sich mit den Bröckchen zufrieden gibt, die die Presseabteilung hinwirft, dann wird es einfach für die Bayern sich die Berichterstattung so zu lenken wie es sich die Granden des Vereins wünschen.

Hoffen wir auf kritischen Sportjournalismus, der sich gegen Einschränkungen der Berichterstattung durch die Fußballclubs wehrt.”

Unter den vielfältigen Verdiensten, die sich der ehemalige DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger im Lauf seiner Amtszeit erworben hat, ragt jener, den Begriff der “Kommunikationsherrschaft” in die Sportberichterstattung eingebracht zu haben (man möge mich bitte korrigieren, sofern anderweitige Urheberrechtsansprüche bestehen), heraus. Kommunikationsherrschaft verhält sich, wenn man so will, und ich will, seit einigen Jahren zu Theo Zwanziger wie der sprichwörtliche tödliche Pass zu Uwe Bein.

Genau wie Bein – man möge mir an dieser Stelle verzeihen, dass ich mich von meinem eigenen schiefen Bild davontragen lasse und gleich auch noch eine schiefe Überleitung anhänge – sieht auch Theo Zwanziger nunmehr vielen Akteuren zu, die ihm nacheifern: die einen gut, die anderen weniger, die einen talentiert, die anderen dilettantisch, die einen auf höchster Ebene, die anderen in der Kreisliga. Der FC Bayern, um das obige Beispiel aufzugreifen, beschäftigt keine Dilettanten (Mario-Gomez-Kritiker mögen sich an dieser Stelle zurückhalten), die PR-Strategie verfängt vielerorts, wie Klaas bereits in seinem oben verwendeten Zitat kritisiert.

Natürlich ist das, wie wir alle wissen, gang und gäbe, ohne jeden Zweifel wird es bei anderen Vereinen ähnlich gehandhabt, in vielen anderen Bereichen ebenso. Man könnte nun auf den Niedergang des Journalismus eingehen, wenn man könnte, auf dortige Rahmenbedingungen, auf betriebswirtschaftlich bedingte Arbeitserschwernisse für ernsthaften, engagierten und kompetenten Journalismus, auf all das, was man immer wieder liest, was ich aber nicht seriös beurteilen kann. Was ich indes beurteilen kann: dass mich die von Klaas angesprochenen Auswüchse des PR-Journalismus unzufrieden zurücklassen.

Eigentlich wollte ich ja etwas über Steffen Simon sagen, den ich zu Beginn des Textes zitierte. Dass ich kein allzu großer Anhänger seiner Leistungen als Fußballkommentator bin, ist für die regelmäßige Leserin vermutlich kein Geheimnis, soll aber hier nichts zur Sache tun. Was mich irritiert, ist vielmehr das von ihm zum Ausdruck gebrachte Bemühen um eine ARD-weite Einheitsdeutung (Kommunikationsherrschaft ist möglicherweise dann doch ein etwas zu großes Wort) strittiger Szenen aus der Bundesliga.

Gerade jener föderale Charme, den die dritten Programme in der letzten Rechteperiode sonntags ausgespielt hätten, verlieh der Bundesligaberichterstattung eben dies: Charme. Er gab mir – leicht zeitversetzten Sportsendungen sei Dank – die Möglichkeit, einen fragwürdigen Elfmeterpfiff bei, sagen wir, Gladbach gegen Wolfsburg aus nordrhein-westfälischer wie auch aus niedersächsischer oder zumindest NDR-Perspektive bewertet zu sehen, oder auch nur von zwei mehr oder weniger neutralen Berichterstattern aus Bayern und Baden-Württemberg, die die Szene dennoch unterschiedlich beurteilten.  Und er gab mir, ja, auch das, die Gelegenheit, mich ob der völligen Fehlinterpretation beim MDR zu ereifern.

Möglicherweise verstünde ich die ARD, wenn es objektiv “richtige” und “falsche” Bewertungen gäbe. Wenn man Sorge hätte, kakophonisch den Eindruck zu vermitteln, die Regeln nicht zu kennen bzw. sie unterschiedlich gut zu kennen, sie falsch auszulegen. Zumal die Perspektive objektiver Richtigkeit von Schiedsrichterentscheidungen mit einem Schlag den sonntäglichen Fernsehdoppelpass obsolet machen würde. Manche würden vielleicht auch sagen: … bloßstellen würde, wie obsolet der sonntägliche Fernsehdoppelpass ist.

Aber so ist es nicht. Schiedsrichterentscheidungen sind nicht immer objektiv richtig oder falsch, Angriffsaktionen nicht immer objektiv vielversprechend oder zum Scheitern verurteilt, taktische Maßnahmen nicht objektiv innovativ oder vorhersehbar. Unterschiedliche Bewertungen gehören dazu. Sie wohnen dem Spiel und dessen Kommentierung inne, regen an und auf, tragen zum besonderen Reiz ‘unserer’ Sportart bei. Was kein Plädoyer gegen die möglicherweise objektive Richtigkeit der Torlinientechnik sein soll. Eher eines für föderalen Charme.

Es mag Leute geben, die Regionalpatriotismus in der Sportberichterstattung für den Inbegriff des Bösen halten, oder auch nur für falsch. Was völlig in Ordnung ist. Ich zähle nicht zu ihnen. Mir gefällt es, bis zu einem gewissen Grad, wenn die Moderatoren und auch die Reporter getönte Brillen tragen. In den per definitionem regional gefärbten dritten Programmen, klar. Ob ich dann zustimme oder nicht, habe ich selbst in der Hand. SWR-Brille hin, Deutungshoheit her.

Vielleicht hat das Ganze aber auch gar nichts mit Charme und Deutungshoheit zu tun, sondern mit Geld. Produktionskosten. Synergien. Und so weiter. Eigentlich ein ganz charmantes Argument aus Sicht der Gebühren Zahlenden.