Informationsebbe

War ruhig hier, ne? Ich hab mir frei genommen. Von ziemlich vielem, wenn man es genau nimmt. Von der Arbeit, vom Bloggen, vom Bloglesen, von RSS-Feeds, zum Teil von Twitter, Zeitungen und Fernsehen. Informationsebbe, sozusagen.

Und jetzt schreibe ich ein Buch über soundsoviele Tage offline, hat bestimmt noch niemand getan.

Quatsch – erstens war ich nicht so richtig offline, zweitens dauerte die Phase nicht sehr lange, drittens fehlt mir Zeit, Motivation und Nachfrage für so ein Buch, von meinem nicht vorhandenen Interesse an der Thematik ganz zu schweigen. Viertens bis zehntens bekäme ich bei Bedarf übrigens auch hin.

War schön. Ich will nicht von Entschleunigung reden oder davon, wie gut ich ohne den ständigen Informationsfluss auskam. Das war mir – unabhängig davon, dass ich gar nicht die Absicht gehabt hatte, mich diesbezüglich einzuschränken –, ohnehin klar gewesen, vielleicht begünstigt durch die aus vielerlei Gründen klar umrissene zeitliche Perspektive.

Viel interessanter war für mich der Umgang mit Blogs. Mit meinem eigenen, das ich während der EM noch ein bisschen befüllte, aber auch mit denen anderer. Zum allergrößten Teil nutze ich die von mir regelmäßige gelesenen Blogs nur bedingt als Informationsquelle im Sinne von Faktenwissen, sondern eher, wie soll ich sagen, hedonistisch.

Natürlich nehme ich die vermittelten Inhalte wahr und auf, natürlich liefern viele Blogs Hintergründe und Nebenaspekte, die mir anderswo vorenthalten werden, natürlich erweitern diese Blogs meinen Horizont. In erster Linie aber bereiten sie mir Freude. Das liegt zum Teil an der Sprache, an unerwarteten Formulierungen, kruden Vergleichen oder kunstvoll komponierten Schachtelsätzen, zum Teil an optischen Gesichtspunkten, zum Teil auch an der Lust am Nebensächlichen, an bewussten Provokationen oder an zahlreichen Kleinigkeiten, durch die sich viele Blogs von anderen Veröffentlichungsformen abheben.

In den letzten Wochen habe ich so gut wie keinen Blogartikel gelesen. Und keinen geschrieben. Weder das eine noch das andere hat mir so sehr gefehlt, dass ich Abhilfe geschaffen hätte, was ohne größere Probleme möglich gewesen wäre. Zweifellos lag das zu einem großen Teil daran, dass ich sehr viel Zeit mit der Familie verbringen konnte, mit der Vorgänger- wie der Nachfolgegeneration. In der Wohnung war auch ne Menge zu tun, was einen Menschen mit zwei linken Händen (alles Daumen) recht intensiv in Anspruch nimmt.

Und doch: Ich hätte nicht gedacht, dass ich das – natürlich vorhandene – Jucken in den Fingern, wenigstens die eine oder andere Einlassung besonders unterhaltsamer Autorinnen und Autoren zu lesen, so entspannt beherrschen würde oder dass es mir so leicht fiele, die auf anderen Kanälen nicht ganz an mir vorüber gegangenen Hinweise auf neue Projekte sozusagen auf Halde liegen zu lassen, nach dem Motto: was gut ist, ist auch in ein paar Wochen noch da.

Gleichzeitig weiß ich aus regelmäßigen Verzichtserfahrungen in der Fastenzeit, wie wenig Probleme es mir bereitet, 7 Wochen lang keine Schokolade zu essen. An Ostern konsumiere ich dann meist noch recht verhalten und denke darüber nach, dass es doch ganz sinnvoll wäre, auch auf Sicht Maß zu halten, um spätestens nach zwei Wochen doch wieder das alte Niveau zu erreichen. Das wird beim Blogkonsum nicht anders sein.

Etwas verzwickter ist die Sache beim eigenen Blog, über das ich, teilweise angestoßen von freundlichen Zeitgenossen, in diesen Wochen immer mal wieder ein wenig nachgedacht habe. In vielerlei Hinsicht und völlig unterschiedliche Richtungen. So wäre es, um dieses Blog weiterhin und sinnvoll zu betreiben, seit langem geboten, auf eine eigene Domain umzuziehen, um damit sowohl gestalterisch (auch hier: zwei linke Hände …) als auch bei der Nutzerfreundlichkeit (Sie wissen schon: die Kommentarfunktion und wordpress.com …) als auch bei der Blogverwaltung mehrere Schritte nach vorne zu machen. Nebenbei ließe sich die zwar nebensächliche, mitunter aber doch gefragte Außendarstellung (allein die oder der URL!) ein wenig vereinfachen, und überhaupt und sowieso.

Gleichzeitig, und damit sind wir bei der angedeuteten gegenteiligen Überlegung, bezweifle ich, dass die – gefühlt – deutlich nachlassende Kommentarfreudigkeit hier im Blog nur oder zumindest in erster Linie auf zeitweise auftretende technische Probleme (Entschuldigung: Features) zurückzuführen ist. Ob der tatsächliche Grund letztlich die Qualität der Texte ist oder die Themenwahl, ob die Lesenden des Kommentierens überdrüssig sind oder die potenziell Lesenden des Lesens, ob es sich um ein Zeit- oder Priorisierungsthema handelt, oder ob die Feedbackfunktion für Blogartikel mittlerweile nahezu komplett zu Twitter gewandert ist: ich weiß es nicht.

Fakt ist, dass hier im Blog nurmehr sehr selten ein Austausch mit Leserinnen und Lesern zustande kommt, und manchmal ist das einfach schade. Korrekter: schade ist es immer, und manchmal bedauert man es noch etwas mehr. Weil das Thema vermeintlich besonders spannend oder kontrovers ist, weil man über die Maßen viel Zeit in einen Text investiert hat, was auch immer.

Sicher, ich singe, weil ich ein Lied hab, und nicht, weil es irgendwer bestellt, oder so ähnlich, aber manchmal wünscht man sich halt Interaktion, Diskussion, Kritik, gewiss auch Lob, und wenn man sich dann grade in einer Offlinephase befindet, dabei das Schreiben sein lassen kann, ohne ein unstillbares Verlangen zu spüren, sich einer nicht näher zu spezifizierenden Öffentlichkeit schriftlich mitzuteilen, dann kann man schon mal grundsätzlich werden.

Ist es einem wirklich so wichtig? Hat man überhaupt noch etwas zu schreiben? (Hatte man je?) Ist es den Aufwand wert? Kann man es der Familie gegenüber guten Gewissens aufrecht erhalten?

Oder, eine Nummer kleiner: Soll man den Aufwand verringern? Das eine oder andere Kriterium der persönlichen Qualitätskontrolle aufweichen? Soll man sich nicht nur von der Vorstellung frei machen, dass es Leute gibt, die eine gewisse Erwartungshaltung bezüglich Frequenz und Inhalten haben, sondern wieder an den Punkt kommen, wo man sich von dieser vermeintlichen Erwartungshaltung einfach nicht beeinflussen lässt?

Womit man wieder bei den nicht ganz so aber immer noch ziemlich grundsätzlichen Fragen wäre: Entspricht der gewachsene inhaltliche Fokus, der sich zweifelsohne auch aufgrund des Austausches hier und bei Twitter so entwickelt hat, noch dem, was man selbst veröffentlichen will? Schreibt man nicht zuletzt deshalb nicht über irgendwelche Anekdoten vom Tage, weil man unterbewusst befürchtet, sein “Profil” zu verwässern, jene LeserInnen zu verschrecken, die hier nur das eine wollen, nämlich Fußball und konkret den VfB?

Oder ist es nicht vielmehr so, dass man selbst schon immer nur genau darüber schreiben wollte und sich anfangs einer Illusion hingab, die man dann auch eine gewisse Weile mit Leben füllen konnte, die dann aber den wahren Präferenzen nicht mehr standhalten konnte?

Ich weiß nichts. Und mache erst einmal weiter.