Bella Marta in der Ischelandhalle

Volker Weidermann hatte es empfohlen. Und ihn. Euphorisch, geradezu. Wenn Volker Weidermann etwas empfiehlt, und wenn noch dazu ein Grundinteresse meinerseits besteht, so wusste ich, kann eigentlich nichts grundlegend schiefgehen. Natürlich hatte ich recht: Thomas PletzingersGentlemen, wir leben am Abgrund” fesselte mich.

Nanu, der Kamke schreibt über ein Buch? Was ist denn jetzt los? Kann der lesen? Ok, Letzteres ist Koketterie, das vergessen wir schnell mal wieder. Ja, ich schreibe über ein Buch, aus Gründen, die ich nicht so recht benennen kann. Tatsächlich lese ich gar nicht so selten Bücher. Häufig genug sind sie nicht nur bereichernd, sondern hin- und mitreißend, etwas zu häufig sind sie es nicht. Aber ich schreibe nicht darüber, weder im einen noch im anderen Fall.

Gute (nicht: positive) Rezensionen begeistern mich. Sie zeigen mir Querverbindungen und vermeintliche Nebenaspekte auf, deren Bedeutung ich zum Teil nicht in Ansätzen erkannt hätte, folgen einem mir nicht geläufigen und doch so völlig logisch erscheinenden Muster und sind schlicht lesenswert. Mitunter bin ich komplett überfordert, aber das hält mich beispielsweise nicht davon ab, in (heute ausnahmsweise nicht gänzlich) stiller Bewunderung im Begleitschreiben Rezensionen von Werken zu genießen, deren Inhalte mich kaum interessieren und von denen ich häufig weiß, dass ich sie niemals lesen werde.

Was ich damit sagen will? Nun, ich schreibe keine Rezension. Traue ich mir nicht zu. Ich habe das Buch auch nicht in der Absicht gelesen, hinterher darüber zu schreiben. Es ist schlichtweg so, dass mich ein paar Themen ein wenig umtreiben. Themen, die nicht nur mit dem Inhalt im engeren Sinne zu tun haben. Oder im weiteren.

Zum Beispiel die Frage, wer so etwas bezahlt, die bitte nicht als “Wer zum Teufel finanziert denn sowas?” missverstanden werden möge. Ganz im Ernst, ich habe keine Ahnung vom Literaturbetrieb, und wüsste gern, wer die Begleitung einer Basketballmannschaft – darum geht es nämlich, könnte man ja auch mal erwähnen – über ein ganzes Jahr hinweg, mit Europapokal- und sonstigen Reisen, vermutlich auch mit Verpflegung als Teil des Alba-Trosses (Verzeihung, die, nun ja, ein wenig auf der Hand liegende Formulierung entstand tatsächlich zufällig und fiel mir erst auf, als ich sie schon nicht mehr missen wollte), finanziell trägt. Sind das Recherchekosten, die der Verlag bezahlt? Wie groß ist das Risiko des Autors? Inwieweit trägt der Verein Alba Berlin dazu bei, der letztlich eine ganze Menge an PR erhält?

Pletzinger selbst sagte hierzu in einem Interview mit der FAZ: “Ich bin kein Hofberichterstatter und stehe nicht auf der Alba-Gehaltsliste, ich werde in keiner Weise zensiert und bin völlig frei. ” Das nehme ich ihm ab. Es liegt mir auch fern, irgendwelche finanziellen Abhängigkeiten oder Ungereimtheiten aufzuzeigen und zu hinterfragen, wozu auch? Letztlich war es nur so eine Frage, die sich mir nach wenigen Seiten stellte, die ich seither ein wenig mit mir herumtrage und die ich nun hier loszuwerden versuche, ohne wirklich konkrete, geschweige denn verlässliche Antworten zu erwarten.

Eine Zeit lang habe ich mir überlegt, ob ich mir mehr Objektivität gewünscht hätte. Der Autor, in seiner Jugend selbst ein talentierter Basketballspieler, der in Hagen an den Profibereich heranschnuppern durfte, geht sehr offen mit seiner nach und nach aufgegebenen Distanz um. Klar, ließe sich auch nicht leugnen, muss es auch nicht, wie ich im Nachhinein glaube. Für mich las sich das Buch zunehmend wie der Bericht eines unmittelbar Beteiligten, gelegentlich gar so, als hätte ein Spieler selbst, mit verdammt gutem Ghostwriter, aus der Kabine erzählt – sicherlich bedürfte es dazu auch der Einblicke ins Seelenleben des Sportlers, wenn er beispielsweise an einer Nichtnominierung oder kurzen Einsatzzeiten zu knnabbern hat, doch zum einen halte ich es für fraglich, wie offen ein Spieler tatsächlich damit umgehen würde, zum anderen dürfte der aufmerksame Beobachter Pletzinger die Stimmungslagen bei Spielern wie Patrick Femerling oder Sven Schultze recht treffend erfasst und auf den Punkt gebracht haben, ohne sich in seitenlangen Schilderungen zu ergehen.

Dem geneigten Leser wird aufgefallen sein, dass ich oben sagte, Pletzingers Buch habe mich gefesselt. Klingt irgendwie nach “Suspense”, nach dem, was man gemeinhin von einem Krimi erwartet, aber nicht nach einem in allen Belangen begeisterten Urteil. Ist es das nicht? Ich weiß es noch immer nicht. Es gibt einfach Dinge, mit denen ich mich schwer tat. An den Zeitsprüngen hatte ich lange zu knabbern, und – damit einhergehend – mit dem Hin und Her bei Spielern und vor allem Trainern. War es indes genau dieser Kniff, dieser immer wieder vor Augen geführte Wechsel vom sympathischen, gebildet wirkenden Luka Pavićević, mit dem ich vermutlich gerne mal einen Abend verbringen würde, zum verkniffener und blasser erscheinenden, vielleicht auch nur weniger tief beschriebenen Muli Katzurin, der die Professionalität des Basketballbusiness, den – trotz der überraschten Reaktionen der Spieler auf die Entlassung – geschäftlichen Umgang mit dem steten Wechsel, besonders deutlich illustriert? Oder denke ich mir einfach nur weit hergeholte Theorien aus?

Paul Neumann beschäftigt mich noch immer. Hieß er wirklich so, und wenn ja, ist es angemessen, ihn so bloßzustellen? Falls ja: Hat er es nicht genau so verdient, dieser verbrämte alte Bamb… ah, da haben wir es: Ich bin zum Alba-Fan geworden. Zumindest für die Zeit der Lektüre – anders als Frau Gröner sehe ich mir seither nicht jedes verfügbare Alba-Spiel an und wusste bis eben nicht einmal, ob Katzurin nach der literarisch begleiteten Saison Trainer blieb (stand doch nicht im Buch, oder?), aber ich fand mein Mitfiebern schon bemerkenswert.

Sicherlich, ich bin für sowas empfänglich, kann auch bei Sportfilmen, denen man nicht allzu hohen künstlerischen Wert und noch weniger Glaubwürdigkeit zuschreiben möchte, hemmungslos mitfiebern, aber Alba, oder korrekter: ALBA? Der von mir stets, möglicherweise völlig zu unrecht, als eher langweiliger, wohlhabender Hauptstadtverein angesehene Serienmeister der Jahrtausendwende, den ich, erst recht zu Unrecht, gedenklich gerne mal mit der Hertha in einen Topf warf? Der gegen die sympathischen und, ähem, wohlhabenden Underdogs Favoriten Bamberger antritt, deren Basketball noch regionales Identifikationspotenzial entfaltet? Hätte ich nicht gedacht.

Wie gesagt: Ich bin empfänglich für solche Geschichten, als Autor fängt man mich da leicht ein. Aber ich glaube schon, dass es dann doch ganz wesentlich Pletzingers Erzählweise war, die mich für das Buch einnahm. Und seine durch alle Ritzen scheinende Begeisterung, einen Jugendtraum in die Tat umzusetzen. Sowie nicht zuletzt der trotz allem erkennbare Kampf zwischen dem Beobachter Pletzinger und dem von den Fans gefeierten Beteiligten Thomas. Nicht zu vergessen: mein vergebliches Warten auf sein Wiedersehen mit Marta Lewandowski.

Es wird Zeit, endlich seine “Bestattung eines Hundes” zu lesen. Und sich einzugestehen, dass man nicht über ein Buch schreiben kann, ohne es auf die eine oder andere Art zu rezensieren.

Die Rosi und der Heiden

Die Zeitungen sind voll davon. Aber muss das jetzt auch noch hier im Blog sein? Muss jetzt auch noch der Kamke mit Wintersport anfangen, mit Ski alpin und Biathlon und Magdalena Neuner?

Nee, muss er nicht. Aber er tut’s. Ein bisschen, weil ihn Wintersport schon lange interessiert, weil er Moravetz’ Behlefrage live oder zumindest in der damaligen, im Vergleich zu heute lächerlich kurzen Olympiaberichterstattung miterlebte, weil er Mietos Drama sah und die TausendstelHundertsteldiskussion begleitete, weil er, dem väterlichen Beispiel folgend, handschriftliche Ergebnislisten bei Abfahrten und (Riesen-)Torläufen führte, und weil er sich zwar noch nicht 1980, aber dann in Sarajevo in den Bann der Herren Angerer, Kvalfoss und Rötsch ziehen ließ. Modesportart Biathlon my ass.

Nachdem das ge- oder zumindest erklärt wäre, kann ich nun ja Entwarnung geben. Ich will gar nicht über Wintersport schreiben. Nur Magdalena Neuners bevorstehenden Rückzug zum Anlass nehmen, nach Präzedenzkarriereenden zu fragen. Es ist ja nicht so, dass verschiedene Medien diesen Gedanken nicht auch schon gehabt hätten. Da fallen dann Namen wie Katja Seizinger, Rosi Mittermaier, Kim Clijsters oder Mark Spitz, in Österreich natürlich auch Toni Sailer und Petra Kronberger. Auch Annemarie Moser-Pröll war letztlich noch keine 27, als sie aufhörte.

Die kann man natürlich alle nennen, letztlich sind die Fälle aber sehr unterschiedlich gelagert. Mich interessieren insbesondere diejenigen, die aus freien Stücken und ohne spätere Comebackversuche Schluss gemacht haben. Ob letzteres auf Magdalena Neuner zutrifft, wird man sehen; Mark Spitz, Kim Clijsters oder auch Ian Thorpe und Björn Borg fallen damit schon einmal heraus.

Gleiches gilt für Katja Seizinger, die meines Wissens aus gesundheitlichen Gründen keine Perspektive mehr sah. Wobei dieser Grat ein schmaler ist – aus heutiger Sicht liest man die Erklärung, dass Petra Kronberger bei ihrem frühen Karriereende ausgebrannt gewesen sei, mit einer ganz anderen Sensibilität als vielleicht noch vor ein paar Jahren. Und wie blickt man, auch wenn sie nicht in dem Maße herausragend war wie die meisten anderen Genannten, auf die damalige Stabhochspringerin Yvonne Buschbaum? Rücktritt aus persönlichen Gründen?

Katarina Witt las ich noch irgendwo; da bin ich allerdings der Ansicht, dass es nicht nur um das reine Rücktrittsalter geht, sondern auch um die Altersstruktur in der jeweiligen Sportart, was mich zögern lässt, EiskunstläuferInnen oder Turnerinnen zu berücksichtigen, die mit Anfang oder Mitte zwanzig zurücktraten.

Wer zweifellos fehlt, ist Eric Heiden, der mich in Lake Placid faszinierte. Alle fünf Einzelstrecken, sagenhaft! Und der danach an der Tour zeilnahm und den Giro beendete. Gilt eigentlich Carolina Klüft als Sportartwechslerin, die ihre grandiose Siebenkampfkarriere 2008 beendete? Ich neige zu einem Ja. Und weigere mich trotzdem, Gewichtsklassen wechselnde Boxer aufzunehmen.

Und beim Fußball? Hat Éric Cantona seine Karriere, wenn auch nicht auf dem absoluten Höhepunkt, so doch noch in der Blüte seiner Leistungsfähigkeit “einfach so” beendet? Meines Erachtens schon. Und wer hat sich sonst noch “vor der Zeit” verabschiedet? Bis vor wenigen Tagen war, wenn auch ohne die letzte Überzeugung, Arne Friedrich in der Verlosung. Und sonst?

Ich mach einfach mal ne Liste. Würde mich freuen, wenn sie anwüchse.

Magdalena Neuner, Biathlon, 25
Rosi Mittermaier, Ski Alpin, 25
Toni Sailer, Ski Alpin, 22
Petra Kronberger, Ski Alpin, 23
Eric Heiden, Eisschnelllauf, 21
[Carolina Klüft, Siebenkampf, 25]
Samppa Lajunen, Nordische Kombination, 24
Helena Ekholm, Biathlon, 27
Bobby Fischer, Schach, 29

Fußball:
Eric Cantona, 30
Tobias Rau, 27
Bodo Illgner, 34
Marco Bode, 32

Wahlaufruf

Ein gutes neues Jahr erstmal.

Irgendwie hatte ich es versäumt, mich hier anständig in die Weihnachtspause zu verabschieden. Falls sich also jemand hierher verirrt haben sollte, beispielsweise nach dem Pokalspaziergang gegen den HSV, kann ich es zwar nicht ändern und werde mich auch gewiss nicht dafür entschuldigen, mich nicht dazu geäußert zu haben. Aber es wäre wohl ein freundlicher Service meinerseits gewesen, hier wenn schon keine Weihnachtsgrüße, so doch einen Hinweis auf die bis über den Dreikönigstag angedachte Offlinephase zu hinterlassen, wie ich es drüben bei Twitter zumindest ansatzweise tat.

Wie auch immer: ich bin wieder hier und war nie wirklich weg und so. Anders als die großartige Frau Jekylla. Die ist zwar ebenfalls wieder hier, aber sie war zwischendurch durchaus wirklich weg. Mo-na-te-lang. Ursprünglich sollte es zwar für immer sein, oder so ähnlich, aber das hatte ja damals schon niemand ernst genommen. Mittlerweile ist sie seit einigen Wochen wieder da, vielleicht sogar daer als zuvor, und hat sich über Weihnachten kurzfristig bereit erklärt, die diesjährige Wahl zum Sportbloggerbeitrag des Jahres zu beherbergen.

Die Wahl war dereinst in Jürgen Kalwas damaliger American Arena, die heute in ganz anderem Licht erstrahlt, ins Leben gerufen worde, darbte dann ein Weilchen und wurde im Vorjahr unter dem Dach des Sportbloggernetzwerks in den Räumen von Trainer Baade wiederbelebt.

Nun finden sich also bei Frau Jekylla erneut 11 zum Teil grandiose Beiträge, die gelesen und in Form einer simplen Abstimmung gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Ich würde gerne in eine allgemeine Lobhudelei verfallen, laufe dann aber aufgrund des Umstands, dass auch einer meiner Texte auf die Shortlist gesetzt wurde (im Lauf des Jahres waren im Sportbloggernetzwerks kontinuierlich Beiträge in eine längere Liste aufgenommen worden, die eine kleine und hoch kompetente Jury aus den Reihen des Netzwerks “zwischen den Jahren” kürzte), Gefahr, des Eigenlobs verdächtig zu werden.

Die Auswahl ist natürlich wie immer eine sehr subjektive, und viele (mich auch) mag es irritieren, dass beispielsweise Fitzelkönig Catenaccio, der Rotebrauseblogger, die Textilvergeherinnen und-vergeher oder zahlreiche andere von der jeweiligen Leserin besonders geschätzte Blogs nicht vertreten sind. Gleichzeitig bin ich gleichermaßen begeistert von den ausgewählten Texten (also von den anderen zehn, klar) wie erfreut ob der Qualität und Vielzahl der im Lauf des Jahres nominierten Kandidaten (und die Liste war gewiss nicht einmal ansatzweise vollständig), dass ich die Auswahl letztlich als eine begreife, bei der es, je nach gewünschter Darstellung, keinen Falschen hätte treffen können oder eben immer die Falschen getroffen hätte.

Versteht keiner? Egal. Hier geht’s lang.

 

Weltelf

Der ORF hatte damals schon den Sportnachmittag. Sonntags, meist in FS2, wurde einfach durchgehend Sport gezeigt, was im deutschen Fernsehen – anders als heute – noch ziemlich undenkbar war. Die privaten Fernsehsender steckten bestenfalls in den Kinderschuhen, im Grunde noch nicht einmal das, ARD und ZDF waren der Vielfalt verpflichtet und konnten nicht den ganzen Sonntag mit Sportübertragungen füllen, aber man wohnte ja grenznah.

Im Winter lag der Fokus beim ORF natürlich auf dem alpinen Skisport, Harti Weirather war der erste Abfahrtsweltmeister, dessen Siegfahrt ich aktiv verfolgte, Annemarie Moser-Pröll fuhr nicht mehr, schwebte aber als Schatten über allen Damenrennen. Armin Kogler und Hubert Neuper bestimmten das Skisprunggeschehen mit, Neuper gewann zweimal die Tournee, und die Vögel konnten bereits erahnen, dass sie bald zu Fuß gehen würden. Die Biathlonbegeisterung hielt sich noch in Grenzen, Österreich hatte meines Wissens keinen Angerer, Kvalfoss oder Rötsch. Dafür sah man auch einmal Parallelslaloms der Profis – der olympische Gedanke trennte noch immer die guten von den bösen Skifahrern, ein Jahrzehnt nach der Causa Schranz – manchmal auch Skibobrennen, von denen ich nicht glaube, dass sie jemals im deutschen Fernsehen liefen, oder gar Eisstockschießen. Und wenn überhaupt nichts mehr ging, war da ja immer noch Fußball aus der Wiener Stadthalle.

Auch im Sommer gab es den Sportnachmittag. Gefühlt nicht ganz so häufig wie im Winter, oder zumindest nicht so lange am Stück. Oder es lag daran, dass ich sommers selbst häufig auf irgendwelchen Sportplätzen unterwegs war. Wenn nicht, sah ich im ORF Formel 1, nach Niki Laudas Rückkehr 1982. Ich verfolgte den Einzug der Tankstopps und Piquets Prügel für Salazar, erlebte später Laudas erneuten Titel und seine Duelle mit Alain Prost mit, beide im  McLaren-TAG-Porsche-Turbo, und stelle rückblickend fest, dass das wohl die einzige Phase meines Lebens war, in der ich mit einer gewissen Regelmäßigkeit Motorsportwettbewerbe verfolgte, nicht nur im ORF. Walter Röhrl beherrschte Monte Carlo, Toni Mang die 250er und 350er, und Boris Beckers Sieg gegen Kevin Curren erlebte ich gar als Zuschauer eines Motocross-Rennens – schlechtes Timing.

Doch zurück zu den Sportnachmittagen in FS2: manchmal gab es tatsächlich auch den mir persönlich wichtigsten Sport zu sehen, aus dem aus deutscher Fernsehsicht recht exotischen Fußballland England. Dort wurde damals, wer wüsste es nicht, der erfolgreichste Fußball gespielt, zwischen 1977 und 1984 konnte nur der HSV 83 die Dominanz der englischen Teams durchbrechen. Kevin Keegan hatte in Deutschland gespielt, Tony Woodcock auch, aber ansonsten kannte man den englischen Fußball in Deutschland, besser: bei uns in der Provinz, nur von der Nationalmannschaft, die sich allerdings bei den internationalen Turnieren ein wenig rar machte, und aus dem Europapokal. Genau wie den spanischen oder italienischen, übrigens, schließlich war die Bundesliga ja die beste der Welt, das Maß der Dinge, zudem waren wir uns im Klaren darüber, dass die Eurogoals noch ein paar Jahre auf sich warten lassen würden.

In Österreich indes war man interessierter und zeigte immer mal wieder Spiele aus der First Division, nicht live, aber doch in nennenswertem Umfang. Eines Sonntags, ich vermute zumindest, dass es ein Sonntag war, wurde eine Partie von Sheffield Wednesday übertragen. Ich hatte bereits ein oder zwei Jahre Englisch hinter mir und fand den Vereinsnamen unglaublich lustig. Der österreichische Reporter kam aus dem Schwärmen nicht heraus, und das Objekt seiner Begeisterung hieß Imre Varadi. Imre wer? Imre Varadi, englischer Spieler mit ungarischen Wurzeln (wobei ich noch heute der Überzeugung bin, dass ihn der österreichische Kommentator durchgängig als Ungarn bezeichnete), der sich später als Wandervogel einen Namen machen sollte, oder wie es die Wikipedianer formulieren:

“Varadi went on to become a nomadic journeyman, who rarely spent more than two years with any club and never made 100 league appearances in the colours of any team he played for.”

Wie auch immer: an diesem Tag beeindruckte Varadi nicht nur den Kommentator, sondern auch mich – anhand total aussagekräftiger Ausschnitte aus einem einzigen Ligaspiel – so sehr, dass er fortan eine ganze Weile einen festen Platz in meiner Weltelf hatte. War das damals nur bei uns en vogue, oder hattet Ihr auch Weltelfen?

Irgendwann war aus der Berichterstattung über das Benefizspiel einer “Weltelf”, die natürlich alles andere als eine nach rein sportlichen Kriterien (vermutlich eher nach Verfügbarkeit, aber an so etwas dachten wir damals nicht) zusammengestellte Weltauswahl gewesen war, bei uns allen der Drang entstanden, in regelmäßigen Abständen unsere Weltelfen aufzustellen. Und wenn ich “uns alle” sage, dann meine ich in erster Linie meine Mitschüler, von denen die meisten insofern ein wenig benachteiligt waren, als ihr Vater weder den Kicker abonniert hatte, der auch schon damals zumindest am Rande über die internationalen Ligen berichtete, noch gemeinsam mit dem Sohnemann jede Gelegenheit wahrnahm, irgendein Fußballspiel anzuschauen. So hatten sie also zum Beispiel noch nie von Imre Varadi gehört, einem meiner Trümpfe.

Ansonsten fanden sich in den Aufstellungen die üblichen Verdächtigen. Rummenigge, natürlich, Maradona sowieso. Weil Schuster auch dabei war, schaffte es Platini eher selten ins Team. Hellström wurde gerne mal nominiert, auch Scirea und Boniek, der eine oder andere Brasilianer, wobei auch da der Hang zur Distinktion ausgeprägter wurde: man nahm dann nicht die offensichtlichen Zico oder Falcão, sondern Junior (vollkommen zurecht) oder gar Eder.

Es versteht sich von selbst, dass der Auswahlprozess ein sehr komplexer war. Neben Lebenswerk, aktuellen Leistungen und natürlich auch Potenzial spielten mitunter in seltenen Fällen auch Sympathien eine Rolle – wie sonst hätte sich zum Beispiel Ronald Koeman phasenweise einen Platz in meinem Team erkämpft? Oder Paolo Rossi, Spielverschieber und Finaltorschütze, der 1982 hoch im Kurs stand? Später kam Scifo, den ich tatsächlich sehr mochte, dann die Lobanowsky-Schützlinge wie Kusnezow, Belanow, Sawarow und nicht zuletzt Michailitschenko. Die Tore schoss Varadi, klar, auch wenn ich nicht ausschließen kann, dass er bei objektiver Betrachtung gar nicht der Allerbeste auf seiner Position war.

Heutzutage erstelle ich keine Weltelfen mehr. Ich bin zu schlecht informiert, um mich abzuheben, das Scouting der anderen ist zu gut, das Fußballgeschehen zu transparent. Naja, eigentlich ist das kein Grund, schließlich dürften selbst bei vollkommener Information bei 10 Leuten 10 verschiedene Weltelfen herauskommen. Dann wird’s wohl am Alter liegen, und an den Prioritäten.

Kürzlich jedoch entspann sich, wie das im Urlaub halt manchmal so ist, eine kleine Diskussion über Fußball. Über einzelne Spieler. Konkret: über Spieler, die man nicht mag. Oder nicht mochte. Aus welchen Gründen auch immer, manchmal mag es nur an einer einzigen Szene gelegen haben, oder an einer generellen Fallsucht, vielleicht auch nur an einem dummen Interview oder an etwas, an das man sich nicht einmal mehr erinnert.

Wie auch immer: es entstand mal wieder eine ganz persönliche Weltelf. Generationenübergreifend, und doch nur eine Momentaufnahme – nächsten Monat sieht sie schon wieder anders aus. Zum Teil.

Weltelf, leistungsunabhängig, aber sympathiefrei:

Und Ihr so?

Sportblogger-Beitrag des Jahres 2010

Werte Leserinnen und Leser,

es gibt da eine Eule, die ich gerne nach Athen trüge.

Oder wie soll man es sonst bezeichnen, wenn der Herr Kamke meint, auch nur einen seiner Besucher auf eine Aktion hinweisen zu müssen, die bei Trainer Baade läuft?

Aber vielleicht hat ja der eine oder andere doch mal was beim Trainer überlesen, oder sie braucht noch einen weiteren Anstoß, sich in das Thema zu vertiefen. Und wenn ich “das Thema” sage, meine ich einige der möglicherweise besten Sportblogger-Beiträge des Jahres 2010, die drüben beim Trainer nach und nach vorgestellt werden und deren bester dann auch -nach öffentlicher Abstimmung – gekürt werden soll.

Es handelt sich um eine Aktion des Sportbloggernetzwerks, das eine schon etwas betagte Initiative des leider viel zu selten bloggenden, zumindest aber regelmäßig twitternden (und selbstverständlich anderweitig publizierenden) Jürgen Kalwa aufgegriffen hat und gerne eine Tradition daraus machen würde.

Das Netzwerk hat eine Auswahl gelungener Beiträge zusammengestellt, zur Gestaltung und Umsetzung des Ganzen haben sich der Trainer himself und der großartige Jens Peters von catenaccio.de bereit erklärt. Beste Voraussetzungen also, dass was Vernünftiges draus wird, denke ich.

Hier entlang, bitte.

Update:
Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass auch einer meiner Texte nominiert wurde.  Über ein Tor von Manfred Burgsmüller.