Gestern verdeutlichte der VfB Stuttgart recht eindrucksvoll, dass ungeachtet der Verbesserungen der letzten Jahre doch noch großer Verbesserungsbedarf besteht, vor allem in technischer und organisatorischer Hinsicht.
Ab 13:30 sollte die Möglichkeit bestehen, ein Formular zur Kartenbestellung für das letzte Saisonspiel in München herunterzuladen; alternativ waren die Formulare in “Stadion aktuell” abgedruckt. Die Abgabe sei persönlich im Fan-Center beim Stadion oder per Fax möglich.
Es kam, wie es kommen musste: zunächst stand das Formular erst mit ein paar Minuten Verspätung zur Verfügung – was eigentlich nicht allzu schlimm ist. Ärgerlich war es gleichwohl für all diejenigen, die sich entschlossen hatten, etwas später zum Stadion aufzubrechen, um zuvor noch schnell die Bestellung abzuwickeln. Weit mehr als nur ärgerlich war es spätestens dann, als man einsehen musste, dass der Verein darauf verzichtet hatte, angesichts des zu erwartenden Andrangs die Kapazität der Faxleitung (ich weigere mich, einen Plural einzusetzen) anzupassen.
So brach also mancher VfB-Anhänger bereits mit einem Anflug von Panik daheim auf, nachdem er eine halbe Stunde fluchend vor seinem Faxgerät (bzw. nicht selten dem eines Freundes, der so etwas besitzt) verbracht hatte, um schließlich nicht nur deutlich später als sonst beim Stadion anzukommen, sondern sich dort auch noch am Ende einer beeindruckenden Schlange wiederzufinden, die sich schubweise vorwärts bewegte. Schubweise deshalb, weil immer vier (?) Menschen eingelassen wurden, um an den zur Verfügung stehenden Schaltern ihre Bestellung abzugeben.
Abzugeben? Wenn’s nur das gewesen wäre! Tatsächlich muss es angesichts der Bewegungsgeschwindigkeit der Schlange zumeist doch eher so gewesen sein, dass der Besteller zwar das Formular aus der Stadionzeitschrift herausgelöst hatte; ein Stift hatte ihm aber in der Schlange nicht zur Verfügung gestanden. Folglich stand er oder sie nun am Schalter und konnte sich nur noch rudimentär an die Schreibweise des eigenen Namens, geschweige denn an die Mitglieds- bzw. Dauerkartennummer oder gar die Bankverbindung erinnern. Selbst bei der Post musste man in solchen Fällen schon vor Jahren zur Seite treten, damit der nächste Kunde Bittsteller nachrücken konnte. Beim VfB hingegen blieb der schubweise Einlass Programm.
Naja, vermutlich gehört sich das so. Es macht unseren Verein so sympathisch und ursprünglich, quasi als Antipode zu den Auswüchsen des modernen Fußballs. Bei manch einem wurden gar Erinnerungen daran wach, wie er sich 1989 in aller Herrgottsfrühe angestellt hatte, um Karten für das Uefa-Cup Finale gegen Maradonas SSC Neapel angestellt hatte. Ach, war das schön, damals…
Wie auch immer: ich hoffe doch sehr, dass sich das Ganze gelohnt hat: zunächst in der Form, dass wir tatsächlich Karten bekommen, und dann natürlich dahingehend, dass wir am letzten Spieltag in München mindestens die Qualifikation für den Uefa-Cup feiern können. Von mir aus können wir dann auch gerne mit den Bayern feiern, das sehe ich sehr nüchtern. Wobei ich nicht recht weiß, ob die die Uefa-Cup-Quali allzu sehr feiern würden… 😉
Das Fußballspiel: VfB-Hertha 2:0
Rein sportlich war indes deutlich weniger Luft nach oben. Obwohl:
Wenn Andrey Voronin in der Anfangsphase den Ball nicht knapp am langen Eck vorbei, sondern ins Tor gespitzelt hätte, und wenn Joe Simunic’ Kopfballbilanz so ausgefallen wäre, wie sie seit Wochen kolportiert wird, dann wäre nach dem Spiel vermutlich wieder die taktische Grundordnung, die große Disziplin, das hervorragende Abwehrverhalten und die gnadenlose Effektivität der Berliner gepriesen worden. Klappt es hingegen nicht, wird aus der taktischen Disziplin rasch Rasenschach, aus der effektiven Offensive, die auf den entscheidenden Ball auf Voronin wartet, wird ein einfallsloses Spiel nach vorne, das phasenweise – wenn kurzzeitig tatsächlich jeder Verteidiger glaubt, den spielentscheidenden Ball auf den Ukrainer spielen zu müssen (und zu können!) – an Kick and Rush erinnert, und aus der hochgelobten Defensive wird eben eine Abwehr, die die entscheidenden Zweikämpfe verliert.
Natürlich wird keine der beiden Sichtweisen den Berlinern gerecht. Sie haben keine wirklich gute Leistung gezeigt, trafen aber auch auf eine Stuttgarter Mannschaft, die einiges gutzumachen hatte und das von Beginn an umzusetzen gedachte. Dies äußerte sich in raschen, ansehnlichen Kombinationen – Grundlage dafür war aber die wichtigste Veränderung gegenüber dem Bremen-Spiel: in allen Mannschaftsteilen waren der Wille und die Einstellung spürbar, den Tabellenführer zu stürzen schlagen und zu zeigen, dass man sich vor dieser Hertha keineswegs zu verstecken braucht. Ganz besonders sei in der Abwehr auf den in der Presse zuletzt und hier seit langem immer wieder heftig kritisierten Ludovic Magnin verwiesen, der gestern nicht nur hinten seine Seite dicht machte, sondern sogar vorne ein paar Flanken schlug, die diesen Namen verdient hatten. Oder auf Boulahrouz, der seine Schwächen in der Spieleröffnung zwar erneut nicht verbergen konnte; defensiv war er aber eine Bank. Tasci bewies sich wiederum als Abwehrchef, und Christian Träsch stand zwar meines Erachtens bei zahlreichen langen Bällen ungeschickt zu Ball und Gegner, ging aber in punkto Kampfeslust und Kompromisslosigkeit einmal mehr voran.
Im Mittelfeld sah ich Timo Gebhart zwar bei weitem nicht so stark wie der euphorische Sportschau-Reporter – insbesondere seine zahlreichen Ballverluste bei Dribblings, die er im Habitus eines Cristiano-Ronaldo anzusetzen versuchte, ärgerten mich sehr; gerade bei einigen Kontern gegen Ende des Spiels zeigte er jedoch, dass er das Spiel versteht, indem er sich für den einfachen und dennoch überraschenden Ball entschied. Schade, dass kein Tor daraus wurde. Sami Khedira spielte gewohnt souverän und erzielte als defensiver Mittelfeldspieler seinen siebten Saisontreffer, Roberto Hilbert pflügte die Linie entlang und spielte gegen Ende ein paar hervorragende Bälle (die allerdings die nach wie vor zu hohe Fehlpassquote nicht kaschieren können), und Thomas Hitzlsperger machte mir eine besondere Freude: gerade, als hinter mir lautstark über die verheerenden Stuttgarter Standards gelästert wurde (zugegeben: grundsätzlich nicht zu unrecht), servierte er den Ball perfekt auf Khediras Kopf: 2-0.
Im Sturm lieferte sich Mario Gomez wunderbare körperbetonte Kopfballduelle mit Simunic, von denen er einige, zumindest aber das entscheidende vor dem 1-0 gewann, und Cacau zuzusehen, war eine Freude: ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Ciprian Marica jemals eine ähnliche Dynamik entwickelt. Julian Schieber fügte sich mit zwei guten Aktionen nahtlos ein und scheiterte mit einem fulminanten Schuss nach toller Vorarbeit von Hilbert lediglich am hervorragend reagierenden Drobny.
Bleibt die Frage, ob es angemessen ist, dass ich die Mannschaft so über den grünen Klee lobe, nachdem mir letzte Woche vorgeworfen wurde, ich hätte zu rasch den Stab über sie gebrochen. Ehrlich gesagt: ich weiß auch nicht recht, was ich denken soll. Vor ein paar Wochen war ich zwar guter Dinge, was die Leistungen bis zum Saisonende anbelangt, hielt aber einen Platz im internationalen Geschäft für unrealistisch: zu gefestigt schienen mir Wolfsburg, Bayern, der HSV, Hoffenheim und Leverkusen, und zu weit entfernt die Berliner. Mittlerweile hat Bayer möglicherweise bereits den Anschluss verloren, und bezüglich Hoffenheim bin ich guter Dinge, bereits beim nächsten Heimspiel im Neckarstadion “Die Nummer 1 im Land sind wir” rufen zu können. Hieße: Platz 5.
Zwar wollte ich eigentlich noch ein paar Sätze mehr schreiben, aber das ist so ein schöner Schluss – Platz 5.