Ich verstehe Sie nicht, Herr Jansen.

Dass Sie mit dem Kommentar von Herrn Gottlob zu Ihrer Leistung beim Spiel in Belgien nicht zufrieden waren, ist Ihr gutes Recht. Ob man sich als Spieler über so etwas aufregen sollte, kann man sicher kontrovers diskutieren. Ob man eine etwaige Verärgerung dann auch noch öffentlich kundtut, ist noch einmal eine andere Frage. Sie haben sich dafür entschieden, weil Sie der Meinung sind, Herrn Gottlobs Einschätzung Ihrer Leistung sei “fern ab der Realität” gewesen. Und weil Sie schon einmal dabei waren, haben Sie die Ausbildung der Fußballkommentatoren in Frage gestellt. Haben den Kommentatoren unterstellt, sie seien sich selbst vermarktende “Popstars”, die meinten, sie hätten “das Spiel erfunden”,  und ließen es im Gegensatz zu ausländischen Kommentatoren an Respekt (gegenüber den Spielern, vermute ich?) mangeln. Das ist starker Tobak. Aber, auch das, Ihr gutes Recht.

Ich muss ehrlich sagen, dass mir Ihre Leistung in Belgien nicht mehr sehr präsent ist. Über Ihre Auswechslung war ich nicht böse, aber das hatte zugegebenermaßen nicht zuletzt damit zu tun, dass ich Sie ungern als Verteidiger spielen sehe. Anderen geht es möglicherweise ähnlich, wenn ich einen Auszug aus dem Spielbericht bei fussballdaten.de richtig interpretiere:

“Für den in der Rückwärtsbewegung nicht immer präsenten Jansen setzte Löw Westermann auf den linken Verteidigerposten und stabilisierte diese Seite etwas besser.”

Diese Einschätzung mag natürlich Herrn Gottlobs von Ihnen kritisiertem TV-Kommentar geschuldet sein, an den ich mich ehrlich gesagt nicht mehr erinnere. Aber um Ihre auf dem Platz erbrachte Leistung soll es hier ja gar nicht gehen. Dass sowohl fussballdaten.de als auch der Kicker nur die Herren Özil und Podolski schwächer als Sie benotet haben: geschenkt. Wie die von Ihrem Vater bescheinigte “ordentliche erste Halbzeit” einzuordnen ist, vermag ich ohnehin nicht zu beurteilen.

Ihre Kritik an den Fußballkommentatoren teile ich häufig. Sie übersehen taktische Feinheiten, konzentrieren sich zu sehr auf Nebensächlichkeiten, sehen sich mitunter als Teil des Ereignisses statt als Berichterstatter und in Einzelfällen vielleicht auch als Popstars. Gerd Gottlob würde ich letzteres eher nicht unterstellen, aber das ist nur mein persönlicher Eindruck.

Als Zuschauer würde man sich wünschen, dass die Kommentatoren das Spiel ernster nehmen. Dass sie taktische Veränderungen analysieren, Optionen aufzeigen, Fehlentwicklungen erkennen. Nicht umsonst erfahren Angebote wie zonalmarking, Martin Blumenaus Taktikbesprechungen oder die Animationen der Taktiktafel regen Zuspruch, waren Jürgen Klopps Videoanalysen ein Meilenstein in der Fußballberichterstattung: ein -nach meiner Einschätzung- nicht geringer Teil der Fußballinteressierten möchte mehr über das Spiel erfahren, möchte es besser verstehen und die Überlegungen der Eingeweihten nachvollziehen können. Wenn ich ehrlich bin, möchte ich darüber hinaus auch noch, dass die Trainer und Spieler nicht nur mit Samthandschuhen angefasst, sondern -natürlich respektvoll- auf ihre Fehler angesprochen werden, ohne dass der Fragende vorab eine mehrminütige Entschuldigungsschleife (gerne genommen: “Ich muss das jetzt fragen”) dreht. Aber ich schweife ab. Der Zuschauer will ernst genommen werden. Er verdient Kommentatoren, die ihm das liefern, was auch Sie in Ihrem Text ansprechen:

Wichtige Informationen wie z.B. wie lässt der Trainer spielen, welche Aufgaben hat der einzelne Spieler, wie ist die taktische Ausrichtung usw.  […]”

Jetzt mal im Ernst, Herr Jansen: wenn wir uns all das, was da oben steht, mal gemeinsam ansehen und -nur für einen Moment- so tun, als läge ich mit den bisherigen Ausführungen nicht komplett falsch, dann frage ich Sie, wie Sie dazu kommen, den Namen Werner Hansch als Positivbeispiel ins Spiel zu bringen? Gleich zweimal. Einen Mann, der eine Abseitsstellung mitunter auch in der zweiten Zeitlupe nicht erkennt, von dem ich noch nie eine taktische Analyse gehört habe, die über “das Geschehen verlagert sich nun stärker in die Schalker Hälfte” hinausgeht?  Ja, er “vermittelt mit seiner Art ein Spiel zu kommentieren, dem Zuschauer positiv Emotionen und Spaß”, und bestimmt haben Sie auch recht, wenn Sie darauf hinweisen, dass wir den Torjubel eines südeuropäischen Kommentators “lustig” finden.

Lustig. Ganz genau. Ich finde so etwas lustig. Manchmal. Emotionen beim Fußball sind auch ganz schön, wie ich zugeben muss, wenn ich heute alte Kommentare von Ernst Huberty oder Rolf Kramer höre. Aber, lieber Herr Jansen, das reicht nicht. Ein unterhaltsamer Kommentator ist, wie soll ich sagen, nett. Und wessen kleine Schwester “nett” ist, wissen wir sicher beide.

Ganz ehrlich: wir nehmen das Spiel ernst. Wir wollen am Mikro keinen Clown, der uns bespaßt. Wir wollen Interesse am Spiel. Kompetenz. Das, was Sie Herrn Gottlob absprechen. Aber ich frage mich so langsam, was Sie wirklich wollen. Wer Werner Hansch sagt, meint nicht Kompetenz. Meint nicht Taktik. Meint nicht Analyse.

Irgendwie kommt mir der Verdacht, dass Sie vielleicht doch -entgegen anderslautender Äußerungen- “beleidigt oder etwas derartiges” sein könnten, weil Herr Gottlob Ihre Leistung kritisiert hat. Würde Ihnen mit Herrn Hansch vielleicht nicht passieren.

Update (10.09., 18:00):
Marcell Jansen hat sich noch einmal zum Thema geäußert.