Nihil nisi bene, quasi*

Als Horst Heldt vor gut vier Jahren bei Nacht und Nebel nur mal kurz Zigaretten holen ging, wäre Fredi Bobic nicht meine Wahl als Nachfolger gewesen. Die Gründe riss ich damals kurz an, um dann recht rasch zu den Überlegungen überzugehen, deretwegen ich dennoch ein gutes Gefühl hatte. Einiges davon bestätigte sich, anderes, wie das halt so ist, nicht so sehr. Seit einigen Tagen ist die Ära Bobic Geschichte.

Dirk Dufner sagte in diesen Tagen sinngemäß, dass selbst die größten Kritiker des VfB-Sportvorstands nicht in Zweifel ziehen würden, wie sehr dessen Herz am Verein hänge. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob diese Aussage so stimmt; zwischenzeitlich hatte mancher Beobachter sehr wohl den Eindruck, dass dem Sportvorstand das eigene Hemd, sprich: der Job, durchaus auch recht nahe sind. Auch ich. Dennoch stimme ich Dufner zu, dass der VfB Bobic eine Herzensangelegenheit gewesen sein dürfte und vermutlich auch weiterhin ist. So lässt sich nicht zuletzt Bobics jüngste Wortmeldung deuten.

Natürlich ist mir klar, dass die erste öffentliche Äußerung des Ex-Sportvorstands unter mancherlei Vorbehalten betrachtet werden muss. Arbeitsrechtliche Erwägungen sind ebenso ins Kalkül zu ziehen wie Überlegungen zur Imagepflege – Karriereplanung in Krisenzeiten, sozusagen. Ich gehe fest davon aus, dass sich Bobic ganz gehörig auf die Zunge beißen, vielleicht auch die Faust in der Tasche ballen musste, als er das Facebook-Statement freigab, und doch bin ich überzeugt, dass man ihn zwar des Weglassens bezichtigen kann, nicht aber der Unwahrheit: der VfB liegt ihm am Herzen.

So wie ich vor einem Jahr schrieb, dass ich Bruno Labbadia stets für den Klassenerhalt im Jahr 2011 dankbar sein würde, so gilt das analog auch für Fredi Bobic, der diesen Trainer damals installiert und damit gewiss keine Lösung aus dem Hut gezogen hatte, mit der er die Stuttgarter Seele streicheln würde. Und wer wäre ich, ihm für die nächste Trainerentscheidung böse zu sein, jene für Thomas Schneider, für die interne, nachwuchsorientierte, erhofft junge und wilde Lösung?

Im Gegenteil: Bobic erfüllte eine Sehnsucht zahlreicher Anhänger, und auch wenn man die Frage, ob die Befriedigung von Fansehnsüchten zum originären Aufgabenprofil eines Sportvorstands zählt, getrost verneinen kann, bin ich ihm dankbar für die Illusion, die er mir einige Wochen lang gönnte. Über Huub Stevens brauchen wir ohnehin nicht zu reden, und Armin Veh ist bekanntlich eine magische Lichtgestalt, sodass man mit einer gewissen Berechtigung zu dem Schluss kommen mag, dass Bobic bei der Bestellung der VfB-Trainer gar nicht so viel verkehrt gemacht haben kann.

But where did it all go wrong, könnte man fragen, and when, und würde beispielsweise im Fall von Bruno Labbadia spätestens bei der Vertragsverlängerung im Frühjahr 2013 recht eindrucksvoll fündig, von der drohenden Inauguration seines, also Bobics, Dreieckspartners aus Bulgarien ganz zu schweigen – hier greift dann wohl die Überschrift: nihil nisi bene, quasi.

Wenn aber Labbadias Verlängerung schon angesprochen wurde, lässt sich das Ziehen von Analogien zu Vedad Ibisevic dann doch nicht ganz verhindern, und schon sind wir bei der Transferpolitik. Es ist einfach, dem Manager Bobic eine Reihe von Fehlschlägen nachzuweisen. Gleichzeitig fällt es auch nicht schwer, ihm einige gute Griffe zu bescheinigen, sei es der bereits genannte Ibisevic, seien es Traoré, Maxim und Gruezo, sei es vielleicht auch der eine oder andere Zugang zur laufenden Saison.

Ja, keine Kracher im engeren Sinne, stimmt. Zu wenig Mut, vermutlich. Mit kleinen Transfers macht man auch nur kleine Fehler, könnte man meinen, meinte vielleicht auch er – die Stuttgarter Nachrichten listeten bei ihrer Auflistung der fünf größten Transferflops der Ära Bobic mit Sararer und Torun deren zwei auf, die ablösefrei zum VfB gekommen waren, dazu Haggui, für den eine halbe Million geflossen sei. Nach hemmungsloser Geldverbrennung sieht das eher nicht aus; Flops sind sie dennoch, und vielleicht ist ja gerade der Verzicht auf „Königstransfers“, die diesen Namen rechtfertigen, eines der Kernprobleme der letzten Jahre, ob die Schuld nun bei Bobic oder bei den Sparfüchsen in der Vereinsführung lag.

Ich weiß es zu schätzen, dass sich Bobic immer öffentlich gestellt hat (sein Auftreten und die gesandten Botschaften fallen dabei zum Teil unter den Überschriftsvorbehalt, gewiss), auch dann, wenn eigentlich seine Vorgesetzten gefragt gewesen wären, sich aber nicht so recht dazu durchringen konnten. Und seien wir ehrlich: wer hätte schon Herrn Mäuser oder Herrn Professor Hundt bei der Öffentlichkeitsarbeit zusehen wollen? Bei Herrn Wahler hält sich die Freude des Zuhörers bis dato auch eher in Grenzen, ungeachtet aller Champions-League-Fantasien, aber vielleicht wird das ja noch.

Bobic ist weg, auch wenn er niemals so ganz gehen mag, und das ist aus meiner Sicht auch gut so, spätestens seit der Causa Balakov. Viel besser ist indes der Umstand, dass Herr Mäuser nicht mehr da ist. Dass er nicht mehr in Amt und Würden sein darf (und mit ihm der Aufsichtsratsvorsitzende), ist nicht zuletzt das Verdienst von Fredi Bobic. Nicht alleine seines, gewiss, und zweifellos hat er auch selbst davon profitiert, aber wenn es nur einen Punkt in seiner Bilanz gäbe, für den ich Fredi Bobic uneingeschränkt dankbar sein dürfte, dann wäre es dieses Revirement.

Jetzt ist er selbst weg, und ich bin wieder dankbar. Nur nicht über den Ablauf. Aber das ist eine andere Geschichte, und sie lässt nichts Gutes vermuten.

* Nein, Fredi Bobic ist nicht gestorben. Ja, das mag manche(r) geschmacklos finden. Nein, ich empfinde das nicht so. Ja, es ist mir ein Anliegen, die positiven Aspekte zu betonen. Nein, ich finde die Entscheidung nicht falsch.