Nasal

Auch heute noch, 18 Jahre später, fällt es mir schwer, Malbranc zu sagen. Also so zu sagen, dass es sich mit etwas Wohlwollen auf Frank reimt. Vielmehr ist es – zärtere Gemüter sollten an dieser Stelle bitte mal weglesen – gerade meine Frankophilie, die mich stets zum Nasal trieb, zum Malbranc, der sich auf Franc reimt. Aber da war nichts zu wollen, er heißt halt anders.

Er zählt zu jenen Schiedsrichtern, an die sich alle Welt ein nennenswerter Teil meiner Filterblase in erster Linie wegen eines einzigen Spiels, einer einzigen Szene erinnert. Bei Herrn Dienst könnte man vermutlich doch von aller Welt sprechen, bei Herrn Dr. Brych dauert die Karriere noch an, da kommt vielleicht noch was. Bei Hans-Joachim Osmers oder Günther Habermann sieht die Sache ein bisschen anders aus. Falls sich jemand von außerhalb der Filterblase hierher verirrt haben sollte: Helmer. Möller.

Aber ich war bei Herrn Malbranc. Ja, ich habe beim Schreiben nasaliert, aber das hat keiner gehört. Es sei denn, es hätte sich jetzt auch seinen Weg in den Kopf der werten Mitlesenden gebahnt. Herr Malbranc, dessen Schiedsrichterkarriere wahrlich nicht schön endete und ein beredtes Zeugnis damaliger Zustände im DFB ablegt, hatte ein Foul der verteidigenden Mannschaft gepfiffen, als der Ball auf dem Weg ins Tor war. Dabei habe er aber “die Wahrnehmung gehabt, erst nach dem Tor gepfiffen zu haben” – und gab den Treffer. Es entspann sich eine unappetitliche Geschichte unter Beteiligung von Verbänden, Funktionären und eben Malbranc, an deren Ende der verbitterte Rücktritt des degradierten Schiedsrichters stand.

Kürzlich, als der genannte Herr Dr. Brych seine unselige Entscheidung zugunsten des Phantoms Stefan Kießling getroffen hatte, erinnerte man sich wieder einmal an Michael Malbranc. Dem Münchner Merkur gab er ein lesenswertes Interview, und vermutlich dauert es eine Weile, bis er das nächste Mal in den Medien erscheint. Der Schiedsrichtergilde wäre zu wünschen, dass es nicht so schnell der Fall sein wird.

Wieso ich gerade heute auf ihn zu sprechen komme? Nun, gestern empfingen die VfB-Amateure die Würzburger Kickers zum Drittligaspiel. Die Sonne schien und animierte den einen oder die andere, sich kurzerhand auf Degerlochs Höhen zu begeben, um den traditionell erfrischenden jungen Wilden zuzusehen, oder so ähnlich.

Der, nun ja, Ansturm machte der Kartenverkäuferin etwas zu schaffen – die KollegInnen hatten leider grade im Hintergrund noch etwas zu besprechen –, sodass ich wie manch anderer (“Jetzt verprellen sie auch noch die 50 Leute, die kommen!”) erst mit etwa zehnminütiger Verspätung auf die Tribüne gelangte, um mich nach regionaler Fußballprominenz umzusehen, deren Names ich an dieser Stelle nicht droppen möchte.

Nebenbei interessierte ich mich ein bisschen für das Spiel. Jürgen Kramny hatte sich dauerhaft in Positur begeben, um dem Schiedsrichterassistenten seine häufig abweichende Meinung zu vermitteln, und gelegentlich war auch auf dem Spielfeld etwas geboten. Leider hatten diese Momente wenig mit dem VfB im Allgemeinen und nichts mit den Anleihen aus dem erweiterten Bundesligakader im Besonderen zu tun.

Den Weg zu den nächsten Bundesligaspielen von Jerome Kiesewetter und Jan Kliment stelle ich mir derzeit eher steinig und steil vor, zudem ein bisschen rutschig sowie schlecht ausgeleuchtet, und auch Stephen Samas Debüt dürfte auf Basis der gestrigen Eindrücke nicht unmittelbar bevorstehen. Leider konnte mich auch Max Besuschkow, dessen Spiel ich sehr schätze, so gar nicht überzeugen, aber das nur am Rande.

Mitte der ersten Halbzeit erhielt Würzburg unweit der Seitenauslinie und nur wenige Meter von meinem Platz entfernt einen Freistoß zugesprochen. Jürgen Kramny machte sein Meckerding, der Schiedsrichter schickte den Schützen, möglicherweise war es der starke Rico Benatelli, noch etwas näher an die Seitenauslinie. Er lief an, traf den Ball, der Schiedsrichter gab ihn per Pfiff frei. Öhm.

Ja, zumindest habe ich “die Wahrnehmung gehabt, den Pfiff erst nach dem Schuss gehört zu haben”, und dachte noch bei mir, dass das ja auch nicht so ganz der reinen Lehre entspreche. Wie dem auch sei, der Ball flog in die Mitte, auf die Strafraumkante zu, und keiner schien dem verspäteten Pfiff irgendeine Bedeutung beizumessen.

Bis auf Thomas Hagn. Der fing den Ball. An der Sechzehnerlinie, wohl knapp innerhalb. Schiedsrichter Skorczyk gab Elfmeter, Hagn verstand die Welt nicht mehr, seine Mitspieler erst recht nicht, der FuPa-Ticker vermutete einen Stoß gegen Hagn, vielleicht hat er recht, Tobias Rathgeb wechselte die Schuhe und Marius Funk hielt. Das Ding war durch. Während ich an, genau, Michael Malbranc dachte. Und an die ausgebliebenen Folgen: