Nachhall

Ja, sie hallt nach. Ach, die WM? Ja, die auch, klar. Weil sich gezeigt hat, dass sich Anachronismen bei Männern und Frauen durchaus ähneln, und wir gespannt sein dürfen, wie (nicht nur) der Deutsche Fußball-Bund damit umgeht. Sie hallt auch nach, weil sich einige deutsche Spielerinnen auf der Tribüne zu sehr mit den Japanerinnen freuten, andere sagen: gegen die Amerikanerinnen. Ich fand’s auch nicht angemessen, muss das aber auch nicht weiter vertiefen. Nicht zuletzt deshalb, weil ich glaube, dass sie selbst diejenigen sind, die es zu gegebener Zeit ausbaden werden.

Vor allem aber hallt die Mitgliederversammlung des VfB nach. Gelegentlich wähle ich ja die Abkürzung MV; beim VfB erscheint mir diese Abkürzung indes ungeschickt, aber das ist ein anderes Thema. Sie hallt nach, die Versammlung, und das auch bei Leuten, die wie ich nicht einmal dort waren, die nur die Liveeindrücke per Twitter oder bei kick-s.de verfolgten, zudem die in einer leicht anderen Tonalität gehaltenen Informationen auf vfb.de sowie die ausführliche Begleitung im SWR und bei den Stuttgarter Zeitungen.

Ich bin ein wenig ratlos. In zweiter Linie. In erster Linie verständnislos. Was hat die Vereinsführung geritten, sehenden Auges die maximale Konfrontation in Kauf zu nehmen? Nicht am Tag der Versammlung, da lag das Kind längst im Brunnen. Sondern in den Monaten davor, in den Wochen davor, und ganz besonders in den 14 Tagen davor. Wieso gelang es ihr nicht, den Mitgliedern und Anhängern zu einem frühen Zeitpunkt zu vermitteln, dass ihre Sorgen Gehör finden, dass die Vereinsführung sie ernst nimmt? So sie es denn wollte. Wer hatte ihr eingeredet, dass es sich nur um ein Kleingruppenphänomen handle, das sich beizeiten auflösen werde, wenn man nur mit der nötigen Überheblichkeit herangehe? Und wie war sie kurz vor Toreschluss auf die Idee gekommen, das Pferd zu wechseln? Panikmache statt Aussitzen, gepaart mit ein wenig Diffamierung, auf Vereinskosten? Und wer um alles in der Welt war der Meinung, Jürgen Sundermann sei ein Ass im Ärmel? Wer hatte da etwas zu gewinnen? Weder der Aufsichtsrat und der Präsidentschaftskandidat, denen der Auftritt als Inszenierung verübelt werden musste, noch die Legende Sundermann, die sich von VfB-Mitgliedern Schmährufe anhören musste, noch der Verein, aus selbigem Grund.

Mal so ganz grundsätzlich gefragt: das sind doch lauter intelligente Leute, wie kommen die darauf, dass man so tun könne, als verändere sich unsere Gesellschaft nicht? Menschen wollen teilhaben und teilnehmen, sie wollen mitreden, und ja, sie wollen auch Verantwortung übernehmen. Das ist erst einmal positiv. Und das mindeste, was sie erwarten dürfen, ist, ernst genommen zu werden. Nicht von vornherein an der Tür abgewiesen zu werden. Und damit meine ich nicht nur die, die ihr Interesse bekundet hatten, den Verein künftig führen zu wollen, und deren Eindruck eines Closed Shops nach meinem Kenntnisstand von niemandem entkräftet wurde. Hat es überhaupt jemand versucht?

Vielmehr meine ich auch all diejenigen, die sich schlichtweg für mehr Transparenz ausgesprochen haben, unabhängig von einer mehr oder weniger organisierten Oppositionsbewegung. Leute, die verstehen wollen, was im Verein passiert, die einen regelmäßigeren Austausch anstreben, der vermutlich nicht ganz auf Augenhöhe erfolgen kann, der aber ernst gemeint ist und nicht kurzfristig dem Wahlkampf geschuldet. Mal im Ernst: niemand erwartet doch, zumindest glaube und hoffe ich das, dass die Herren Ruf oder Staudt, künftig Mäuser, Gehaltslisten diskutieren oder Sponsorenverträge erörtert, dass Fredi Bobic mögliche Neuzugänge mit ihnen scoutet oder dass Dieter Hundt seine Meinung zu Erwin Staudt preisgibt. Aber mit Äußerungen der Preisklasse “wir haben halt Pech gehabt und hoffen, mit dem nächsten Trainer mehr Glück zu haben” geben sie sich nicht zufrieden, ein wenig mehr darf’s schon sein. Zumal nach einem aus der Sicht vieler Anhänger vorprogrammierten Fehlschlag mit Jens Keller.

Nehmen wir den personellen Umbruch vor der neuen Saison. Nicht im Spielerkader, sondern drum herum. Ich persönlich habe zwar bei der einen oder anderen Veränderung geschluckt, bei der Degradierung von Eberhard Trautner, zum Beispiel, aber ich traue Fredi Bobic zu, dass er weiß, was er tut. Da werden Dinge verändert, neue Strukturen geschaffen, das Scouting intensiviert. Man kann den Eindruck gewinnen, es stecke ein Konzept dahinter. So etwas lässt sich erklären, den Fans nahe bringen. Oder die Konsequenz, die man bei Ciprian Marica an den Tag gelegt hat, die Entschlossenheit, Patrick Funk oder Daniel Didavi eben nicht zu verkaufen, sondern nur auszuleihen. Das klingt nach einem Plan, zumal nach einem, der vielen Anhängern gefallen dürfte, eben weil man so stolz ist auf die Jugendarbeit des VfB. Aber es ist nicht gelungen, diese Themen in den letzten Wochen und Monaten nachhaltig (Bingo!) in den Mittelpunkt zu rücken. Im Einzelfall mag das an einer Fundamentalopposition gelegen haben, zum Teil auch daran, dass die mediale Sexiness begrenzt ist. Aber ich hatte eben auch nicht den Eindruck, dass man in ausreichendem Maße bestrebt war, Konzepte zu diskutieren, meinetwegen zu verkaufen. Es schien mitunter wichtiger, die Opposition zu diskreditieren.

Möglicherweise war besagte Opposition wirklich nicht gut vorbereitet. Vielleicht hatte die Aktion VfB 2011 mit Helmut Roleder nicht das beste Zugpferd, möglicherweise vermittelte er in der Tat zu sehr den Eindruck, einen Job zu suchen, in den Stuttgarter Nachrichten wird er aktuell mit dem Satz “vielleicht kann ich in Zukunft einem anderen Verein helfen” zitiert. Björn Seemanns Kandidatur stand anfänglich unter keinem guten Stern, bei einzelnen Medien und letztlich wohl auch beim Aufsichtsrat hatte er keinen leichten Stand. Ich kann nicht ausschließen, dass Gerd Mäuser tatsächlich, wie von der alten Vereinsführung gebetsmühlenartig vorgetragen, der weitaus beste Kandidat war; das Herzblut nehme ich aber sowohl Björn Seemann als auch Helmut Roleder ab, und empfinde es als unanständig, ihnen den Versuch einer feindlichen Übernahme zu unterstellen. Sie sind dem Verein gewiss nicht feindlich gesinnt. Sie mögen einen Teil der handelnden Personen, besser: deren Arbeit, nicht schätzen, und wenn man will, kann man sie als Konkurrenten und letztlich, mit einer entsprechenden Fantasie, als deren Feinde ansehen. Hm, wenn dann natürlich diese handelnden Personen sich selbst als den Verein… dann könnte man… nein, da steckt gewiss ein Denkfehler drin.

Ein Begriff, der mir in den letzten Tagen vermehrt durch den Kopf geht, lautet Souveränität. Ich hätte Herrn Professor Hundt gewünscht, souverän mit seinem Abstimmungsergebnis umzugehen, und nicht trotzig. Der gesamten Vereinsführung hätte im Vorfeld mehr Souveränität im Umgang mit der Kritik und den Oppositionsgruppen gut getan. Eventuell hätte man die Diskussion dann noch in ruhigere Bahnen lenken und gemeinsam sinnvolle, mehrheitsfähige Satzungsänderungen anstoßen können. Dass auch die Gegner zum Teil alles andere als souverän waren, steht außer Frage – man möge mir nicht zuletzt nachsehen, dass ich auf dem Auspfeifen von Jürgen Sundermann herumreite. Souverän wäre es übrigens auch gewesen, hätte Helmut Roleder darauf verzichtet, in seinem Statement am Tag nach der Versammlung eine Spitze gegen Hansi Müller und dessen frühere, tendenziell unglückliche Tätigkeit für den Verein anzubringen, unabhängig von Müllers unsouveränem Auftritt tags zuvor, in dem er zahlreichen engagierten Mitgliedern Respektosigkeit unterstellte. Weit mehr als nur unsouverän war übrigens der Versuch eines Teilnehmers, die Mitgliederversammlung mit einer Creditreform-Auskunft über Herrn Roleder zu konfrontieren.

Wie souverän Erwin Staudt blieb, darüber scheiden sich ein wenig die Geister. Einigkeit herrscht hingegen nach meiner Wahrnehmung, dass sich Gerd Mäuser zwar nicht von Beginn an souverän zeigte, dass aber seine – auch selbst eingestandene – Nervosität und Unsicherheit eher zu seinen Gunsten auszulegen seien. Letztlich wurde er gewählt, viele Mitglieder zeigten sich erleichtert, und einzelne brachten auch ihre Beweggründe für ihre Entscheidung, nicht nur Gerd Mäuser zu wählen, sondern auch gegen die Abwahl von Dieter Hundt zu stimmen, sehr reflektiert zum Ausdruck – wenn ich “einzelne” sage, meine ich mindestens zwei: mit einem unterhielt ich mich sehr ausführlich, der andere, Bailey, äußerte sich schriftlich: “Tag der langen Messer“.

Ich verstehe ihn. Hätte vermutlich ähnlich gehandelt, da man wohl nicht davon ausgehen konnte, dass Herr Staudt aufgesprungen wäre und sich als Nachfolger angeboten hätte. Mit einem guten Tag Abstand bleibt der Eindruck, dass Gerd Mäuser möglicherweise kein schlechter Präsident ist, vielleicht auch ein guter, die ersten Duftmarken scheinen vernünftig. Im Übrigen kenne ich niemanden, der ihn vorab wegen seiner Qualifikation oder Persönlichkeit für einen schlechten Kandidaten hielt; vielmehr ging es um das Procedere, und gewiss auch um die kolportierte Nähe zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats. Der nun noch für drei weitere Jahre gewählt ist. Seine ersten Äußerungen nach der Mitgliederversammlung werden in allerlei Richtungen interpretiert. Die einen gehen davon aus, dass er den erhaltenen Denkzettel zum Anlass nimmt, sein Engagement zu überdenken; andere, zu denen ich nach wie vor neige, würden sich nicht wundern, wenn seine erste Bewertung ein Fingerzeig für künftige Bestrebungen wäre, die von Erwin Staudt ins Feld geführte “Entscheidungshoheit” der Mitglieder diesen in absehbarer Zeit doch “aus der Hand nehmen” zu wollen:

„Mit dem Ergebnis bin ich zufrieden. Aber der Verlauf der Mitgliederversammlung gibt Anlass, grundsätzlich Gedanken anzustellen.“

Das ist sehr frei interpretiert, ich weiß. Vielleicht sucht er ja statt dessen den direkten Draht zu den Mitgliedern, um künftig von vornherein die Schärfe aus derlei Diskussionen zu nehmen, vielleicht will er Satzungsänderungen anstoßen, den Anhängern mehr Gewicht verleihen, einen Fanvertreter oder eine Fanvertreterin in den Aufsichtsrat holen. Kann ich nicht ausschließen.

Im Übrigen, nur zur Klarstellung, ist es nicht mein Begehr, dass die Mitglieder an operativen Entscheidungen beteiligt werden. Trainerwechsel, Spielerkäufe, Sponsorenverträge – ich muss und will darauf vertrauen, dass die Leute, denen der Verein viel Geld dafür bezahlt, diese Aufgaben nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen, dass die Vereinsführung Leute beschäftigt, denen sie das nach objektiven Kriterien zutraut. Aber solange es sich um einen Verein handelt, sollen die Mitglieder darüber entscheiden, wer diesen Verein führt. Gerne nach einer wie auch immer gearteten Vorprüfung durch einen Wahlausschuss, der sich nicht einmal zwingend vom Aufsichtsrat unterscheiden muss.

Die Mitglieder sind sehr wohl in der Lage, zu beurteilen, wie objektiv dieses Gremium an seine Aufgabe herangeht, sie haben eine feine Antenne für Populismus und das Streben nach Machterhalt. Man sollte sie nicht unterschätzen.

Verbalbeurteilung 2011

Einmal mehr erzielte die Gruppe im zweiten Halbjahr deutlich bessere Ergebnisse als im Herbst. Das Gesamtniveau lag dabei weit unter dem des Vorjahres oder jenem aus der Periode 2008/2009. Die Leistungen des ersten Halbjahres dürften zum Teil auf eine mangelnde Vorbereitung in den Sommermonaten zurückzuführen sein, was jedoch angesichts der hohen Zielsetzungen unserer Einrichtung nur bedingt als Erklärung gelten darf. Dem neuen Lehrpersonal, das die Gruppe im Dezember nach einem mehrwöchigen Ausfall übernahm, gelang es gerade noch, die Abschlussprüfungen in einem größeren Kraftakt angemessen vorzubereiten.

Als gescheitert muss man den gruppendynamischen Versuch ständig wechselnder Plätze betrachten. Zwar gelang es, nahezu jedes Mitglied der Gruppe mindestens einmal rechts hinten zu platzieren; positive Einflüsse auf das Gruppenklima oder die Leistung waren indes nicht zu beobachten, vielmehr traten nennenswerte Koordinationsprobleme auf.

Sven hatte zunächst gewisse Schwierigkeiten, seine Position in der Gruppe zu finden, nachdem ihn das Lehrpersonal erst nach Intervention der Einrichtungsleitung in der Gruppe belassen hatte.*   Seine Leistungen waren zunächst selten kreativ und vorwärts gerichtet, zumindest aber ausreichend. Im Lauf des Jahres gewann er, dank nach kurzfristig verordneter Nachhilfe durch ein älteres Gruppenmitglied, an Sicherheit, Ansehen und Souveränität, um so teilweise wesentlich zum Erfolg von Gruppenarbeiten beizutragen. Nach wie vor fällt ihm der Umgang mit vermeintlichen Ungerechtigkeiten schwer.

* Aus anderen süddeutschen Einrichtungen ist bekannt, dass vergleichbare Konflikte zwischen Lehr- und Leitungspersonal dem Gesamtklima abträglich sein können.

Marc kam im Sommer neu zur Gruppe, kannte aber die Einrichtung bereits aus früheren Jahren und traf eine Reihe alter Freunde wieder, sodass die Integration unproblematisch verlief. Obwohl er ursprünglich nicht für Prüfungsleistungen vorgesehen war, forderte ihn das neue Lehrpersonal zwischenzeitlich zu stärkerer Beteiligung auf. Nach einem Sportunfall wurde dieser Plan wieder verworfen. Im neuen Jahr dürfte er noch stärker in die Hausaufgabenbetreuung einbezogen werden.

Cristian konnte nur selten an seine Leistungen aus dem Vorjahr anknüpfen. Die Trennung von seinem Freund Aliaksandr wog offenbar schwerer als zunächst angenommen. Er wirkte gedanklich nicht immer frisch, kommunizierte mit seinem neuen Nachbarn nur unzureichend und reagierte auf Kritik mitunter unwirsch. Ein Gespräch ist erwünscht.

Arthur trat häufig offensiver auf als in den Vorjahren, was der gesamten Gruppe gut tat. Leider hatte er erneut eine Reihe von Fehlzeiten zu verzeichnen, fand nach seiner Erkrankung jedoch recht rasch wieder den Anschluss an die Gruppe. Seit einigen Monaten zeigt er zuvor ungeahntes Interesse für die hiesige Kultur und deren Exponentinnen.

Matthieu hat ein schwieriges Jahr hinter sich, geprägt von zahlreichen Fehlzeiten, die nicht selten selbst verschuldet waren. Anders als in den Vorjahren wirkte er des Öfteren impulsiv und war seinen Freunden nur noch in geringerem Maß ein Vorbild. Wurde zuletzt von einigen Prüfungsleistungen befreit. Die Übernahme ins nächste Jahr erfolgt auf Probe.

Serdar hatte zu Beginn einige Schwierigkeiten zu bewältigen, die zum Teil mit seinen missglückten Sommerferien zusammen hingen. Erfreulicherweise hatte er jedoch deutlich weniger Fehlzeiten als in den Vorjahren und schaffte es, sowohl die vorübergehend aufscheinenden Motivationsdefizite zu überwinden als auch seine Leistungen zu stabilisieren. Speziell im Frühjahr war er zudem in der Lage, die verunsicherten Freunde zu beruhigen. Wenn er so weiter macht, kann er demnächst wieder an einrichtungsübergreifenden Wettbewerben teilnehmen.

Georg musste zunehmend Verantwortung übernehmen und wirkte dabei insbesondere im Herbst vielfach nachlässig, gelegentlich auch überfordert. Teilweise schienen wichtige Grundlagen zu fehlen. Seine Bemühungen blieben jedoch stets vorbildlich, auch dank dem einen oder anderen Erfolgserlebnis, das die Gruppe zu würdigen wusste. Seine technische Kompetenz, gepaart mit Zielstrebigkeit, trug im Zusammenhang mit einem grünen Mobilitätsprojekt wesentlich zum Erfolg bei.

Khalid wurde im Herbst nur in Ausnahmefällen zu Prüfungen zugelassen, erzielte dabei aber meist respektable Ergebnisse. Im Frühjahr zeigte er sich weniger wählerisch bei den ihm zugewiesenen Aufgaben und wusste sie in aller Regel zufriedenstellend zu bewältigen. Ein Umzug wäre insofern bedauerlich, als er auch mit schwierigen Situationen umzugehen weiß; eine Veränderung aus sozialen Gründen steht gleichwohl im Raum.

Stefano konnte den Erwartungen nur selten entsprechen. Dies war zum Teil krankheitsbedingten Fehlzeiten geschuldet. Insgesamt sind die Defizite jedoch zu groß, um sie in absehbarer Zeit aufzuholen. Insbesondere ist er nur bedingt in der Lage, die von ihm erwarteten vorbereitenden Tätigkeiten in der Gruppenarbeit zu übernehmen. Der Wechsel in eine kleinere Einrichtung wird empfohlen.

Patrick stieß im Sommer aus einer niedrigeren Klasse zur Gruppe. Sein großes Engagement überzeugte das Lehrpersonal, ihn an der einen oder anderen Prüfung teilnehmen zu lassen, was nicht immer entsprechend seiner Stärken erfolgte und dementsprechend nur mit wechselndem Erfolg gelang. Möglicherweise wäre ein langfristiger Nachhilfekurs in einem anderen Umfeld zielführend.

Ermin stieß im Herbst gewissermaßen auf Probe zur Gruppe und integrierte sich sehr gut. Neben zahlreichen Übungsstunden durfte er auch an einzelnen Prüfungen teilnehmen, was zunächst recht gut gelang. Eine Französischprüfung, noch dazu nicht in seinem Kernbereich, traf ihn jedoch unvorbereitet und hielt das Lehrpersonal zunächst von weiteren Versuchen ab. Seine weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

Philipp hatte bereits in seiner letzten Einrichtung enorme Fehlzeiten aufgewiesen, wurde aber zur Probe aufgenommen. Leider bestätigte sich die Befürchtung, dass er sowohl gesundheitlich als auch, soweit das beurteilt werden kann, vom Leistungsniveau her kaum in der Lage ist, mit der Gruppe mitzuhalten. Die Probezeit wurde beendet.

Christian zeigte sich erneut in allen Belangen vorbildlich. Sein Engagement war weit überdurchschnittlich, sein Pflichtgefühl beinahe zu ausgeprägt. Er übernehm stets Verantwortung für die Gruppe, half seinen Freunden, wo immer er konnte, worunter zwischenzeitlich seine eigenen Leistungen ein wenig zu leiden drohten. Rechtzeitig zu den Abschlussprüfungen erreichte er wieder sein altes Niveau und zeigte sich dabei kreativ und vermehrt technikbegeistert. Ein möglicher Umzug wäre sehr bedauerlich.

Zdravko war im Herbst nicht ganz auf der Höhe und wirkte speziell in der Phase, die mit Aushilfslehrpersonal überbrückt wurde, etwas unmotiviert. Im Frühjahr übernahm er indes in besonderem Maße Verantwortung, erzielte ausgezeichnete Ergebnisse und zeigte sich punktgenau vorbereitet. Seine stets herzliche Freude ist in engem Zusammenhang mit seiner positiven Entwicklung zu sehen. Der zwischenzeitlich im Raum stehende und von einzelnen Außenstehenden wortreich begründete Wegzug wäre bedauerlich.

Christian hatte ein über weite Strecken unglückliches Jahr. Anfänglich litten seine Leistungen darunter, dass er zu weit hinten platziert war, dann verstand er sich mit seinem Nachbarn nur unzureichend, kleinere gesundheitliche Probleme kamen hinzu, und folgerichtig konnte er nicht wie geplant Verantwortung für die Gruppe übernehmen, sondern wurde gar nur noch selektiv zu den Prüfungen zugelassen. Gleichwohl war er stets bemüht und trug entscheidend zur erfolgreichen Bewältigung des ihm bereits bekannten Mobilitätsprojekts wie auch einer späten Geometrieprüfung bei.

Mamadou stieß im Sommer relativ spät zur Gruppe und trat zunächst außerhalb der Übungsstunden kaum in Erscheinung. Im Herbst wurde er zu zwei Prüfungen zugelassen, in denen er ein gutes Grundverständnis zeigte, aber ein wenig nachlässig wirkte. Die Weihnachtsferien nutzte er, um einige Defizite aufzuholen, und schien auf gutem Weg, eine zentrale Rolle in der Gruppe einzunehmen, ehe ihn ein Sportunfall für den Rest des Jahres weit zurück warf.

Timo war über weite Strecken des Jahres eine sehr positive Erscheinung. Zwar hat er nach wie vor Konzentrationsmängel, lässt mitunter die nötige Zielorientierung vermissen und will gelegentlich mit dem Kopf durch die Wand; gleichzeitig aber verzagt er nie, ist um kreative Lösungen bemüht und animiert die Gruppe zu mehr Engagement. An zahlreichen Prüfungsleistungen nahm er trotz gesundheitlicher Beeinträchtigungen schwungvoll und erfolgreich teil und übernahm zudem in einer schwierigen Situation punktuell Verantwortung für die Gruppe. Dessen ungeachtet wird auch im kommenden Jahr eine weitere Steigerung erwartet, insbesondere bei den Punkten Konstanz, Überlegung und Standhaftigkeit.

Martin wechselte im vergangenen Sommer aus einer kleineren Einrichtung zu uns und verdiente sich sowohl mit seinen Ergebnissen als auch mit seinem Engagement als auch und vor allem mit seinen Vorarbeiten für die gesamte Gruppe rasch deren Anerkennung. Im Herbst durfte er zunächst häufig nur Teilaufgaben bearbeiten, um dann im Frühjahr fast alle Prüfungen in Gänze absolvieren zu müssen, was vereinzelt zu schwächeren Ergebnissen führte. Seine Technikaffinität ist ausbaufähig.

Mauro zog im Spätsommer aus Italien, wo er in einer hochwertigen Einrichtung gewesen war, nach Stuttgart. Er mühte sich redlich, sich an das neue Umfeld und die vorwiegend jüngeren Kameraden zu gewöhnen, was ihm aber nicht so recht gelingen wollte. Häufig war ihm das Tempo zu hoch, Flüchtigkeitsfehler kamen hinzu, und selbst sein technisches  Geschick konnte er nur bedingt einbringen. Er verabschiedete sich mit Anstand und kehrte zurück in seine Heimat.

Daniel gilt seit Jahren als sehr begabt. Dass er das Lehrpersonal nie ganz von seinen Qualitäten überzeugen konnte, mag daran liegen, dass er manchmal etwas schlampig ist. Zudem wirkt er gelegentlich langsam und immer etwas einseitig. Im Herbst konnte er bei einigen Prüfungen überzeugen, bei anderen nicht. Eine längere Erkrankung warf ihn etwas zurück, danach gelang es ihm nicht mehr, den Rückstand gänzlich aufzuholen bzw. dem Lehrpersonal seine Motivation zu vermitteln. Die Teilnahme an einem Austauschprogramm wird erwogen.

Johan kam im Spätsommer aus Frankreich, wo er an einer kleineren Einrichtung teilweise sehr gute Ergebnisse erzielte, aber auch aus gesundheitlichen Gründen viele Fehlzeiten zu verzeichnen hatte. Letzteres war dem Lehrpersonal und der Einrichtungsleitung nicht explizit gesagt worden. Auch in Cannstatt erbrachte er bei ersten Teilaufgaben sehr vielversprechende Ergebnisse, erkrankte in der Folge jedoch mehrfach und langwierig. Wird auf Probe in das neue Jahr übernommen.

Shinji kam im Februar nach dem Asienfinale von “Jugend trainiert für Olympia” nach Stuttgart und wurde sogleich ein vollständiges Mitglied der Gruppe, auch wenn er sich meist noch am Rand aufhielt. Seine Einzelergebnisse sind voll befriedigend, bei der Gruppenarbeit mit seinem Nachbarn tut er sich noch etwas schwer. Schloss die entscheidende Prüfung mit Bravour ab, sollte nun in den Sommerferien etwas zur Ruhe kommen.

Sebastian hatte sich im Sommer viel vorgenommen, konnte aber das Lehrpersonal nicht überzeugen, dass sich seine Leistungen verstetigen würden. Daraufhin wechselte er in eine stark bezuschusste benachbarte Einrichtung, wo er sich gut integrierte und in seiner neuen Gruppe eine zentrale Rolle einnahm.

Elson kehrte im Sommer etwas widerwillig von einem Austauschprogramm zurück. Dennoch lebte er sich rasch wieder ein und nahm früh an einigen europaweiten Prüfungen teil. Seine Ergebnisse blieben allerdings durchwachsen, sodass er in der Folge vornehmlich am Übungsbetrieb teilnehmen durfte. Die kurzfristige Hoffnung des neuen Lehrpersonals auf seine standardmäßige Kreativität konnte er nicht erfüllen.

Tamas stieß im Januar zur Gruppe, weil er in seiner bisherigen Einrichtung nicht mehr zu Prüfungen zugelassen wurde. Er zeigte sich von Beginn an sehr kreativ, zielorientiert und standardmäßig verantwortungsbewusst, sodass er rasch zu einem Fixpunkt in der Gruppe wurde, zu deren letztlich gerade noch ausreichenden Prüfungsergebnissen er entscheidend beitrug. Sein Engagement ist Beispiel gebend, sein Auftreten ebenso. Zum neuen Jahr wird sein Austauschprogramm beendet und er wechselt fest an unsere Einrichtung. Ob er seinen Leistungsvorsprung halten kann, wird abzuwarten sein.

Claudemir hatte es in diesem Jahr nicht leicht. Nach den Sommerferien war er mit einer leichten Unzufriedenheit zurückgekehrt, die sich mehr als einmal in unerwarteten, vielleicht auch unkontrollierten Ausbrüchen gegenüber seinen Freunden, aber auch gegenüber den eingeschalteten Mediatoren niederschlug. Seine Leistungen waren überschaubar, sodass er wiederholt nur zu Teilprüfungen zugelassen wurde, sein Gesundheitszustand schien verbesserungswürdig. Dennoch mühte er sich nach Kräften und es gelang ihm, sich hervorragend auf die Abschlussprüfungen vorzubereiten, die er dann mit Bravour absolvierte.

Ciprian konnte nur selten an die guten Leistungen des Vorjahres anknüpfen. Während er zunächst dennoch zu den Prüfungen zugelassen wurde, sah sich das neue Lehrpersonal veranlasst, erst seine Leistungen und dann seine Motivation in Frage zu stellen. Nachdem er sich lautstark über die ihm zugedachten Aufgaben beschwert hatte, wurde er von weiteren Prüfungen ausgeschlossen und drückt seit Februar die Türklinke von außen herunter. Ein Wechsel der Einrichtung wird empfohlen, ein Gespräch ist explizit nicht erwünscht.

Pavel begann das Jahr sehr motiviert und erzielte im Schnitt gute Ergebnisse, wenn auch mit starken Ausschlägen nach oben und unten. Sein Engagement war stets vorbildlich, genau wie seine Unterstützung für die Kameraden. Defizite sind bei der Kreativität und hinsichtlich seiner technischen Fertigkeiten zu beklagen; zudem handelt er nach wie vor zu häufig in der irrigen Annahme, den Abschluss mit links machen zu können. Die Übernahme ins neue Jahr erfolgt auf Probe, ein Wegzug ist nicht ausgeschlossen.

Sven stieß aus einer niedrigeren Klasse dazu und zeigte sich von Beginn an sehr engagiert, wenn auch häufig glücklos. Seinen Abschlussarbeiten mangelte es, mit einer für die gesamte Gruppe sehr hilfreichen Ausnahme, an Präzision, teilweise wirkte er unentschlossen. Er muss weiterhin hart daran arbeiten, die Defizite aus frühen Jahren aufzuholen. Hierfür scheint eine benachbarte Nachhilfeeinrichtung mit modernsten Übungsräumen geeignet.

Christian konnte nicht an seine überragenden Ergebnisse des Vorjahres anknüpfen. Er litt unter einem Wechsel des Leitungspersonals, das bei der Neuzusammensetzung der Gruppe kein glückliches Händchen gehabt hatte, und vielleicht auch ein wenig unter seiner Eitelkeit. Seine Vorschläge wurden von der Gruppe nicht mehr so gut angenommen wie zuvor, die Ergebnisse wurden schwächer. Einzelne Außenstehende und auch Kameraden unterstellten ihm Defizite bei der Prüfungsvorbereitung, die Alumni-Vereinigung und der Förderkreis versagten ihm ihre Unterstützung und überließen den frei werdenden Platz einem weniger kritischen Nachrücker. Bedauerlich.

Jens hatte einen denkbar schlechten Start in der Gruppe, als er einen ausgeschiedenen Kameraden lautstark kritisierte. Es gelang ihm trotz eines einzelnen herausragenden Ergebnisses nicht, die Gruppe von seiner Leistungsfähigkeit zu überzeugen, sodass die Leitung ihn nach wenigen Wochen zu seinem eigenen Besten aus der Gruppe nahm.

Bruno wurde im Dezember in einer für alle schwierigen Situation in die Gruppe aufgenommen. Aufgrund seiner wechselhaften Vergangenheit in anderen Einrichtungen war der Empfang zunächst reserviert, doch mit akribischer Arbeit und ersten guten Ergebnissen erarbeitete er sich rasch den Respekt der Gruppe. Er stellte die eigenen Ansprüche hinten an und half den Kameraden, die Abschlussprüfung ohne besonders elegante Lösungen, aber letztlich mit Erfolg zu absolvieren. Die Gelegenheit, im Rahmen eines längeren selbstverwalteten Projekts Optimierungen bei der Platzverteilung anzustoßen, hat er sich verdient. Speziell in den ersten Monaten wird er dabei, auf Basis vergleichbarer Projekte aus den Vorjahren, eng begleitet werden.

Fredi, der vor Jahren seine ersten Schritte an unserer Einrichtung gemacht hatte und im Sommer nach einer Reihe von Umzügen zurückkehrte, erhielt erst kurzfristig einen frei werdenden und nicht sonderlich gut ausgestatteten Platz. Der Stuhl wackelte von Beginn an, auf dem Tisch lag eine Reihe halbfertiger Arbeiten, deren Urheber aus sozialen Gründen Hals über Kopf verschwunden war. Dementsprechend war Fredi zunächst etwas desorientiert und tat sich schwer, sich an das im Vergleich zu seiner vorigen Einrichtung deutlich höhere Leistungsumfeld zu gewöhnen. Der Versuch, sich mit teuren Hilfsmitteln an das nötige Niveau heranzutasten, schlug fehl. Erfreulicherweise behielt er die Ruhe und zeigte sich lernfähig. Er gewann an Ansehen bei den Kameraden wie auch bei den Alumni und dem Förderkreis, denen er im Sinne der Gruppe auch einmal die Stirn bot. Im neuen Jahr liegt es an ihm, ob er längerfristig an unserer Einrichtung bleiben kann.

Erwin hatte, wie schon in den Vorjahren, nicht immer ein glückliches Händchen bei der Auswahl seiner Lehrmittel, und wurde dafür verschiedentlich kritisiert. Da sein Umgang mit Kritik ohnehin verbesserungswürdig ist, wurde sein Ansehen zusehends schlechter. Zudem wurde er von einem Größeren regelmäßig gemobbt, weshalb er zum Sommer die Einrichtung verlässt. Sein Weggang ist angesichts seiner über Jahre hinweg guten Ergebnisse in vielen Bereichen bedauerlich, scheint aber mit Blick auf die letzten Jahre geboten.

Dieter zeigte im vergangenen Jahr großes Interesse an operativen Abläufen unserer Einrichtung. Zwar ist dieses Interesse grundsätzlich zu begrüßen; der Versuch, Einfluss auf die Abläufe zu nehmen, erregte indes unser Missfallen. Sein Umgang mit allen Ebenen der Einrichtungsleitung ist verbesserungswürdig und scheint von wenig Respekt geprägt. Sowohl in puncto Sozialkompetenz als auch bei seinem Verständnis demokratischer Strukturen mussten wir deutliche Defizite feststellen, die kaum mehr aufzuholen sein dürften. Ein Gespräch ist notwendig.

Ca-Cau! Ca-Cau! Ca-Cau!

In den Fußballstadien der Republik, und zumindest teilweise auch weit darüber hinaus, fällt es gelegentlich nicht allzu schwer, ein aus den Fußgängerzonen der industrialisierten Welt, teilweise auch darüber hinaus, bekanntes Phänomen wiederzufinden: überschaubare Differenzierung.

So wie man allerorten H&M, Zara, Pimkie oder Foot Locker findet, so stößt man auch in viel zu vielen Stadien auf “You’ll never walk alone”, auf “Steht auf, wenn Ihr irgendwas seid” sowieso, und wenn doch mal jemand einen originellen neuen Gesang kreiert (gerne: aus der weiten Welt importiert), brauchen die Adaptionen nicht lange, um die Runde zu machen. Auch wenn ich mir mitunter etwas mehr Vielfalt wünschen würde, beklage ich das gar nicht so sehr. Hat ja auch einen Wiedererkennungswert. Und das eine oder andere Stadionding hab ich irgendwie lieb gewonnen, auch wenn es mir mitunter völlig unerklärlich ist. Die Sache mit den Aufstellungen zum Beispiel, so abgedroschen sie sein mag,  gehört für mich dazu. Das mit den Vor- und den Nachnamen meine ich. Meintewegen sogar in Einzelfällen um ein “Fußballgott” ergänzt.

Eine Herausforderung für den gemeinen Stadionsprecher stellen dabei Brasilianer dar. Oder andere Künstler, denen der Vorname abhanden gekommen ist. Oder auch der Nachname, oder beide, weiß man ja nicht immer so genau. Christian Pitschmann, der in Stuttgart die Vornamen rufen darf, hat sich in der Vergangenheit meist damit beholfen, im Stile eines Anheizers im Boxring die Rückennummer etwas in die Länge zu ziehen “(mit der Nummer Achtzeeeeeehn”) und dann darauf zu hoffen, dass die Menge mit “Cacau!” kontert. Am Samstag allerdings – nicht bei der Aufstellung, sondern später, nach Cacaus Toren – gingen die Gäule ein wenig mit ihm durch:

“Torschütze ist mit der Nummer 18 unser Ca!”

Und tatsächlich, da war es:

“Cau!”

Gleich noch einmal, weil’s so schön war:

“Ca!” – “Cau!”

Und nochmal:

“Ca!” – “Cau!”

Fühlt sich ja für mich ein wenig an wie “Hiphip!” – “Hurra!” oder “Zickezacke Zickezacke” – “Hoi! Hoi! Hoi!” (Und nein, ich will keine Hitlerjugenddebatte anzetteln). Aber egal.

Jener Ca-Cau also, den Herr Pitschmann zurecht bejubelte und bejubeln ließ, hatte zuvor, eher überraschend, ein großartiges Spiel gezeigt. Überraschend zum einen deshalb, weil weder die zurückliegenden Leistungen noch seine gesundheitlichen Probleme – weiche Leiste, Sie wissen schon – eine solche Steigerung erwarten ließen, zum anderen, weil gar keine Vertragsgespräche anstehen.

Wie auch immer: Ca-Cau zeigte sich von der ersten Minute an beweglich, engagiert, entschlossen und überhaupt nicht eigensinnig. Er erzielte das frühe Führungstor, war stets anspielbar, ging weite Wege, und belohnte sich am Ende auch noch mit dem 3:0. Schöne Geschichte, das. Wenn die Medien darauf verzichtet hätten, seine selbstlose Selbstaufopferung in den Fokus der Berichterstattung zu stellen, hätt’s zumindest mir noch mehr Spaß gemacht.

Großartig, diese erste halbe Stunde. Dass Hajnal und Kuzmanovic das Spiel verstanden haben und gelegentlich die Situation so schnell erfassen, dass sie das Spiel mit einem nicht einmal spektakulären Pass unglaublich schnell machen können, wusste man. Dass sie es in dieser Häufung auch umsetzen, war neu. Und plötzlich eröffnen sich Möglichkeiten. Durch die Mitte, wenn’s sein muss. Über Boulahrouz, auch wenn er für meine Begriffe mitunter zu früh flankte. Und vor allem über Molinaro, der zwar keinen Hleb, aber eben Kuzmanovic, Hajnal, Träsch und Ca-Cau gefunden hat. Wohingegen das Zusammenspiel mit Okazaki nach wie vor hinten und vorne nicht funktioniert. Wörtlich gesprochen.

Nicht zuletzt deshalb dürfte der Trainer am Samstag Boka gebracht haben. Was kein Fehler war. Ohne einen kausalen Zusammenhang herstellen zu wollen, fiel doch auf, dass der VfB nach einer guten Stunde das Heft wieder etwas fester in die Hand nahm. Alles andere wäre allerdings auch eher enttäuschend gewesen gegen einen HSV, dem man in keiner Phase anmerkte, dass es für ihn noch um die Uefa-Cup-Qualifikation ging. Vor dem Spiel hatte@tinneffs ausgerechnet und in seinem Blog dargestellt, dass für den HSV theoretisch noch alles drin sei: von Rang 3 bis Platz 15. Nun, an Rang 3 zeigten sie kein Interesse, und ob sie sich überhaupt nennenswert für Fußball interessierten, durfte man durchaus bezweifeln. Was vielleicht an der starken Anfangsphase des VfB lag, vielleicht aber auch auf jeden Fall so gekommen wäre.

Ähnlich offen bleibt die Antwort auf die Frage, ob Serdar Tasci alles so souverän und elegant im Griff hatte, weil der Hamburger Sturm nichts auf die Reihe brachte, oder ob der Hamburger Sturm nichts auf die Reihe brachte, weil Serdar Tasci alles so souverän und elegant im Griff hatte. Ich neige ja zu letzterem: sehr starker Auftritt von Tasci. Genau wie von Christian Träsch, der sein Minikrise vermittels doppelter Laufarbeit abgeschüttelt hat.

Genug der Lobeshymnen. Oder anders: angesichts der Leistung des HSV ist es bemerkenswert, dass dennoch auch noch eine Hymne auf Sven Ulreich gesungen werden muss, der wenig zu tun hatte, der aber in jener einen Situation, auf die es eben ankam, verhinderte, dass ein Spiel, das man deutlich gewinnen musste, plötzlich unentschieden stand. Völlig unnötig, eigentlich.

Zum Schluss muss ich noch etwas gestehen, das regelmäßige LeserInnen irritieren könnte: ich habe Gentner gefordert. Nun ja, vielleicht ist “gefordert” ein etwas zu starker Ausdruck. In einer halbwegs realistischen Darstellung war es etwa folgendermaßen: “Ca-Cau wirkt nicht mehr spritzig, der hat sich verausgabt. Labbadia sollte wechseln. Aber wen kann er bringen? Puh. Naja, dann halt Gentner, der sollte zumindest den Ball und damit die knappe Führung halten können.” Mein Wunsch war Herrn Labbadia (der ja gerne mal wegen seiner Einwechslungen kritisiert wird, auch von mir) Befehl, zumindest so halb. Gentner traf mit dem ersten Ballkontakt, mir war es fast peinlich, Cacau aber war noch immer auf dem Platz und sollte mich kurz darauf Fehleinschätzungen strafen. Was aber keinen interessierte, weil mein Nebenmann etwas stärker im Fokus stand, nachdem er Gentners Einwechslung lautstark und eindeutig kommentiert hatte:

“Nein. Nein. Nein! Nein! NEIN! NEIN!”

Immerhin besaß er die Größe, Gentners Treffer entspannt zu kommentieren:

“Ich sag doch immer, dass der Gentner spielen muss.”

3:0 gegen den HSV also. Fast wollte man glauben, das Thema Abstieg damit ad acta legen zu können.

Im gefühl des fast sicheren nichtabstiegs brennt das osterfeuer gleich viel freundlicher irgendwie.Sat Apr 23 20:06:16 via twicca

Wäre aber schade gewesen für all diejenigen, die sich an der Stuttgarter Zweitligakampagne zu erfreuen, sodass sie dank Kölner Schützenhilfe auch weiterhin “Niemals Zweite Liga!” skandieren dürfen, in der Hoffnung, dass es nicht doch noch nach hinten los gehe.

Gefällt mir eigentlich, das Szenario: gegen Hannover den Klassenerhalt sichern und dann ein paar Wechselgesänge anstimmen.

“Nieder!” – “Meier!”
“Haj! – “Nal!”
“Pitsch! – “Mann!

Bleibt zu hoffen, dass Funk oder Bah nicht zum Einsatz kommen.

Hörster! Okazaki! Bochum!

Als ich vorhin das Stadion verließ, kam mir Thomas Hörster in den Sinn. Sie erinnern sich? Im Mai 2003 gab er nach dem drittletzten Spieltag ein Fernsehinterview, in dem er als verantwortlicher Trainer von Bayer Leverkusen bekannte, die Hoffnung auf den Klassenerhalt aufgegeben zu haben. Später ruderte er ein wenig zurück und schrieb seine Aussagen der Frustration unter dem unmittelbaren Eindruck des Spiels zu. Entlassen wurde er trotzdem, mit Klaus Augenthaler schaffte man den Klassenerhalt.

Selten hatte ich so viel Verständnis für Thomas Hörster wie nach dem 0:1 des VfB gegen Freiburg. Ich hätte nicht gewusst, womit ich auch nur ein positives, hoffnungsfrohes Wort rechtfertigen sollte (ja, ja, ich weiß: Okazaki). In der ersten Hälfte wurde der VfB vorgeführt. Wenn man einmal von der Phase absieht, in der die Mannschaft den Eindruck erweckte, den Ball schnell und schwungvoll zirkulieren lassen zu wollen, um dann über außen das gegnerische Tor anzugreifen. Dürfte zwischen der dritten und fünften Minute gewesen sein.

Klingt zynisch? War gar nicht so gemeint, ehrlich. Ganz zu Beginn des Spiels redete ich mir tatsächlich ein, so etwas zu sehen, und vielleicht steckte auch ein Körnchen Realität darin. Das hatte sich dann aber rasch erledigt. Nun ließ Freiburg den Ball zirkulieren. Nur selten schnell, bloß gelegentlich schwungvoll, aber das war auch gar nicht nötig. Der VfB sah gerne zu. Beim “Eckle” (Fünf gegen zwei, vier gegen eins, wie auch immer) vor dem Training wird, zumindest in den Klassen, in denen ich früher dilettierte, nach 15 oder 20 Kontakten der außen Spielenden eine Extrarunde fällig. Spätestens nach der zweiten Runde werden die ersten wütenden Grätschen ausgepackt. Der VfB hatte gestern ungefähr von der 10. bis zur 45. Minute ein solches Innenraumabo, auf wütende Gegenwehr verzichtete er.

Die eigenen Bemühungen um einen vernünftigen Spielaufbau hatte Robin Dutt mit einem miesen Trick torpediert: Cissé war offensichtlich aufgetragen worden, sich ausschließlich in der Nähe von Tasci aufzuhalten, um sicher zu stellen, dass jeder Angriffsversuch, der nicht mit einem langen Ball eingeleitet wurde, über Georg Niedermeier laufen würde – jenem Georg Niedermeier, der bereits nach fünf Minuten völlig unbedrängt zwei einfache Diagonalpässe auf Patrick Funk ins Aus geschlagen hatte und dessen Verbleib auf dem Platz über die 30. Minute hinaus mir völlig unerklärlich ist.

Aber natürlich ist es zu kurz gesprungen, sich jetzt auf einen einzelnen Spieler einzuschießen. Und selbst wenn man Gentner, Marica, Kuzmanovic, vielleicht auch Funk und Molinaro hinzu nähme, wäre es immer noch zu kurz gesprungen. Die ganze Mannschaft trat nicht einmal ansatzweise so auf, als wisse sie, wie man gegen Freiburg besteht. Gegen irgendeinen Bundesligisten besteht. Vielleicht wollte sie der Vereinsführung zeigen, dass sie mit ihrer Zweitligakampagne richtig liegt. Selbsterfüllende Prophezeiungen und so.  “Ich habe keine Lust auf so einen Bochum-Slogan!” sagte mein Stadionnachbar, und gemeinsam mit ihm war ich froh, dass man bereits um 15 Uhr keine Gefahr mehr lief, einen Zweitligaschal umgehängt zu bekommen.

Die zweite Hälfte war besser. Aber gewiss nicht gut. Man hatte mehr vom Spiel, das sich meist in der Freiburger Hälfte abspielte. Und bekam von den Freiburgern zwei große Torchancen geschenkt, einmal von Flum, einmal von Baumann. Schipplock und Harnik vergaben kläglich. Dr. Drees hätte noch einen Elfmeter geben können. Das war’s.

Mein Hinweis, dass Christian Gentner kein Spieler für die Außenbahn sei, hat Bruno Labbadia nicht interessiert. Schade eigentlich, weil man in der zweiten Halbzeit durchaus sah, dass Freiburg über außen in Bedrängnis zu bringen ist. Mit Gebhart. Mit Harnik. Und mit Träsch. Mein zweiter Nebenmann vertrat die These, und ich neige mehr und mehr dazu, ihm zuzustimmen, dass Träsch der einzige ist, der einen Rechtsverteidiger mit Zug nach vorne geben kann. Patrick Funk wirkt defensiv verlässlich, aber das Spiel nach vorne kann er (noch?) nicht ankurbeln.

Bliebe allerdings die Frage, wer anstelle von Träsch – von dem auch ich angesichts der letzten Spiele geglaubt hatte, dass er bis auf Weiteres gemeinsam mit Kuzmanovic die Zentrale bilden würde, und eine gute noch dazu – innen spielen kann. Gentner und Kuzmanovic haben es zur Genüge und zu unser aller Unzufriedenheit gemeinsam versucht. Bah, den Labbadia aufgrund seiner starken Vorbereitung wohl auf dieser Position sah, ist verletzt. Funk hat es bei den Amateuren lange und auch gut gespielt. Seine ersten Auftritte zu Saisonbeginn im Europapokal sprachen allerdings nur bedingt dafür, ihn dort auflaufen zu lassen. Dennoch traue ich es ihm zu. Und beneide Gladbach ein wenig um die neue Option Michael Fink.

Gladbach, am Samstag. Und das noch ohne Okazaki! Oh je. Aber ich bin mir sicher, Fredi Bobic hat nun auch erkannt, dass die Qualität des vorhandenen Kaders möglicherweise doch nicht ganz ausreicht. Vermutlich sitzt er seit 17.30 Uhr am Telefon, sondiert in aller Ruhe den Markt und präsentiert vor Ablauf der Transferperiode, wenn die Preise einmal mehr ins Bodenlose sinken, zwei namhafte, erfahrene und entwicklungsfähige Neuzugänge, die der Mannschaft sofort helfen.

Ach, fast vergessen: falls man in München tatsächlich der Meinung sein sollte, Mark van Bommel sei in erster Linie wegen des durch seinen Weggang entstehenden Vakuums Defizits in Sachen Arschlochmentalität ein Verlust, würde ich den Verantwortlichen guten Gewissens Johannes Flum ans Herz legen.

Seht Ihr?

Nicht dass es ungewöhnlich wäre. Sowas beobachten wir vermutlich alle gelegentlich bei Fußball-Zuschauern, nicht zuletzt bei uns selbst, nicht wahr? Und doch ließ es mich ein wenig sprachlos zurück, als der ältere Herr, der nicht nur, aber auch, und ganz gewiss nicht zuletzt, Pavel Pogrebnyak das ganze Spiel über mal mehr, mal weniger übel beschimpft hatte, sich nach dessen Siegtreffer (Update: muss wohl doch ein gefühlter Sieg gewesen sein, wenn ich das so schrieb) mit einem triumphierenden “Seht Ihr?!” an die Runde wandte.

Ich schwieg, genau wie alle anderen, und fühlte mich doch stillschweigend bestätigt in meinem Glauben an den ehemaligen Linksfuß, den der eine oder andere wohl eher ausgewechselt hätte als den engagierten Sven Schipplock, ob dessen Leistung sich die Stuttgarter Zeitung ein wenig überschlug:

“Erstmals stand der 22-jährige Angreifer in der Startformation – niemand hätte sich gewundert, wären seine Knie weich geworden. Furchtlos und kampfstark trat er stattdessen auf und eilte seinem Gegenspieler Neven Subotic mehrmals davon.”

Nun, obschon ich vor Schipplocks Entwicklung der letzten Monate und über weite Strecken vor seiner Leistung vom Samstag den Hut ziehe, habe ich eben diesen Punkt völlig anders gesehen. Mehrfach versuchte er speziell in der ersten Hälfte, dribbelnd oder sich den Ball vorlegend an Subotic und/oder Hummels vorbei zu kommen, ohne jedoch – so zumindest mein Eindruck – selbst daran zu glauben. Gibt es den Begriff des Alibidribblings? Dessen ungeachtet spielte er in der ersten Hälfte einen wunderbaren Pass auf Molinaro, den ich ihm so nicht zugetraut hätte, und zu seinen beiden Großchancen kam er sicherlich auch nicht durch bloßes Herumstehen. Will sagen: das war ok, der Kopfball muss aufs Tor kommen, eine Halbzeit hätte, nicht zuletzt nach der dummen gelben Karte, gereicht.

Wenn wir schon von dummen Aktionen sprechen: was war denn das vor dem 1:0, Patrick Funk? Da fangen Sie einen schlechten Pass von Marcel Schmelzer ab, und anstatt über den zurecht erzürnten Christian Gentner den Gegenangriff auf den Weg zu bringen, spielen Sie den Ball unkontrolliert zu Mats Hummels, der dankend das Tor einleitet. Und was für ein Tor! Ich warte sehnsüchtig auf den Tag, an dem so ein Treffer in Deutschland zum Tor des Monats gewählt werden kann. In die Auswahl kommt. In die Auswahl zum Tor der Woche kommt. Egal. Großartig. Hummels. Sahin. Großkreutz. Götze.

Ich kritisiere Patrick Funk übrigens nur deshalb für einen Fehler, der sonst kaum bis gar nicht thematisiert wurde (naja, bei der Analyse mit dem Trainerstab wohl schon, hoffe ich), weil ich viel von ihm erwarte – wenn er die 20+ Spiele absolvieren will, die ich vor der Saison für ihn vorsah, muss er sich ranhalten. Aber wenn er so weiter macht, wüsste ich nicht, wer ihm den Platz streitig machen sollte.

Genug der Einzelkritik. Fast. Sven Ulreich war gut. Sehr gut. Muss man ja mal sagen dürfen. Überhaupt hat mir der Auftritt der gesamten Mannschaft über weite Strecken gut gefallen. Dass man beim kommenden Meister (dürfte nach dem samstäglichen Ergebnis feststehen) phasenweise ziemlich unter Druck geraten kann und gelegentlich das Glück bemühen muss, dürfte niemanden überrascht haben; den Punkt hat sich der VfB dennoch redlich verdient, so dass mein Wunsch von letzter Woche nur so halb in Erfüllung ging:

Ich hoffe ja auf ein völlig unverdientes 1:1.*”

Egal. Punkt ist Punkt. Die anderen punkten zwar auch, und insbesondere Köln könnte ein wenig Anlass zur Sorge geben, wenn es nicht Köln wäre; aber die Zuversicht wächst weiter. Und gegen Freiburg nähme ich auch einen verdienten Sieg.

Im Übrigen interessiert auch hier niemanden, was Winfried Schäfer von sich gibt.

* Ziemlich grenzwertige Aussage, übrigens, für jemanden, der auf dem Standpunkt steht, dass es im Fußball keine B-Note gibt. Für den “die bessere Mannschaft hat verloren” mit das unsinnigste ist, was man über ein Fußballspiel sagen kann. Oder?