Mein linker Fuß

Ein gutes Jahr ist es her, dass sich Trainer Baade als Two-Trick-Pony offenbarte. Und dabei so tat – man darf getrost von hemmungslosem Humblebragging sprechen –, als sei das etwas Schlechtes. Ich meine: zwei Tricks, zwei gut funktionierende noch dazu, wo wir doch alle wissen, dass selbst Arjen Robben nur einen kann und vielen als Inbegriff des One-Trick-Ponys gilt – das ist doch was, da braucht sich der geschätzte Herr Baade gewiss nicht zu verstecken, im Gegenteil!

Seine Selbstkasteiung erfolgte in Form eines jener Texte, bei denen man als Bloggende(r) hofft (zumindest ginge es mir so), die eine oder der andere Mitlesende möge sich bemüßigt fühlen, seiner- oder ihrerseits die eigenen Stärken, Schwächen, Unzulänglichkeiten, Vorlieben oder eben Tricks offenzulegen. Was möglicherweise auch geschehen wäre, zumindest in den Kommentaren, hätte nicht der erste Kommentator auf wenig subtile Art und Weise dazu beigetragen, die dortige Diskussion in einen schnöden Austausch von Rekordergebnissen abgleiten zu lassen.

Alternativ zum Austausch in den Kommentaren gelingt es mitunter auch, andere Bloggende dazu animieren, besagte eigenen Stärken, Schwächen, Unzulänglichkeiten, Vorlieben oder eben Tricks nicht nur in den Kommentaren, sondern gar in einem ausgewachsenen Blogtext offenzulegen. So sie denn etwas beizutragen haben.

Und so stelle ich mir, stets bestrebt, auch mal wieder was in mein Blog zu schreiben, seit jenem 7. Februar 2014 eben diese Frage: Kann ich etwas beitragen? Beherrsche ich wenigstens einen Trick? Nun, die verstrichene Zeit führt die geneigte Leserin auf die richtige Spur: es bestehen Zweifel.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch – gewiss kann ich einen Ball halbwegs geradeaus spielen, verstehe ein bisschen was von Verteidigungs- und Angriffsstrategien, treffe auch gelegentlich das Tor oder stelle mich nicht ganz ungeschickt in den einen oder anderen Ball-, vielleicht auch Laufweg der Gegenseite, aber ein Trick? Beziehungsweise ein spezieller, meine Spielweise mehr oder weniger definierender, wie soll ich sagen, Move?

Ich weiß nicht recht. Oder wusste nicht recht, fast 15 Monate lang. Mittlerweile habe ich eine Ahnung, die ich gerne mit Trainer Baade teilen will, seinen Blogbeitrag wie in den guten alten Tagen aufgreifend, etwas verspätet zwar, aber wir haben ja Zeit. Und natürlich teile ich sie auch gern mit jenen treuen oder zufälligen Leserinnen und Lesern, die ebenfalls bis hierher dabeigeblieben sind.

Die Bühne betritt: mein linker Fuß.

Klingt nicht so recht nach einem Trick, nicht wahr? Wenn man mal von dem Trick absieht, Menschen, die sich für Christy Brown und sein Werk interessieren, mit Hilfe einer fragwürdigen Überschrift hierher gelockt und implizit einen noch viel fragwürdigeren Vergleich insinuiert zu haben. Was, aber das kann hinterher jeder sagen, gar nicht in meiner Absicht lag. Die Überschrift, im Sinne eines Arbeitstitels, stand schneller da, als ich Christy Brown hätte sagen können, geschweige denn Daniel Day-Lewis. Und ich mochte sie, und sie blieb. So einfach.

Und so unspektakulär. Passend zu meinem linken Fuß. Er hat nichts Trickhaftes, weckt keine Erinnerungen an Uwe Bein oder, auch eine Art, na ja, Trick, Günter Delzepich, sondern ist schlichtweg ein gewöhnlicher linker Fuß. Der linke Fuß eines Rechtsfüßers, um genau zu sein. Dieser Rechtsfüßer ist durchaus in der Lage, wurde ja jahrelang im Training geübt, den Ball unter Laborbedingungen mit dem linken Fuß zu führen, auch pendelnd, wenn’s sein muss, und kann einfache Zuspiele in aller Regel mit links verarbeiten.

Aber er käme nie in die Versuchung, sich in einem “Tempo”-Dribbling auf besagten Linken zu verlassen, ihm die Führung anzuvertrauen, mal kurz mit der linken Sohle über den Ball zu wischen oder sich mit einer von Zidane abgeschauten links initiierten Roulette einer engen Situation zu entwinden. Nicht dass er all das mit rechts drauf hätte, schon gar nicht verlässlich reproduzierbar, aber da würde er es zumindest hin und wieder versuchen. Vielleicht.

Mit rechts ist er in aller Regel auch in der Lage, den Ball eine Weile hochzuhalten. Oder auch mit beiden Füßen, abwechselnd, wenn’s sein muss. Aber nur mit links? Keine fünf Kontakte. Oder, um der Wahrheit die Ehre zu geben: es scheiterte bereits am hochnehmen. Sie kennen das: Sohle auf den Ball, kurz zurückziehen, mit dem Spann anheben, jonglieren (so nennt man das bei uns). Konservativen Schätzungen zufolge habe ich das in den letzten knapp 40 Jahren etwa fünfzigtausend Mal getan. Davon progressiv geschätzte zehnmal mit links. Ohne erinnerungswürdigen Erfolg.

Oder nehmen wir die Ballannahme aus der Luft. So richtig aus der Luft, wenn Sie wissen, was ich meine: ein hoher Ball, der nahezu senkrecht herunterfällt und den man dann sehr elegant (wir denken an dieser Stelle kurz an Funny van Dannens Eurythmieschuhe) wie einen Flummi Stein auf dem Spann abfedert. Oder wie ein Mobiltelefon:

Mit rechts, wohlgemerkt. Mit links? Unvorstellbar. Ok, mit den Telefonen könnte es noch halbwegs klappen, da geht’s ja nur darum, den schlimmsten Schaden abzuwenden. Aber ein Fußball? Könnse vergessen, das sieht dann aus wie bei Jürgen Klinsmann.

Um es abzukürzen: mein linker Fuß ist fußballspezifisch kein feinmotorisches Werkzeug. Ich würde nicht so weit gehen, meinen ehemaligen Trainer kontextbefreit zitierend, mir ein Bügeleisen im Schuh zu attestieren, aber er ist definitiv kein Trickserfuß. Keine Hacke. Spitze schon eher. Kein eins-zwei-drei.

Woraus sich nahezu zwingend ergibt, dass ich den Ball in aller Regel am rechten Fuß habe. Mit rechts annehme, mit rechts, erhobenem Kopf und großer Geste raumgreifend durchs Mittelfeld trabe, mit rechts ins Dribbling gehe. Das Dribbling ist ja nicht so meins. Also nicht im Sinne von Übersteigern, verwirrenden choreographierten Tricks (ah, Tricks, da sind sie wieder!) und ständigen Fußwechseln. Eine Körpertäuschung, vielleicht ein kurzes Innehalten, eine kurze Ballberührung, ein Beschleunigungsversuch.

Ist ja nichts Schlechtes. Keep it simple. Allerdings, und hier wird es vielleicht ein bisschen too simple, liegt der Ball, Sie erinnern sich, stets an meinem rechten Fuß, oft an dessen Innenseite, und so ziehe ich, wenn alles gutgeht, nach links am Gegenspieler vorbei, verschaffe mir ein bisschen Vorsprung und Raum, eine Schusschance eröffnet sich, Raum für eine Flanke, der Korridor für ein kurzes Zuspiel oder einen langen Pass.

Der Gegenspieler erkennt das auch, vielleicht, hat kurz ein schlechtes Gewissen gegenüber seiner Mannschaft, weil er sich so billig ausmanövrieren ließ, um dann relativ rasch zu erkennen, dass das ja alles halb so schlimm ist: Feinmotorik. Bügeleisen. Sie ahnen es, haben es vielleicht bildlich vor Augen: mein linker Fuß. And I … am not left-footedEither.

Und dann: Bämm! Torschuss mit links. Flanke mit links. Stanglpass mit links. Das geht. Ziemlich gut sogar. Der letzte Kontakt ist ein linker. Oder anders: One-Touch-Football mit links – mein Ponytrick. Nimm dies, Trainer Baade!

Ernsthaft: ich vermute, dass meine Tor- und Vorlagenquote mit links der mit rechts über die Jahre hinweg nur unwesentlich nachsteht. Wenn überhaupt. Auf überschaubarem Niveau, gewiss, aber doch bemerkenswerterweise. In den letzten Wochen, als ich, um die oben erwähnte Ahnung meines “Tricks” zu verifizieren, mit Hilfe einer sehr geringen Stichprobe, etwas genauer darauf achtete, gelangen mir zumindest mehr Tore und Vorlagen mit links als mit rechts. Ohne dass ich mich darum bemüht hätte.

(Wir sprechen von Kleinfeldfußball, mit freakigen Ergebnissen, da trifft jeder ab und zu mal. Nur um das klarzustellen.)

Und jetzt geh ich dem Trainer Baade nochmal ganz großspurig Humblebragging unterstellen.

 

 

 

Eine Art Lesereise

War ja fast so’n bisschen kryptisch, was ich da vergangene Woche über mein verlängertes Wochenende geschrieben hatte, über eine auswärtige Begegnung mit Löwenfans, ein beinahe komplett verpasstes VfB-Aufbruchstimmungsspiel und ein paar Stuttgarter Abschiedstränen. Man hätte auf den Gedanken kommen können, ich eierte herum oder hätte gar etwas zu verbergen.

Eben diesen Gedanken scheint auch ein gelegentlich als zweitklassig verunglimpfter und gerne mal die Hardboiled-Karte ziehender Schnüffler gehabt zu haben, der in der Folge nicht nur der Sache auf den Grund ging, sondern ganz nebenbei besagte Verunglimpfungen als haltlos enttarnte. Vielmehr offenbarte seine erstklassige Recherche den Grund meiner Zurückhaltung: ich war auf Lesereise gewesen.

Eigentlich hatte ich das Thema totschweigen wollen, zu unbefriedigend war die Erfahrung gewesen. Aber man weiß ja, wie das ist, wenn die Spürhunde erst einmal Witterung aufgenommen haben – zumal dieser Dembowski wenig Zweifel daran lässt, dass er die ganze bittere Wahrheit nach und nach ans Tageslicht zu zerren gedenkt.

Das kann ich nicht zulassen. Zumindest nicht unkommentiert. Deshalb hier und in aller Offenheit: ja, ich war in Landau, Blaubeuren und Luckenwalde. Dass die Erfahrungen eher so mittelprächtig waren: geschenkt. Man zahlt halt Lehrgeld. Geht auch den Besten so, fragen Sie doch mal den Baade. Der war auch nicht immer die Rampensau, die er heute ist. Ok, natürlich war es ein Fehler, in Landau in einem vermeintlichen Anfall von Originalität “Dicke Kinder in kurzen Hosen” auf die Plakate zu schreiben und damit sowohl die Einheimischen als auch die Baade-Jünger zu brüskieren. Aber hey, wie gesagt: Lehrgeld.

Zu Blaubeuren hat der Ermittler alles gesagt (Wilken!), und Luckenwalde, nun ja, ist halt Luckenwalde. Klingt in meinen Ohren immer so’n bisschen nach Wecker’schem Sprechgesang: Und Luckenwalde schweigt dazu. War zwar Programm, hatte ich aber, lernfähig wie ich bin, wenigstens nicht auf die Plakate gesudelt.

Und dann war ich noch in, Dingenskirchen, Sie wissen schon (also insbesondere Sie, Herr @rebiger), Hamburg. Wo, wenn nicht dort, sollten fünf Fußballzeilen vorgetragen werden, nicht wahr, von Dinos und Uhren und Torhütern und Dorschen, Sie verstehen? Aber darüber wird dann ja der Schnüffler berichten. Vielleicht auch darüber, dass ich es spätestens in jenem Moment hätte wissen müssen, als mein Techniker vor Ort bei dem Versuch, den Sky-Decoder (heißt das so?) zum Laufen zu bringen, um das Spiel des VfB gegen Hoffenheim zu sehen, nun ja, Lehrgeld bezahlte. Wer mit solchen Technikern auf Lesereise geht, hat, abseits aller Rüttelreime, ein Problem.

War ja eigentlich ein netter Zug gewesen von der Angestellten, uns in Abwesenheit des Chefs und eingedenk eigener Ahnungslosigkeit da ran zu lassen, wobei sicherlich die Selbstverständlichkeit, mit der mein Begleiter seine technische Kompetenz verbal durchscheinen ließ, jeden Zweifel im Keim erstickte. Dass uns der Chef kurz nach Anpfiff, eilends herbeigerufen und fluchend resettend, kein Hausverbot erteilte, war dann ja immerhin etwas.

Das Spiel entschädigte. Uns alle, und insbesondere uns alle, die wir es schon immer gewusst haben. Seit Jahren wollten wir schon den Werner sehen. Den Maxim sowieso, von Kvist, diesem elendigen Rückpassspieler großartigen Stabilisator gar nicht zu reden. Und dass der Schneider es drauf hat, wussten ja eh alle. Im Verein und drumrum. Schon immer. Schön auch, dass nun alle voneinander wissen, dass sie es schon immer … ach, egal.

Tags zuvor (ja, zwei Abende in einer Stadt – ein Privileg der ganz ganz Großen, irgendwo beim S-Bahnhof Othmarschen) hatte ich ebenfalls Fußball gesehen. So richtig live, im Stadion, in bemerkenswert ausdauernder, lautstarker und vor allem hingebungsvoller blau-gelber Gesellschaft. Man nimmt ja alles, was man so an Karten bekommt vor dem Stadion, zumal ich jenes im Volkspark einfach gerne mag, unabhängig vom jeweiligen Platz.

Ohnehin war die Konstellation für mich weniger problematisch als für meinen vor Ort ansässigen Mitstadiongänger, der die ungewohnt zahlreichen Jubelmomente mit dem Hintern auf den Händen sitzend verbrachte. Was dem unmittelbar vor uns sitzenden Nacken geschuldet gewesen sein dürfte, der Gerd Müllers Oberschenkel (oder selbst die von Gerd Wiesemes!*) wie einen Unterarm des jungen “Spillo” Altobelli wirken ließ.

Nicht dem Nacken allein, gewiss, sondern auch der ihn umgebenden beeindruckenden Erscheinung, die nicht unwesentlich dazu beitrug, dass eine einmalige Intervention des jungen Mannes die vor ihm sitzenden Braunschweiger fortan davon abhielt, spiel- und supportabhängig aufzuspringen – und ihm damit die Sicht zu versperren.

Dumm nur (und diese Einschätzung schließt explizit das Sicherheitskonzept des Gastgebers mit ein), dass eine anhaltende Sichtbehinderung von einem ungeschickt platzierten Ordner ausging, der tatsächlich durch seine bloße Präsenz immer wieder Verrenkungen der Zuschauer erforderlich machte. Was den Nacken zu einer Schimpftirade, andere zu fliegenden Bierbechern animierte, ohne den Herrn jedoch aus der Ruhe bringen zu können. Hut ab, aber vielleicht hat er ja zwischenzeitlich doch noch mal mit seiner Chefin über die Platzierung gesprochen.

Nebenbei sah ich auch gelegentlich auf den Platz. Was ich dabei konkret sah, hat Herr @nedfuller meines Erachtens treffend auf den Punkt gebracht. Den Spielverlauf, meine ich, nicht die anscheinend sehr aufwändige Choreo, die leider nicht für spätentschlossene Stadiongänger wie mich gedacht war. Maximilian Beister hat mich überzeugt, so körperlich hatte ich ihn bisher nie wahrgenommen, und bei Zoua, von dem ich nach den ersten Minuten dachte, seine Bewegungsabläufe schlössen ein Talent für Ballsportarten aus, muss ich Abbitte leisten. Oder zumindest gedanklich ein wenig zurückrudern.

Ob ich hinsichtlich der während des Spiels aus meiner Sicht unvermeidlichen Einschätzung, dass Braunschweig schlichtweg nicht konkurrenzfähig sei, ebenfalls zurückrudern muss, wage ich zu bezweifeln. Ich täte es gerne. Allein schon, um es den Besserwissern ins Gesicht schleudern zu können: “Nicht konkurrenzfähig, Kamke, oder wie?” oder “Piss-Verein, wa, Lieberknecht?!”

Oh, ich vergaß Hakan Çalhanoğlu. Bzw. seinen Freistoß, der mir im Stadion, ohne Zeitlupenwissen sozusagen, die Behauptung entlockte, diese Mischung aus Schärfe und Effet hierzulande seit Thomas Häßler nicht mehr gesehen zu haben. Mit ein bisschen Recherche käme ich davon vielleicht ab; aber ich verzichte gern darauf. Man muss auch mal schwelgen können.

Nun bin ich ein bisschen vom Thema Lesereise abgekommen. Darf gern so bleiben, der Schnüffler wird sich früh genug wieder zu Wort melden. Oh, hat er ja schon wieder getan. Aber wer ist dieser Peters?

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* Genau genommen war die Hamburgfahrt tatsächlich eine Lesereise. Ich las in jeder freien Minute. Aber keine Fünfzeiler, sondern Ronald Rengs “Spieltage“. Ein wunderbares Buch, ein großes Lesevergnügen, und hinreichend Wissenshäppchen für künftige Kneipendiskussionen. Zum, Beispiel, wenn mal wieder einer Gerd Müllers Oberschenkel bemüht.

Die Uerdingen-Uebertreibung

Die Bundesliga-Saison läuft noch, hörte ich. Es fallen tatsächlich auch noch einige relevante Entscheidungen, und ja, ich werde sie interessiert verfolgen. Ich werde auch ins Neckarstadion gehen, um dem VfB gegen irgendeinen Gegner, möglicherweise ist es Mainz, zuzuschauen. Ok, ich weiß, dass es Mainz ist, mir war nur grade nach einer billigen, Effekt heischenden (wohl aber nicht erzielenden) Illustration meines sehr überschaubaren Interesses an den verbleibenden (jenes in Gelsenkirchen zählte bereits dazu) Bundesligaspielen des VfB in dieser Saison. Vom Schalke-Spiel habe ich noch nicht einmal die Tore gesehen.

Nun könnte man einwenden, die Spiele seien allein deshalb interessant, weil es ja für alle Spieler darum gehe, so auch öffentlich von Trainer und Sportvorstand propagiert, sich für das Pokalfinale zu empfehlen. Was voraussetzen würde, dass es tatsächlich einen Konkurrenzkampf gibt. Tatsächlich suche ich gegenwärtig noch nach der Startelfposition, die nicht vergeben ist. Rechts hinten vielleicht?

Letztlich ist es ja ohnehin egal, wer gegen die übermächtigen Tripleaspiranten aus München aufläuft, hört man. Denkt man auch selbst. Manchmal. Meist. Aber gegen so ein bisschen Hoffnung ist ja nichts einzuwenden, kann und will man sich nicht einmal wehren, und Strohhalme sind schnell gefunden:

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Der Reihe nach: Trainer Baade wünscht einigen VfB-Anhängern ein längeres Vergnügen als jenes, das er selbst (obschon Nicht-Vereinsanhänger, d. Red.) im Jahr 2011 mit Meiderich hatte. Er geht allerdings von einer geringen Eintrittswahrscheinlichkeit aus, was sich mit meiner Erwartungshaltung zu decken scheint. Martyn interveniert und verweist auf ein geschichtliches Vorbild: Bayer Uerdingen, vermutlich im Jahr 1985 (Sie wissen schon, wie auch in meiner Reaktion angedeutet: Wolfgang Schäfer, Pokal im Bett, undsoweiterundsofort).

Richtig interessant wird es in dem Moment, als Trainer Baade die Vergleichbarkeit bestätigt. Beinahe, fügt er fast ein wenig verschämt hinzu, und der gemeine Stuttgarter Anhänger interpretiert seine Relativierung dahingehend, dass der VfB, ein Traditionsverein und in diesem Jahrtausend einer der regelmäßigsten deutschen Europapokalteilnehmer, dann ja doch nicht auf ganz so verlorenem Posten stehe wie das mittlerweile ungefähr siebzehntklassige Bayer Uerdingen damals, ein Plastikverein von Bayers Gnaden, dessen anhaltende öffentliche Bekanntheit sich nahezu ausschließlich aus zwei Spielen speist, von denen das eine eben genannt wurde und das zweite sich bereits in den Köpfen der Mitlesenden eingenistet hat.

So zumindest meine Interpretation der Baade’schen Einschränkung, seiner Höflichkeit eingedenk. Möglicherweise meinte er es aber auch ganz anders. Möglicherweise gelang es ihm, die Stuttgarter Fans glauben zu machen, er bewerte die Chancen ihrer Mannschaft höher als die damaligen Uerdinger Aussichten, obwohl er eigentlich, die Fakten vor Augen, das Gegenteil meinte. Sicherlich wusste er, im Gegensatz zu den verblendeten VfB-Anhängern wie Martyn und mir selbst, dass Bayer Uerdingen zu jener Zeit wesentlich näher an den Bayern dran war, als es sich der VfB heute auch nur erträumen könnte:

Zum Zeitpunkt des Pokalfinales 2013 wird der VfB in der Liga rund 10 Plätze und mindestens 43 Punkte (maximal 49) hinter den Bayern liegen. Bayer Uerdingen lag damals – übrigens beim ersten Finale im sogenannten deutschen Wembley und zugleich dem letzten, so ich mich nicht vertan habe, das vor dem letzten Bundesligaspieltag stattfand – auf Platz 5, also 4 Ränge und 10 Punkte hinter dem Finalgegner, von denen letztere auch bei Umrechnung gemäß der 3-Punkte-Regel nur auf 15 anwachsen. Kein Vergleich zum VfB, wenn man ehrlich ist.

Momentaufnahme? Ja, wie immer. Aber nicht nur. Im Folgejahr, das Bayer mit einem 1:0-Sieg gegen den FC Bayern begann, belegte die Mannschaft am Saisonende Rang 3, 4(6) Punkte hinter dem Meister aus München, und scheiterte im Halbfinale des Europapokals der Pokalsieger an Atlético Madrid. Durchaus ehrenvoll, was gewiss auch für den FC Bayern gilt, der im Viertelfinale des Landesmeisterpokals gegen Anderlecht und den jungen Enzo Scifo den Kürzeren zog. Klingt aber – meiner eigenen anderslautenden Erinnerung zum Trotz – irgendwie so, als sei man sich sportlich damals annähernd auf Augenhöhe begegnet, zumal auch noch niemand das Bedürfnis verspürte, von spanisch-schottischen Verhältnissen zu sprechen.

Quintessenz: Uerdingen taugt nicht als Referenz. Mit viel Wohlwollen vielleicht als Strohhalm. Bleibt also die Frage, wo man die von Martyn angesprochene Hoffnung in der Geschichte des DFB-Pokals suchen und vielleicht doch noch finden soll.

Ich hab das dann mal übernommen, wenn auch eingeschränkt: seit der Gründungssaison der Bundesliga, weiter habe ich der Vergleichbarkeit wegen nicht zurückgeblickt, gewann in immerhin 15 Fällen die in der regulären Saison (kleine Ungenauigkeit: am Saisonende, nicht zwingend zum Zeitpunkt des Finales) schlechter platzierte oder unterklassige Mannschaft, angefangen gleich 1964 in Stuttgart, als der Bundesligasiebte 1860 gegen den Dritten (nach 3-Punkte-Zählung sogar Zweiten) aus Frankfurt, der 13 Punkte (3er) mehr erzielt hatte, siegreich blieb.

Mit dem heutigen Platzierungs-, Punkt und Leistungsunterschied zwischen den beiden Finalisten scheint so ein Ergebnis indes nur schwer vergleichbar zu sein, nicht einmal »(beinahe)«. Lediglich zweimal gelang es einer Mannschaft, die in der Bundesliga 20 oder mehr Punkte Rückstand auf ihren Finalgegner hatte, diesen dann tatsächlich zu besiegen: 1999 lag Werder Bremen (fast hätte ich gesagt: aus heutiger Sicht kaum vorstellbar, um mich dann doch kurz der aktuellen Tabelle zu besinnen) als 13. satte 40 Punkte hinter dem Meister aus München, den es im Elfmeterschießen besiegte, und, tja, der frischgebackene Meister aus Stuttgart war im Jahr 2007 dem 5 Plätze und 22 Punkte hinter ihm eingelaufenen 1. FC Nürnberg nicht gewachsen. 1989 lag Pokalsieger Dortmund immerhin noch 13 Punkte und 4 Ränge hinter Finalgegner Bremen, 1996 schlug Absteiger Kaiserslautern im Finale den um 9 Plätze und (nur!) 12 Punkte besseren KSC.

Eine Sonderrolle nehmen schließlich, die gemeine Leserin wird die Protestnote bereits formuliert haben, noch die beiden Finale ein, bei denen ein unterklassiger Verein siegreich vom Platz ging: 1970 schlug Regionalligist (und Bundesliga-Aufsteiger) Offenbach den Bundesliga-Vierten aus Köln. Mit etwas Wohlwollen kann man von einer Differenz von 15 Rängen reden [Nachtrag: war alles anders, wie Trainer Baade in den Kommentaren erklärt.], bei den Punkten wird es dann gänzlich unseriös. Gleiches gilt im Falle von Hannover 96, das 1992 als fünfter der 2. Liga Nord den 13. der ersten Liga, Borussia Mönchengladbach, im Elfmeterschießen schlug. Aufsteiger aus der 2. Liga Nord war in jener Saison, genau, Bayer Uerdingen.

Was das nun für den VfB heißt? Man weiß es nicht. Oder zumindest ich nicht. Aber man könnte sich an Werder 1999 orientieren. Oder an, honi soit qui mal y pense, den beiden Zweitligisten.

Und dann erinnern wir uns, wie so oft in kritischen Situationen, des Buches von den Elf Freunden, in dem Heini, Matze und die anderen vor ihrem eigenen großen Spiel alte Ergebnislisten wälzten, um sich einen vergleichbaren Außenseitersieg zum Vorbild zu nehmen. Dass der letztlich für passend befundene 3:0-Sieg der Düsseldorfer Fortuna gegen Schalke im 33er Meisterschaftsfinale aus einer Zeit stammte, in der die Kräfteverhältnisse noch etwas andere gewesen waren, musste man ihnen ja nicht auf die Nase binden. Und es half.

Also doch unsere Hoffnung: Bayer Uerdingen!

Werbung

Mittlerweile gibt es dieses Blog ja auch schon ein paar Tage. Phasenweise wird es recht regelmäßig befüllt, phasenweise übertrieben regelmäßig, phasenweise gar nicht. Völlig frequenzunabhängig wohnt es recht nah am Herzen des Hausherrn, auch wenn der sich, wie es wohl so üblich ist, gelegentlich Fragen zum Sinn und Zweck seines Tuns, zur Verhältnismäßigkeit des betriebenen Aufwands, zu Opportunitätskosten nicht monetärer Art stellt.

Naturgemäß kamen im Lauf der Jahre immer wieder einmal Anfragen und Angebote, Werbung zu machen. Abgezockte Angebote, die mit Linktauschvarianten aufmachten, freundliche Anfragen, unverschämte Mails, attraktive Anfragen – das Ganze ist ziemlich heterogen, manchmal wirkt es sehr ermüdend, gelegentlich entsteht ein durchaus erquicklicher Austausch, und hin und wieder bleibt einem schlicht der Mund offen stehen ob der Erkenntnis, für wie dumm man von anderen Menschen gehalten werden kann.

Dass ich derlei Ansätze bis dato konsequent ablehnte – hoffentlich kramt niemand ein Gegenbeispiel heraus – , mag man mit Prinzipientreue, Unabhängigkeitsbestrebungen, Idealismus, Naivität, technischer Inkompetenz oder Faulheit begründen, gerne auch mit sonst was.

Wie auch immer: es war so. Keine Werbung im Blog. Hilft ungemein, so eine Entscheidung ganz grundsätzlich getroffen zu haben und so nicht Gefahr zu laufen, die Thematik bei jeder weiteren Anfrage von Neuem aufzurollen, das Für und Wider abzuwägen, die thematische Relevanz fürs Blog, den Bosheits- oder Unterstützenswürdigkeitsgrad oder auch ganz banal die Seriosität des potenziellen Partners einzuschätzen, kurz: Zeit darauf zu verwenden, die der oben genannten und in erster Linie familienzentrierten Opportunitätskostenuntersuchung gewiss nicht standhielte.

Heute wird das alles anders. Heute kommt Werbung ins Blog. Unaufgefordert zwar, und unbezahlt, aber sie kommt:

Trainer Baade im Libero

Genau: der Trainer liest im Libero. Da wirbt man doch gerne für. Wer, fragen Sie? Kann nicht sein, Sie lesen doch hier mit, dann werden Sie ja wohl den Trainer kennen? Eben.

Vielleicht dennoch ein paar Zeilen, für den Fall, dass sich jemand zufällig hierher verirrt und noch nicht weiß, was er oder sie am 20. März in Stuttgart tun soll:

Der Duisburger Synonymiker liest in zwei Halbzeiten von und über, Sie sahen es, Drama Queens in kurzen Hosen. Was sich dahinter genau verbirgt, weiß der gemeine Interessierte vermutlich erst einmal nicht so recht; es darf jedoch davon ausgegangen werden, dass es um Fußball geht und dass sich die Edelfeder aus dem Ruhrpott aus ihrem reichhaltigen Fundus an Blog- und sonstigen Texten bedienen und gewiss auch mit der einen oder anderen unveröffentlichten Perle aufwarten wird.

Der Mitbegründer der auch international hoch angesehenen Duisburger Schule, zu deren profiliertesten Exponenten neben dem Dramamonarchisten himself der Königsblogger Torsten Wieland und Kees Jaratz vom Zebrastreifenblog zählen und die seit Jahr und Tag als unbestrittener sprachlicher wie auch inhaltlicher Referenzpunkt für die deutsche Fußballblogszene gelten muss, ist nicht nur der Betreiber (und in aller Regel alleinige Autor) des nach Ansicht der 11 Freunde “besten Fanmediums”, sondern auch – und aus guten Gründen – Rekordnominierter des jährlich vergebenen Sportbloggerawards.

Der Schwarmwissensapologet besticht in seinen Texten durch sprachliche Akkuratesse, die sich gerne auch einmal hinter vermeintlich kruden Formulierungen verbirgt, durch geistreiche Pointen und ungewöhnliche Herangehensweisen, aber ebenso durch die Bereitschaft, wie auch das Händchen, den Finger in Wunden zu legen, von deren Existenz die Leserin mitunter noch gar nichts wusste. Dabei ist der klassische Linksaußen gleichermaßen versiert im Umgang mit Florett und Fallbeil, mit Baseballschläger und Dolch, vor allem aber mit der Tastatur und, selbstredend, mit dem Fußball.

Man darf gespannt sein, ob die regelmäßigeren Protagonisten des Duisburger Buchautors, so zum Beispiel der kleine Philipp, der Dummschwätzer oder Lothar Herbert, zum Themenstrauß seiner Lesung zählen werden, oder ob sich der begnadete Geschichtenerzähler in erster Linie und ohne Punkt und Komma seiner Aschenplatzvergangenheit erinnern und uns alle daran teilhaben lassen wird, oder ob uns der Fußballpurist Einblicke in sein zweifellos renommiertestes Konzept gewährt, die (einer bedauerlicherweise unvermeidlichen Kürzung anheimgefallene) »Schweinsteiger’sche Zahl«, inklusive der Debatte, ob sie noch zeitgemäß sei. Vermutlich von allem ein bisschen, möchte man meinen, oder auch: egal – dem Mann mit der Radiostimme höre ich auf jeden Fall zu. Nicht nur der Stimme wegen, aber auch.

Der langjährige Listenliebhaber, der im Übrigen Länderspiele als Hochämter des Fußballs bezeichnet (allein dafür möchte ich ihm huldigen), wird uns, das möchte ich nicht unter den Tisch fallen lassen, präsentiert vom hiesigen Online-Fußballmagazin Kick-S.

Ebenso wenig möchte ich die Offenlegung vergessen, dass ich Trainer Baade kenne und deutlich mehr schätze, als ich hier zum Ausdruck bringen konnte. Käme ja sonst keiner drauf.

[Nachträglicher Einschub: Der folgende Schlusssatz gerät zum Eigentor, wenn man – anders als ich – bedenkt, dass WordPress selbst ohne Möglichkeit der Einflussnahme meinerseits am Ende der Texte regelmäßig Werbung für Drittprodukte einblendet. Bzw. nur eine kostenpflichtige Möglichkeit bietet, die mir keine Überlegung wert ist.]

(Jetzt reicht’s dann auch mal wieder mit Werbung im Blog, ne?)

Verpasste Rekomposition des Mythos Magath

Rants seien ja etwas aus der Mode. Also halten wir weiterhin den Ball flach. Das Interview in der “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ vom 2. September (hier online), das sich knappe fünf Bildschirmseiten lang mit Felix Magaths Image beschäftigt, ist gleichwohl ein schönes Beispiel dafür, wie sinnlos der Versuch ist, seine Wahrnehmung in der Öffentlichkeit neu zu komponieren, wenn die Faktenlage allzu eindeutig ist.

Dabei findet man in diesem über viele Jahre hinweg aufgebauten Magath-Bild bestimmt einige Punkte, bei denen ihm unrecht getan wird. So will ich nicht ausschließen, dass er seit 1995 im Schnitt unterdurchschnittlich viele Spieler transferiert hat (Ernsthaft? Hat er so wirklich argumentiert?), vielleicht geht es ihm wirklich nur darum, Spieler besser zu machen, möglicherweise leidet er auch wie ein Hund, wenn irgendwo ein Provinzblatt noch immer mit dem ollen “Quälix” um die Ecke kommt (auch wenn er das nicht zugeben würde, es also gar nicht Teil des Rekompositionsversuchs sein kann), und vermutlich zählt sein “Ich bin Sportler” zu den besseren Antworten, die ich bis dato auf die Frage nach dem Selbstverständnis eines Trainers gelesen habe.

Aber letztlich war all das, war jede Chance auf eine offene, wohlwollende Auseinandersetzung mit Magaths Einlassungen zu seinem Image bereits in jenem Moment vertan, in dem die aufmerksame Leserin die allererste Antwort gelesen hatte und gewahr wurde, wohin der Hase lief: zum Gemüse:

“[…] ich erlaube mir schon den Luxus einer gesunden Ernährung. Ich hatte das Glück, dass meine Mutter Wert auf gesundes Essen legte. Bei ihr habe ich das früh mitbekommen, das war damals im Grunde schon biologisch. Nicht viel Fleisch, einmal die Woche Fisch, viel Gemüse. “

 
 
Das ist ja alles gut und schön.
Allein, ich zweifle am Wahrheitsgehalt.
 
 

 
Jaja, ich weiß, möglicherweise musste er in den frühen 80ern kompensieren. Er sagt ja, um der Wahrheit die Ehre zu geben, auch im Interview, er habe “das dann irgendwann wieder” für sich entdeckt.

Aber wenn sich nach so vielen Jahren die Gelegenheit ergibt, zum einen eine Überschrift (und einen halben Absatz) des Trainers und zum anderen die von Herrn jon dahl so gerne zitierte und auch aktuell zur Verfügung gestellte Magath’sche Fleischantwort zu rekomponieren, ist es halt um so manches und manchen geschehen. Fairness, Seriosität, Bildqualität, Humoranspruch, mich, um deren fünf zu nennen.

Und irgendwann werde ich mich bestimmt auch Robert Long widmen. Oder Toni Schumachers Lieblingsessen. Allen Lieblingsessen, am besten, unter besonderer Berücksichtigung der Kriterien Professionalität, Außendarstellung und Plagiarismus.