Ein gutes Jahr ist es her, dass sich Trainer Baade als Two-Trick-Pony offenbarte. Und dabei so tat – man darf getrost von hemmungslosem Humblebragging sprechen –, als sei das etwas Schlechtes. Ich meine: zwei Tricks, zwei gut funktionierende noch dazu, wo wir doch alle wissen, dass selbst Arjen Robben nur einen kann und vielen als Inbegriff des One-Trick-Ponys gilt – das ist doch was, da braucht sich der geschätzte Herr Baade gewiss nicht zu verstecken, im Gegenteil!
Seine Selbstkasteiung erfolgte in Form eines jener Texte, bei denen man als Bloggende(r) hofft (zumindest ginge es mir so), die eine oder der andere Mitlesende möge sich bemüßigt fühlen, seiner- oder ihrerseits die eigenen Stärken, Schwächen, Unzulänglichkeiten, Vorlieben oder eben Tricks offenzulegen. Was möglicherweise auch geschehen wäre, zumindest in den Kommentaren, hätte nicht der erste Kommentator auf wenig subtile Art und Weise dazu beigetragen, die dortige Diskussion in einen schnöden Austausch von Rekordergebnissen abgleiten zu lassen.
Alternativ zum Austausch in den Kommentaren gelingt es mitunter auch, andere Bloggende dazu animieren, besagte eigenen Stärken, Schwächen, Unzulänglichkeiten, Vorlieben oder eben Tricks nicht nur in den Kommentaren, sondern gar in einem ausgewachsenen Blogtext offenzulegen. So sie denn etwas beizutragen haben.
Und so stelle ich mir, stets bestrebt, auch mal wieder was in mein Blog zu schreiben, seit jenem 7. Februar 2014 eben diese Frage: Kann ich etwas beitragen? Beherrsche ich wenigstens einen Trick? Nun, die verstrichene Zeit führt die geneigte Leserin auf die richtige Spur: es bestehen Zweifel.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch – gewiss kann ich einen Ball halbwegs geradeaus spielen, verstehe ein bisschen was von Verteidigungs- und Angriffsstrategien, treffe auch gelegentlich das Tor oder stelle mich nicht ganz ungeschickt in den einen oder anderen Ball-, vielleicht auch Laufweg der Gegenseite, aber ein Trick? Beziehungsweise ein spezieller, meine Spielweise mehr oder weniger definierender, wie soll ich sagen, Move?
Ich weiß nicht recht. Oder wusste nicht recht, fast 15 Monate lang. Mittlerweile habe ich eine Ahnung, die ich gerne mit Trainer Baade teilen will, seinen Blogbeitrag wie in den guten alten Tagen aufgreifend, etwas verspätet zwar, aber wir haben ja Zeit. Und natürlich teile ich sie auch gern mit jenen treuen oder zufälligen Leserinnen und Lesern, die ebenfalls bis hierher dabeigeblieben sind.
Die Bühne betritt: mein linker Fuß.
Klingt nicht so recht nach einem Trick, nicht wahr? Wenn man mal von dem Trick absieht, Menschen, die sich für Christy Brown und sein Werk interessieren, mit Hilfe einer fragwürdigen Überschrift hierher gelockt und implizit einen noch viel fragwürdigeren Vergleich insinuiert zu haben. Was, aber das kann hinterher jeder sagen, gar nicht in meiner Absicht lag. Die Überschrift, im Sinne eines Arbeitstitels, stand schneller da, als ich Christy Brown hätte sagen können, geschweige denn Daniel Day-Lewis. Und ich mochte sie, und sie blieb. So einfach.
Und so unspektakulär. Passend zu meinem linken Fuß. Er hat nichts Trickhaftes, weckt keine Erinnerungen an Uwe Bein oder, auch eine Art, na ja, Trick, Günter Delzepich, sondern ist schlichtweg ein gewöhnlicher linker Fuß. Der linke Fuß eines Rechtsfüßers, um genau zu sein. Dieser Rechtsfüßer ist durchaus in der Lage, wurde ja jahrelang im Training geübt, den Ball unter Laborbedingungen mit dem linken Fuß zu führen, auch pendelnd, wenn’s sein muss, und kann einfache Zuspiele in aller Regel mit links verarbeiten.
Aber er käme nie in die Versuchung, sich in einem “Tempo”-Dribbling auf besagten Linken zu verlassen, ihm die Führung anzuvertrauen, mal kurz mit der linken Sohle über den Ball zu wischen oder sich mit einer von Zidane abgeschauten links initiierten Roulette einer engen Situation zu entwinden. Nicht dass er all das mit rechts drauf hätte, schon gar nicht verlässlich reproduzierbar, aber da würde er es zumindest hin und wieder versuchen. Vielleicht.
Mit rechts ist er in aller Regel auch in der Lage, den Ball eine Weile hochzuhalten. Oder auch mit beiden Füßen, abwechselnd, wenn’s sein muss. Aber nur mit links? Keine fünf Kontakte. Oder, um der Wahrheit die Ehre zu geben: es scheiterte bereits am hochnehmen. Sie kennen das: Sohle auf den Ball, kurz zurückziehen, mit dem Spann anheben, jonglieren (so nennt man das bei uns). Konservativen Schätzungen zufolge habe ich das in den letzten knapp 40 Jahren etwa fünfzigtausend Mal getan. Davon progressiv geschätzte zehnmal mit links. Ohne erinnerungswürdigen Erfolg.
Oder nehmen wir die Ballannahme aus der Luft. So richtig aus der Luft, wenn Sie wissen, was ich meine: ein hoher Ball, der nahezu senkrecht herunterfällt und den man dann sehr elegant (wir denken an dieser Stelle kurz an Funny van Dannens Eurythmieschuhe) wie einen Flummi Stein auf dem Spann abfedert. Oder wie ein Mobiltelefon:
Mit rechts, wohlgemerkt. Mit links? Unvorstellbar. Ok, mit den Telefonen könnte es noch halbwegs klappen, da geht’s ja nur darum, den schlimmsten Schaden abzuwenden. Aber ein Fußball? Könnse vergessen, das sieht dann aus wie bei Jürgen Klinsmann.
Um es abzukürzen: mein linker Fuß ist fußballspezifisch kein feinmotorisches Werkzeug. Ich würde nicht so weit gehen, meinen ehemaligen Trainer kontextbefreit zitierend, mir ein Bügeleisen im Schuh zu attestieren, aber er ist definitiv kein Trickserfuß. Keine Hacke. Spitze schon eher. Kein eins-zwei-drei.
Woraus sich nahezu zwingend ergibt, dass ich den Ball in aller Regel am rechten Fuß habe. Mit rechts annehme, mit rechts, erhobenem Kopf und großer Geste raumgreifend durchs Mittelfeld trabe, mit rechts ins Dribbling gehe. Das Dribbling ist ja nicht so meins. Also nicht im Sinne von Übersteigern, verwirrenden choreographierten Tricks (ah, Tricks, da sind sie wieder!) und ständigen Fußwechseln. Eine Körpertäuschung, vielleicht ein kurzes Innehalten, eine kurze Ballberührung, ein Beschleunigungsversuch.
Ist ja nichts Schlechtes. Keep it simple. Allerdings, und hier wird es vielleicht ein bisschen too simple, liegt der Ball, Sie erinnern sich, stets an meinem rechten Fuß, oft an dessen Innenseite, und so ziehe ich, wenn alles gutgeht, nach links am Gegenspieler vorbei, verschaffe mir ein bisschen Vorsprung und Raum, eine Schusschance eröffnet sich, Raum für eine Flanke, der Korridor für ein kurzes Zuspiel oder einen langen Pass.
Der Gegenspieler erkennt das auch, vielleicht, hat kurz ein schlechtes Gewissen gegenüber seiner Mannschaft, weil er sich so billig ausmanövrieren ließ, um dann relativ rasch zu erkennen, dass das ja alles halb so schlimm ist: Feinmotorik. Bügeleisen. Sie ahnen es, haben es vielleicht bildlich vor Augen: mein linker Fuß. And I … am not left-footed. Either.
Und dann: Bämm! Torschuss mit links. Flanke mit links. Stanglpass mit links. Das geht. Ziemlich gut sogar. Der letzte Kontakt ist ein linker. Oder anders: One-Touch-Football mit links – mein Ponytrick. Nimm dies, Trainer Baade!
Ernsthaft: ich vermute, dass meine Tor- und Vorlagenquote mit links der mit rechts über die Jahre hinweg nur unwesentlich nachsteht. Wenn überhaupt. Auf überschaubarem Niveau, gewiss, aber doch bemerkenswerterweise. In den letzten Wochen, als ich, um die oben erwähnte Ahnung meines “Tricks” zu verifizieren, mit Hilfe einer sehr geringen Stichprobe, etwas genauer darauf achtete, gelangen mir zumindest mehr Tore und Vorlagen mit links als mit rechts. Ohne dass ich mich darum bemüht hätte.
(Wir sprechen von Kleinfeldfußball, mit freakigen Ergebnissen, da trifft jeder ab und zu mal. Nur um das klarzustellen.)
Und jetzt geh ich dem Trainer Baade nochmal ganz großspurig Humblebragging unterstellen.
Was ein unbedachtes “Sag mal, Heinz, bisch du jetzt eigentlich Rechts- oder Linksfuß?” nach sich ziehen kann.
Und ich verwehre mich dagegen, billig ausmanövriert geworden zu sein. Diesen polyvalenten Kamke kann niemand aufhalten.
Hehe, stimmt, Du warst dann tatsächlich der Auslöser. Mit dem Text bzw. diesem Fokus ging ich schon ein bisschen länger schwanger, aber Du gabst dann noch den entscheidenden Anstoß. Ja, auch deshalb freute ich mich sehr über jene Szene. In der selbstverständlich nichts billig war – die Beschreibung im Text ist eine allgemeinere. 🙂
Blöd nur, dass ich seither nicht mehr in einen Zweikampf mit Dir gehen kann: “Er denkt bestimmt, dass …, also werde ich … Wenn er aber denkt, dass … , dann sollte ich vielleicht … oh, Ball weg.”
Vielleicht war es doch ein subtiler, langfristig ausgelegter Plan meinerseits? Also ähnlich wie bei Boateng gestern.
[…] möge sich hier bitte die Zeitspanne denken, die er als lang bzw. lange erachtet), nachdem ich diesen Text gelesen habe, ich meiner Meinung nach lobende Worte über ebendiesen fand und diese wiederum der […]
[…] Heinz Kamke über das Standbein und den daran anschließenden schwachen Fuß, die Einfüßigkeit und ihre guten Seiten. »Mit erhobenem Kopf und großer Geste raumgreifend durchs Mittelfeld getrabt« sollte auf mehr Grabsteinen stehen. Sascha Rebiger fühlte sich durch Kamkes Text angespornt, seine eigenen Erfahrungen und Übungen mit dem Ersatzbein in Worte zu fassen: »Manchmal wünscht man sich ein bisschen mehr«. […]