Bitte nicht schönreden!

Selten Noch nie bin ich nach einem VfB-Heimsieg so schlecht gelaunt nach Hause gefahren wie nach dem heutigen 2:0 gegen den VfL Bochum. Insbesondere in der ersten Halbzeit war der VfB unterirdisch, und mit Blick auf die linke Seite habe ich mich noch immer nicht entschieden, ob ich sie nur offensiv oder auch defensiv ganz besonders schlecht fand. Oder andersrum?

Bezeichnend für die Spielweise der Heimmannschaft waren die Situationen, in denen Jens Lehmann Bochumer Flanken abfing, im viel zitierten “höchsten Tempo” zur Strafraumgrenze sprintete, um dann erkennen zu müssen, dass sich außer Cacau und gelegentlich Hilbert keiner seiner Mitspieler schneller als im Trab zielgerichtet nach vorne bewegte.

So konnte die Stadionregie folgerichtig und skurrilerweise in der Halbzeitpause unter der Rubrik “Highlights”[1], die traditionell nur VfB-Szenen enthält, genau eine Szene zeigen: ein verunglücktes Schüsschen von Cacau, das der gegnerische Hüter mit der Kappe fing.

Nach der Pause wurd’s etwas besser. Nicht unbedingt spielerisch -abgesehen von Gomez’ Kopfballchance unmittelbar nach Wiederbeginn-, aber der Siegeswille war spürbar. Zuerst bei einzelnen (Khedira, Gomez), nach und nach auch bei anderen Spielern. Bezeichnend dabei, dass die nicht unbedingt als Kampfschweine bekannten Marica und Elson nach ihrer Einwechslung auch diesbezüglich eine bessere Figur als manch anderer abgaben.

Sehr irritierend war auch Mario Gomez’ Jubel nach dem ersten Tor. Sein Griff zum lauschenden Ohr sollte wohl Kritik an den zur Pause pfeifenden Fans signalisieren. Nun, ich zähle nicht zu den Zuschauern, die auf diese Art ihr Missfallen kundtun, ganz im Gegenteil, aber wenn ich heute kein Verständnis für die Pfeifer gehabt hätte, wann dann? Dass Gomez nach dem Spiel bei Premiere (wo er erfreulicherweise die Leistung seines Teams durchaus realistisch eingeordnet hatte) darauf hinweisen zu müssen glaubte, dass die Stuttgarter Zuschauer eben verwöhnt seien, war in diesem Zusammenhang nicht nötig – gerade am Ende einer Woche, in der sich sowohl einzelne Fans als auch der Trainer in Ton und Wortwahl vergriffen haben.

Wie auch immer: der VfB hat gewonnen, aufgrund der Anteile in der zweiten Halbzeit und der individuellen Klasse insbesondere von Gomez, aber auch des willensstarken Khedira, wohl auch nicht unverdient. Es wäre mir persönlich jedoch sehr unangenehm, wenn man den vierten Tabellenplatz zum Anlass nähme, erneut ein schlechtes Spiel schönzureden und vor den ganz offensichtlich vorhandenen fußballerischen Problemen die Augen zu verschließen.

Auf der Basis vergangener Erfahrungen würde es mich, dies sei abschließend betont, keineswegs überraschen, wenn der VfB unter der Woche dem starken HSV mit einem tollen Spiel Paroli bieten würde.

Nachtrag 27.10.: Offensichtlich hat Mario Gomez seine Fanschelte noch fortgesetzt. Laut “Stuttgarter Nachrichten” war er “stinksauer” und ermahnte die Zuschauer, sie dürften “die Realität nicht vergessen”. Die Realität sieht aber leider auch so aus, dass der VfB innerhalb einer Woche drei Spiele abgeliefert hat, bei denen selbst überzeugte Anhänger über weite Strecken nur wenig Leidenschaft erkennen konnten. Ob dies der richtige Zeitpunkt ist, um darauf hinzuweisen, dass man “nicht immer glänzen” könne, bezweifle ich.


1.Mein persönliches “Highlight”, und das zahlreicher Umstehender, war indes der junge Mann, der es sich offensichtlich zum Ziel gesetzt hatte, eine überdimensionale Fahne an einer überlangen Stange 90 Minuten lang zu schwenken, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass zig Leute in den hinteren Reihen einen beträchtlichen Teil des Spiels damit verbringen würden, sich im Takt seiner -leider unrhythmischen- Schwenkbewegungen entgegengesetzt hin- und herzubewegen, um das Spielgeschehen verfolgen zu können. Ja, ich weiß: ich spreche von einem Fanblock, wo es nicht darum geht, objektiv alle Details und taktischen Feinheiten auf dem Spielfeld zu verfolgen, sondern primär darum, die eigene Mannschaft zu unterstützen, unabhängig vom jeweiligen Spielstand. Gleichwohl: es macht keinen Spaß, sich in einem Spiel zu engagieren, das man nur mit andauernden Verrenkungen verfolgen kann, während der Rekordschwenker selbst und -wegen der Länge der Fahnenstange- die 15 Reihen hinter ihm freie Sicht haben und sich folglich auch nicht beschweren. Aber das ist natürlich nur eine Randnotiz eines derjenigen, deren Protestrufe nicht vorne angekommen sind.

0 Gedanken zu „Bitte nicht schönreden!

  1. In der Tat, mit Schönreden ist da heute nicht viel zu machen. Zumindest (und so viel muss man der Mannschaft immerhin zugestehen) haben wir es dieses Mal im Gegensatz zur letzten Woche gewonnen.

    Was Deine Prognose für das HSV-Spiel angeht, klingt das durchaus nach einem typischen Verlauf. Allerdings spricht die Statistik doch relativ deutlich dagegen, bezieht man unsere Auswärtsschwäche und unser bisheriges Abschneiden gegen Teams aus der oberen Hälfte in die Kalkulation mit ein. Und die Statistik lügt ja selten.

    Bin wirklich gespannt, wie die beiden kommenden Spieltage ablaufen. Dann wird man vielleicht die Gesamtsituation der Liga etwas besser einschätzen können.
    Btw: Sollten es tatsächlich zwei Siege werden (was ich angesichts der spielerischen Leistungen bisher nicht glaube), dann wären wir sogar stärker als vor zwei Jahren nach 11 Spieltagen. Aber da sind mir dann doch noch zuviele Variablen. =)

  2. Hihi, Tschuldigung, wollte Dich nicht erschrecken. =)

    Fakt ist aber in der Tat, dass wir jetzt einen Punkt besser sind als vor zwei Jahren. Und damals waren wir auch nur bedingt überzeugender, wenn ich mich recht entsinne…

    Aber gut, dass sind selbstverfreilich Hirngespinste zum jetzigen Zeitpunkt der Saison. Wollte nur mal darauf hinweisen, dass wir trotz dieser teils grausamen Leistungen immer noch eine Startbilanz haben, die wir seit ’95 nur drei Mal übertroffen haben.

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